Am heutigen Sonntag, 23. Februar, wird in Deutschland ein neuer Bundestag gewählt. Die Herausforderungen sind gross: Die politische Landschaft ist zersplittert, populistische Parteien gewinnen an Zulauf und auch Medienschaffende und Redaktionen geraten zunehmend unter Druck. Um sie zu schützen und zu stärken, hat Reporter ohne Grenzen Empfehlungen an die neue Regierung formuliert.

«Pressefreiheit ist fest im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verankert. Aber es gibt bedenkliche Entwicklungen: Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Medien werden gezielt von populistischen und rechtsextremen Akteuren verstärkt. Gewalttätige Übergriffe auf Berichterstattende gehören bei vielen Demonstrationen mittlerweile zum Alltag. Daher ist diese Wahl richtungsweisend. Ohne eine vielfältige und freie Presse gibt es keine Demokratie. Wir appellieren an die künftige Regierung, dafür zu sorgen, dass dieses Grundrecht nicht geschwächt wird – insbesondere auf digitalen Plattformen.»

Anja Osterhaus
Geschäftsführerin RSF Deutschland

Grundsätzlich sind die Rahmenbedingungen für journalistische Arbeit in Deutschland zufriedenstellend, das Land steht auf der RSF-Rangliste der Pressefreiheit auf Platz zehn.

Doch auch in Deutschland stehen die Redaktionen unter grossem wirtschaftlichem Druck, insbesondere auf lokaler Ebene. In manchen Regionen drohen Nachrichtenwüsten. Einige Journalistinnen und Journalisten, die in Deutschland im Exil leben, erleben staatliche Repressionen aus ihren Heimatländern. Zugleich hat in den vergangenen Jahren der Gesetzgeber zahlreiche Sicherheitsgesetze verschärft und damit Präzedenzfälle für eine Überwachung auch derer geschaffen, die mit ihrer Arbeit einen wesentlichen Beitrag zur demokratischen Debattenkultur leisten.

Fünf Empfehlungen von RSF an die künftige Bundesregierung
  • Medienfreiheit EU-weit stärken: Die EU-Gesetzgebung zum Schutz der Medienfreiheit, der Unabhängigkeit und des Pluralismus muss umfassend angewandt werden, Medienschaffende müssen vor Verleumdungsklagen (sogenannten SLAPPs) geschützt werden, so wie im Europäischen Medienfreiheitsgesetz (EMFA) und in den Anti-SLAPP-Gesetzen und Empfehlungen der EU vorgesehen. Deutschland muss in diesem Bereich eine Führungsrolle übernehmen.
  • Schutz von Journalistinnen und Journalisten garantieren: Berichterstattende müssen bei Veranstaltungen, besonders bei Demonstrationen, besser vor Übergriffen geschützt werden. Für Polizei, Strafverfolgungsbehörden und Justiz sollte es Weiterbildungen im Umgang mit Journalistinnen und Journalisten geben.
  • Medienschaffende im Exil schützen und unterstützen: Medienschaffenden, die vor Verfolgung fliehen, sollte auf unbürokratischem Weg der Aufenthalt in Deutschland ermöglicht werden. Die neue Regierung muss ihnen die nötige Unterstützung bieten, damit sie im Exil weiterarbeiten können. Um sie vor Verfolgung durch autoritäre Regierungen in Deutschland zu schützen, sollte eine Koordinierungsstelle eingerichtet werden.
  • Pressefreiheit in der Digital- und Sicherheitspolitik stärken: Die neue Bundesregierung sollte sich für einen effektiven digitalen Schutz aller Journalistinnen und Journalisten und ihrer Kommunikation einsetzen. Redaktionsgeheimnis und Quellenschutz müssen in der Gesetzgebung besser berücksichtigt werden, es braucht ein Recht auf Verschlüsselung. Die Kontrolle der Nachrichtendienste sollte effizienter erfolgen. Der illegalen Überwachung von Medien muss ein Riegel vorgeschoben werden.
  • Journalismus stärken – für Demokratie und gegen Desinformation: Medienvielfalt und redaktionelle Unabhängigkeit müssen gestärkt werden. Angebote, die sich zur Einhaltung professioneller Standards verpflichten, sollten in Rankings und Empfehlungsalgorithmen bevorzugt werden. Die neue Regierung muss hohe Standards für sehr grosse digitale Plattformen festlegen, etwa in Bezug auf die Löschung von Inhalten, die Strukturierung von Nachrichten in Newsfeeds (Hervorhebung vertrauenswürdiger Medien, die nach dem globalen Standard der Journalism Trust Initiative (JTI) oder einem anderen anerkannten professionellen Standard zertifiziert sind) beim Umgang mit digitaler Gewalt und der Verbreitung von Desinformation. Gemeinnütziger Journalismus muss als solcher anerkannt und in der Abgabenordnung steuerlich begünstigt werden.

Hier geht es zum vollständigen Positionspapier von RSF.

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