Angesichts der Gefahren, die der Zusammenbruch der wirtschaftlichen Sicherheit der Medien – aufgezeigt durch die Rangliste der Pressefreiheit 2025 – für die redaktionelle Unabhängigkeit und den Informationspluralismus mit sich bringt, ruft Reporters ohne Grenzen (RSF) die Behörden, privaten Akteure und regionalen Institutionen dazu auf, sich für einen New Deal für den Journalismus zu engagieren und dabei elf zentrale Empfehlungen zu befolgen.

Die wirtschaftliche Schwächung der Medien stellt eine der grössten Bedrohungen für die Pressefreiheit dar. Laut den Ergebnissen der Rangliste der Pressefreiheit 2025 sind die Bedingungen für die Ausübung des Journalismus in der Hälfte aller Länder schlecht („schwierig“ oder „sehr schlecht“). Noch alarmierender ist die wirtschaftliche Lage: Drei Viertel aller Länder weisen in diesem Bereich eine schlechte Situation auf.

Konkrete Verpflichtungen sind unerlässlich, um die Pressefreiheit und das Recht auf Information zu wahren und die Medien aus dieser schädlichen wirtschaftlichen Spirale zu befreien, die ihre Unabhängigkeit und ihr Überleben bedroht: Das ist der Sinn des Aufrufs von RSF für einen New Deal für den Journalismus.

Die 11 Empfehlungen von RSF für einen New Deal für den Journalismus:
1. Pluralismus durch wirtschaftliche Regulierung schützen

Medien sind keine Unternehmen wie alle anderen und erbringen keine Dienstleistung wie alle anderen. Auch wenn sie grösstenteils privatwirtschaftlich organisiert sind, erfüllen sie eine Aufgabe von allgemeinem Interesse: die ordnungsgemässe Information der Öffentlichkeit – ein grundlegendes Element der Demokratie. Aus diesem Grund muss Pluralismus gewährleistet sein, und zwar nicht nur in seiner externen Dimension (Pluralität der Medien auf einem Markt), sondern auch in seiner internen Dimension (Pluralität der in einem Medium vertretenen Meinungen), unabhängig von Änderungen der Eigentümerverhältnisse.

In Frankreich (Platz 25) verdeutlichen die Debatten um die Medienkonzentration, insbesondere im Zusammenhang mit dem Bolloré-Konzern, die Risiken für den Pluralismus. In Südafrika (Platz 27) hat die Wettbewerbsbehörde Überlegungen zu Lösungen für die Risiken angestellt, die die Plattformwirtschaft für den Pluralismus der Online-Informationen mit sich bringt.

2. Die JTI als gemeinsamen Referenzrahmen übernehmen

Medien, digitale Giganten und Staaten sind aufgefordert, sich gemeinsam der von Reporter ohne Grenzen (RSF) ins Leben gerufenen Journalism Trust Initiative (JTI) anzuschliessen. Diese Initiative, die bereits von mehr als 2.000 Medien in 119 Ländern angenommen wurde, bietet einen gemeinsamen Referenzrahmen – nicht um Inhalte zu bewerten, sondern um die Prozesse der Informationsproduktion zu beurteilen. Ziel ist es, die Transparenz über die Eigentumsverhältnisse der Medien und die redaktionellen Abläufe zu verbessern sowie zuverlässige Medien hervorzuheben. Diese Zertifizierung bietet eine Grundlage für die Ausrichtung öffentlicher Finanzmittel, die Steuerung von Referenzierungsstrategien und ermöglicht es Plattformen und Suchmaschinen, vertrauenswürdige Informationen hervorzuheben und gleichzeitig vor Desinformationsstrategien zu schützen.

3. Einführung einer demokratischen Verantwortung der Werbetreibenden

Die Staaten könnten eine demokratische Verantwortung der Unternehmen einführen – analog zur sozialen Verantwortung der Unternehmen (CSR). Eine Priorität, die in erster Linie die Werbetreibenden betrifft, die durch die Verlagerung ihrer Budgets auf Technologieplattformen oder – noch problematischer – auf Websites, die Desinformation verbreiten, eine Mitverantwortung für die wirtschaftliche Lage des Journalismus tragen. Ziel ist es, Werbetreibende dazu zu bewegen, ihre Werbeinvestitionen an Kriterien wie Zuverlässigkeit und journalistische Ethik zu knüpfen. Die Ausrichtung der Werbestrategien am Gemeinwohl ist ein entscheidender Hebel für ein gesundes Medienökosystem und eine demokratische Notwendigkeit.

Diese Form demokratischer Unternehmensverantwortung wurde insbesondere vom Lenkungsausschuss der États généraux de l’information in Frankreich (Generalstände zur Information) befürwortet und könnte in den Gesetzentwurf aufgenommen werden, der 2025 in der Nationalversammlung geprüft wird.

4. Die Macht der „Gatekeeper“ der digitalen Welt regulieren

Demokratische Staaten müssen digitale Plattformen dazu verpflichten, zuverlässige Informationsquellen sichtbar zu machen und zu vergüten.

Die Europäische Union – mit der Urheberrechtsrichtlinie – und Australien (29.) – mit dem ersten Gesetz, das Google und Facebook zur Vergütung journalistischer Online-Inhalte verpflichtet (News Media Bargaining Code) – entsprechende Regelungen verabschiedet. Kanada (Platz 21.) hat ähnliche Reformen auf den Weg gebracht, stösst jedoch auf starken Widerstand, insbesondere von Meta, das daraufhin Medien von seinen Plattformen verbannt hat. Um eine gerechte Verteilung des wirtschaftlichen Werts von Online-Journalismusinhalten zu gewährleisten, sind eine wirksame Umsetzung und breite Anwendung dieser Gesetze erforderlich. Die Behörden müssen faire Verhandlungen sicherstellen, um zu verhindern, dass Medien in ein unausgewogenes Abhängigkeitsverhältnis zu den Technologiekonzernen geraten. 

Angesichts des Aufstiegs künstlicher Intelligenz (KI) wird es zudem immer wichtiger, eine faire Vergütung für die Urheber von Inhalten (Artikel, Bilder, Videos) sicherzustellen, die zum Trainieren oder Füttern von KI-Modellen verwendet werden. Diese neue Realität verstärkt die Notwendigkeit einer angemessenen Regulierung, um den Wert journalistischer Inhalte vor neuen Formen technologischer Ausbeutung zu schützen.

5. Die Besteuerung von Tech-Giganten einführen, um hochwertige Informationen zu finanzieren

Die Einführung einer solchen Steuer muss darauf abzielen, den gesamten oder einen Teil des Wertes umzuverteilen, den die Digitalriesen zum Nachteil der Medien ungerechtfertigt abgeschöpft haben. Der Erlös würde an die Medien weitergeleitet und die Finanzierung der Produktion hochwertiger Informationen ermöglichen.

Mehrere Staaten haben bereits Reformen zur Besteuerung grosser digitaler Plattformen eingeleitet, aber fast keine davon zielt speziell auf die Förderung der unabhängigen Informationsproduktion ab. Indonesien (Platz 127) hat eine Steuer auf ausländische digitale Dienste eingeführt und verpflichtet Plattformen, Medien ab 2024 für die Nutzung ihrer Inhalte zu vergüten. Auch Frankreich hat 2019 eine Sondersteuer auf die Einnahmen von Digitalunternehmen eingeführt.

6. Die unabhängige Berichterstattung stärken und Informationsdefizite durch öffentliche Entwicklungshilfe bekämpfen

Angesichts der Zunahme von Krisen, Konflikten und autoritären Regimes ist es unerlässlich, unabhängige Informationen zu fördern und der Entstehung von Informationswüsten entgegenzuwirken. Die öffentliche Entwicklungshilfe (APD) muss die Unterstützung des unabhängigen Journalismus als unverzichtbaren Faktor nicht nur für die wirtschaftliche Entwicklung, sondern auch für die Stärkung der demokratischen Regierungsführung und des Friedens einbeziehen.

Es wird daher vorgeschlagen, mindestens 1 % der öffentlichen Entwicklungshilfe für die Finanzierung freier und unabhängiger Medien bereitzustellen, um deren Fortbestand zu sichern. Angesichts der Tatsache, dass einige Förderinstrumente – wie beispielsweise das der US-Agentur für internationale Entwicklung (USAID) – gefährdet sind, ist das Engagement der Geberstaaten wichtiger denn je.

Beispiele für positive Verpflichtungen sind die Bemühungen Australiens (Platz 29) und Neuseelands (Platz 16), regionale Programme zum Aufbau von Medien zu unterstützen, insbesondere auf den Pazifikinseln.

7. Förderung hybrider und innovativer Finanzierungsmodelle

Wie der von RSF in der Ukraine (62.) vorgeschlagene Fonds zur dringenden Stärkung des Journalismus (IFRUM) ist es unerlässlich, Unterstützungsinstrumente zu entwickeln, die öffentliche Mittel und private Beiträge (Spenden, Investitionen und Darlehen) miteinander verbinden. Um die Finanzierung zu diversifizieren, könnten die Staaten steuerliche Anreize für Investoren verstärken und den Zugang zu Spendern über ihre Einwohner und Steuerzahler hinaus ausweiten.

8. Transparenz und Unabhängigkeit bei der Vergabe von Medienhilfen gewährleisten

Die Gewährung öffentlicher oder privater Subventionen für Medien muss auf objektiven, transparenten und von der Zivilgesellschaft überprüfbaren Kriterien beruhen. Nur eine klare und gerechte Verteilung der Beihilfen kann die redaktionelle Unabhängigkeit wahren und die Medien vor jeglicher politischer Einflussnahme schützen. In diesem Sinne schreibt die EU-Medienfreiheitsverordnung (EMFA), die 2025 in allen Ländern der Europäischen Union in Kraft treten wird, Transparenz bei der Vergabe von Beihilfen vor, verpflichtet die Mitgliedstaaten, die Unabhängigkeit der Redaktionen zu gewährleisten und Schutzmassnahmen gegen politischen Druck vorzusehen. Auch andere Länder haben vorbildliche Rahmenbedingungen geschaffen: Kanada (21.) hat ein transparentes System eingeführt, das Steuergutschriften und Subventionen kombiniert und die redaktionelle Unabhängigkeit gewährleistet.

9. Die Schwächung der öffentlich-rechtlichen Medien bekämpfen

Öffentlich-rechtliche Medien sind keine Staatsmedien: Sie sind unabhängige Akteure, die von der Allgemeinheit finanziert werden, um einen Auftrag von allgemeinem Interesse zu erfüllen. Ihre Aufgabe ist es, einen universellen Zugang zu zuverlässigen, pluralistischen und unabhängigen Informationen im Dienste des sozialen Zusammenhalts und der Demokratie zu gewährleisten. Die in vielen Ländern wiederkehrenden finanziellen und politischen Angriffe auf diese Medien gefährden den Zugang der Öffentlichkeit zu verlässlichen Informationen.

10. Die Medienkompetenz und die Ausbildung von Journalisten stärken

Die Förderung zuverlässiger Informationen setzt voraus, dass alle Menschen bereits in jungen Jahren lernen, verlässliche Informationen zu erkennen, und an Projekten zur Medienbildung beteiligt werden. Auch die journalistische Ausbildung an Universitäten und Hochschulen muss unter der Voraussetzung ihrer Unabhängigkeit gefördert werden.

Finnland (5. Platz) ist mit seinen bereits in der Grundschule integrierten Medienbildungsprogrammen, die zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit gegenüber Desinformation beitragen, weltweit führend in diesem Bereich.

11. Die Staaten dazu ermutigen, sich internationalen Initiativen wie der Partnerschaft für Information und Demokratie anzuschliessen und diese umzusetzen

Die Internationale Partnerschaft für Information und Demokratie zählt bereits mehr als 50 Unterzeichnerstaaten. Ihr Ziel ist die Förderung eines freien, pluralistischen und zuverlässigen Informationsumfelds. In einem Kontext, in dem Demokratien ins Wanken geraten, erinnert RSF daran, dass Journalismus ein Gemeingut ist.

Dieser New Deal ist ein Aufruf, gemeinsam die Grundlagen für einen freien, zuverlässigen und pluralistischen öffentlichen Raum wiederaufzubauen.

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