Die Taliban verstärken ihre Kontrolle über die Informationsverbreitung in Afghanistan weiter. Allein im Februar wurden weitere politische Sendungen im Fernsehen verboten, die Radiostation Radio Begum vorübergehend eingestellt und zwei weitere Medienschaffende verhaftet. Reporter ohne Grenzen (RSF) veröffentlicht nun eine Liste der verhängten Verbote für Medien. Sie offenbart die Strategie der Unterdrückung der Presse durch die Taliban-Behörden in aller Deutlichkeit.

Der Sender Radio Begum wurde im Februar zwar 18 Tage nach der am 4. Februar angeordneten Einstellung des Sendebetriebs wieder zugelassen, es befinden aber nach wie vor ein Sportjournalist von Radio Jawanan und ein technischer Leiter von Radio Begum in Haft. Darüber hinaus erhalten die besagten Radioteams keinen Zugang zu ihren eigenen Räumlichkeiten, sodass ihnen eine effektive Wiederaufnahme ihrer Aktivitäten unmöglich gemacht wird. Dem Radiosender wurden «mehrere Verstösse» vorgeworfen, darunter die Bereitstellung von Inhalten für einen im Ausland ansässigen Fernsehsender.

Dies ist nur ein weiteres Beispiel für die vielfältigen Formen der Unterdrückung, die seit der Rückkehr der Taliban an die Macht im Jahr 2021 immer stärker werden. RSF hat mehr als ein Dutzend Verbote gezählt, die den Journalismus in Afghanistan unterdrücken. Es gibt immer mehr Richtlinien und Vorgaben, die die Pressefreiheit einschränken. Sie werden von der Generaldirektion für Nachrichtendienste (GDI), von Hibatullah Akhundzada, dem obersten Führer der Taliban persönlich, dem Ministerium für Information und Kultur, dem Ministerium für «Laster und Tugend», dem Sprecher der Taliban oder von den Provinzbehörden erlassen.

Erst im Februar erhielten die letzten noch aktiven Fernsehsender in Kabul nach Informationen von RSF eine mündliche Warnung des Ministeriums für Information und Kultur. Ihnen wurde dabei verboten, politische Programme und Debatten auszustrahlen. Nach Angaben mehrerer RSF-Quellen sind auch jegliche regierungskritische Diskussionen sowie Debatten zu wirtschaftlichen Themen betroffen. Bislang hat das Ministerium keine offizielle Erklärung abgegeben.

«Die afghanische Medienlandschaft erstickt unter einer unerbittlichen Zensur. Das neue Verbot politischer Debatten zeigt auch das klare Ziel der Regierung: jegliche Kritik zu unterdrücken und die Medien zu monopolisieren. Dazu nutzt sie eine Anhäufung vager Vorschriften mit unklaren Bestimmungen, die die Medien unter ständigen Druck setzen. Dieses ganze repressive Arsenal zielt darauf ab, Medienschaffende mundtot zu machen, den Ruf des Landes zu kontrollieren, die eigene Propaganda durchzusetzen und jeden Versuch zu unterdrücken, die eigene Regierungsführung in Frage zu stellen. RSF fordert den obersten Vertreter der Taliban auf, alle diese die Pressefreiheit einschränkenden Verbote unverzüglich aufzuheben, und wendet sich an die internationale Gemeinschaft bezüglich der Medienrepression im Land.»

Célia Mercier
Leiterin des Südasienbüros von RSF

RSF zieht Bilanz über die zunehmende Zahl von Verboten für Medien und Medienschaffenden:

  • September 2021: Eine erste Direktive schreibt elf neue Regeln für Medienschaffende vor. Sie sind vage und lassen viel Interpretationsspielraum zu, um Journalistinnen und Journalisten strafrechtlich zu verfolgen. 
  • September 2021: Verbot, die De-facto-Taliban-Regierung unter einem anderen Namen als «Islamisches Emirat Afghanistan» zu bezeichnen. Eine Massnahme, die die Medien zwingt, das Taliban-Regime als legitim anzuerkennen.
  • September 2021: Verbot der Berichterstattung über Demonstrationen.
  • Oktober 2021: Verbot der Ausstrahlung von Musik in den Medien.
  • November 2021: Verbot von Interviews mit Dissidenten oder Regimekritikern.
  • März 2022: Verbot der Ausstrahlung von Programmen ausländischer Medien, wie etwa der US-amerikanischen und britischen Medien Voice of America und BBC.
  • Juli 2022: Striktes Verbot,Regierungsbeamte der Taliban zu kritisieren. Dies gilt als Verstoss gegen das islamische Recht und wird bestraft.
  • Februar 2024: Vollständiges Verbot politischer Programme in den TV-Kanälen in Kabul.
  • Mai 2024: Verbot, mit dem in Grossbritannien ansässigen Sender Afghanistan International zusammenzuarbeiten. Darüber hinaus wird die Arbeit von Exilmedien behindert, deren Mitarbeiter zunehmend verhaftet werden.
  • Juli 2024: Verbot der Veröffentlichung von Bildern von Lebewesen gemäss dem neuen Gesetz zur Förderung der Tugend und zur Verhinderung von Lastern. Dieses Verbot gilt für Medien in sieben Provinzen.
  • September 2024: Politische Sendungen werden zensiert, seit eine neue Direktive verlangt, dass solche Sendungen vor der Ausstrahlung aufgezeichnet werden. So können die Taliban Kritik an ihrer Regierungsführung vorrangig herausschneiden. Diskussionsgäste müssen darüber hinaus auf einer von den Taliban genehmigten Liste stehen. 
  • Darüber hinaus werden Verbote erlassen, die speziell auf Journalistinnen und die Präsenz von Frauen in den Medien abzielen: Frauen dürfen nur mit bedecktem Gesicht in den öffentlichen Medien arbeiten oder im Fernsehen auftreten. Sie dürfen nicht mit Männern zusammenarbeiten, keine Interviews führen oder von Männern interviewt werden. In der Provinz Helmand im Süden des Landes sind weibliche Stimmen im Radio verboten, egal ob es sich um Moderatorinnen oder Hörerinnen handelt, die sich zu Wort melden möchten. Auch in der östlichen Provinz Khost sind Anrufe von weiblichen Hörern bei Radiosendern verboten.

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