Während die Zeitungen von Tamedia wichtige Enthüllungen über die Genfer Bank Reyl veröffentlicht haben, die sich insbesondere auf Dokumente der Finanzmarktaufsicht FINMA stützen, berichteten sie am Donnerstag, 10. April, auch, dass sich einige namhafte und international renommierte Investigativjournalistinnen und -journalisten mittlerweile davor scheuen, Schweizer Boden zu betreten. Und dies einzig und allein aufgrund der Tatsache, dass sie in Vergangenheit investigative Artikel und Berichte veröffentlichten, in denen sie mit geleakten Bankdaten arbeiteten. Gemäss der Schweizer Gesetzgebung ist dies seit 2015 verboten und wird unter Strafe gestellt – mit 250’000 Franken oder bis zu drei Jahren Gefängnis.

Grund dafür liegt in Art. 47 im Bundesgesetz über die Banken und Sparkassen (Bankengesetz, BankG). Dieser Artikel stellt nicht nur die Herausgabe von geheimen Bankdaten unter Strafe, sondern auch deren Weitergabe und Veröffentlichung – selbst dann, wenn die Daten von klarem öffentlichen Interesse sind.

«Die aktuellen Recherchen von Investigativjournalistinnen und -Journalisten aus der Schweiz sowie aus weiteren europäischen Ländern zeigen einmal mehr mit aller Deutlichkeit: Eines der grössten Defizite hinsichtlich der Pressefreiheit in der Schweiz ist und bleibt Art. 47 des Bankengesetzes. Dieser Passus kriminalisiert investigativen Journalismus über Bank- und Finanzthemen. In der letztjährigen Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen zeigte sich das auch ganz klar: Während die Schweiz im globalen Vergleich zwar insgesamt auf dem neunten Platz lag, rangiert sie in der Kategorie «Rechtlicher Kontext» nur auf dem 27. Platz. Aus Sicht von RSF Schweiz ist dieser Sachverhalt absolut inakzeptabel. Den Medien – in der Schweiz wie auch im Ausland – muss es weiterhin freistehen, Informationen aus geleakten oder gestohlenen Bankdaten zu veröffentlichen, solange diese Informationen wahrheitsgetreu sind und zu einer Debatte von allgemeinem Interesse beitragen.»

Denis Masmejan
Generalsekretär von RSF Schweiz

Dass damit Schweizer Redaktionen in ihrer Berichterstattung stark eingeschränkt sind und sich ausländische Medienschaffende sogar daran gehindert sehen, in die Schweiz einzureisen, ist eine nicht hinnehmbare Einschränkung der Pressefreiheit. RSF Schweiz warnt davor, dass sich aufgrund von Art. 47 im Bankengesetz ein weiterer «Chilling Effect», d.h. eine abschreckende Wirkung, breit macht, die Redaktionen dazu veranlasst, von eigentlichen Recherchen abzusehen. Gleichzeitig ruft RSF Schweiz die Strafverfolgungsbehörden in der Schweiz dazu auf, die Anforderungen der Pressefreiheit gebührend zu berücksichtigen und Medienschaffende nicht auf Grundlage von Artikel 47 des Bankengesetzes zu verfolgen.

 

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