Ein turbulentes Jahr neigt sich dem Ende zu. Ein Jahr, in dem die Pressefreiheit global einen Tiefststand erreicht hat. Ein Jahr, das geprägt war von einem beispiellosen Angriff auf die freie Presse in den USA. Ein Jahr, in dem Medienschaffende rund um den Globus ihr Leben und ihre Freiheit riskierten, um uns zu informieren. Sie sind die eigentlichen Heldinnen und Helden unserer Zeit. Ohne Superkräfte, dafür ausgerüstet mit Stift, Papier, Mut und Rückgrat, sorgen sie dafür, dass selbst unter widrigsten Bedingungen ein freier Journalismus möglich ist. Reporter ohne Grenzen hat im November fünf von ihnen in Paris geehrt und ausgezeichnet. Zeit, ihre Arbeit und ihren Einsatz zu würdigen.

Da ist zum einen die aserbaidschanische Journalistin Sevinj Vagifgizi, die mittlerweile seit über zwei Jahren in einer nur vier Quadratmeter grossen Zelle inhaftiert ist – auf Basis von fingierten Anschuldigungen. Gegen ihre Redaktion Abzas Media wurden im November 2023 Ermittlungen aufgenommen. Sevinj Vegifgizi befand sich damals geschäftlich im Ausland, entschied sich aber, in ihre Heimat zurückzukehren – im Wissen, dass sie am Flughafen in Baku unmittelbar festgenommen wird. Seitdem ist hinter Gittern, ihr drohen bis zu neun Jahre Gefängnis. Anstatt sich aber einschüchtern zu lassen, blieb sie standhaft. «Was die Regierung fürchtet ist genau das, was wir zu schützen versuchen: Die Wahrheit», sagte sie während ihres Prozesses. Sie bewies immer wieder ausserordentlichen Mut, und wurde dafür im November dieses Jahres mit dem RSF-«Preis für Mut» ausgezeichnet.

Auch die palästinensische Fotografin Bisan Owda bewies in den letzten zwei Jahren unzählige Male Mut und Standhaftigkeit. Wohnhaft in Gaza, erlangte sie seit dem 7. Oktober 2023 internationale Bekanntheit, insbesondere aufgrund zahlreicher Videos, die sie auf den sozialen Medien veröffentlichte, und die sie oft mit dem gleichen Satz einleitete: «Hier ist Bisan aus Gaza, und ich bin immer noch am Leben.» In dem kriegsversehrten Küstenstreifen ist dies längst keine Selbstverständlichkeit mehr. In den vergangenen zwei Jahren wurden im Gazastreifen über 200 Medienschaffende durch die israelische Armee getötet, duzende davon mutmasslich gezielt. Bisan Owda aber berichtete unvermittelt über den Horror des Krieges. Ihr Kurzfilm «It’s Bisan from Gaza, and I am Still Alive» wurde 2024 mit einem Emmy ausgezeichnet. Und bis heute wurde sie eine wichtige Stimme, die kontinuierlich und standhaft aus dem Gazastreifen berichtet. Dafür wurde sie mit dem RSF-Impact-Preis gewürdigt.

Nebst Bisan Owda und Sevinj Vagifgizi wurde eine weitere mutige Journalistin mit dem RSF-Unabhängigkeitspreis gewürdigt: Shin Daewe aus Myanmar. Seit Jahren berichtet sie über Umweltthemen und über den Bürgerkrieg im südostasiatischen Land. Und genau deswegen wurde sie zu einer lebenslänglichen Gefängnisstrafe in ihrer Heimat verurteilt. Einer der fingierten Anklagepunkte: «Beihilfe zum Terrorismus». Bis zu ihrer Haft arbeitete Shiin Daeww als freischaffende Journalistin für diverse nationale und internationale Medien, darunter auch den myanmarischen Service des mittlerweile eingestellten Sender Radio Free Asia. Die höchste Strafe, die in Myanmar in den letzten Jahrzehnten gegen eine Journalistin verhängt wurde, verdeutlicht vor allem eines: Die uneingeschränkte Unterdrückung des Rechts auf Information durch die Militärjunta im Land.

Auch der burkinische Journalist Atiana Serge Oulon wurde von RSF ausgezeichnet. Für seine investigative Arbeit in der Zeitung L’Événement und seine Recherchen zu sicherheitspolitischen Themen in Burkina Faso erhielt er den Mohammed-Maïga-Preis für investigativen Journalismus in Afrika. Wie nur wenige andere Medienschaffende im Land traut er sich noch, kritisch und mit Rückgrat über sensible Themen zu recherchieren. Atiana Serge Oulon veröffentlichte auch bereits zahlreiche Bücher über den wachsenden Terrorismus und die Militärputsche in der Region. Im Juni 2024 wurde er deswegen mutmasslich von zehn Mitarbeitern des burkinischen Geheimdienst AND verschleppt. Wahrscheinlich, um ihn gegen seinen Willen in die Armee einzugliedern. Zwar gaben die Behörden bereits mehrmals bekannt, ihn bald wieder freizulassen. Doch über seinen weiteren Verbleib ist bislang kaum etwas bekannt.

Der fünfte von RSF gekürte Journalist ist Robin Tutenges aus Frankreich. Der Fotograf war im Mai 2025 heimlich in die Amhara-Region im nördlichen Äthiopien gereist, um über die nationalistische Fano-Miliz im Land zu berichten. In Äthiopien ist es wie in zahlreichen anderen Ländern weltweit ein grosses Risiko, ohne entsprechende Visa oder Bewilligungen journalistische Beiträge zu realisieren. Tutenges nahm dieses Risiko trotzdem auf sich. Dabei erhielt er seltene Einblicke ins Innenleben der Miliz. Dafür erhielt er den Lucas-Dolega-SAIF-Fotopreis von Reporter ohne Grenzen, der jedes Jahr fotojournalistische Arbeit unter schwierigsten Bedingungen oder in Hochrisikogebieten prämiert.

Sevinj Vagifgizi, Bisan Owda, Shin Daewe, Atiana Serge Oulon und Robin Tutenges sind nur fünf von unzähligen Medienschaffenden, die in der jüngsten Vergangenheit aussergewöhnliches geleistet haben. Sie stehen sinnbildlich für den Kampf für eine freie Presse und für eine gerechte Zukunft. Ihnen gebührt unser grösster Respekt.

Valentin Rubin, Policy & Advocacy Manager RSF Schweiz

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