Ende Mai wurde Ladina Heimgartner (Photo KEYSTONE/Gaetan Bally), CEO von Ringier Medien Schweiz, zur Präsidentin des Weltverlegerverbandes WAN-IFRA gewählt. Der Verband ist in 120 Ländern aktiv und vertritt die Interessen von über 3000 Medienunternehmen und über 18’000 Medientiteln.

Ladina Heimgartner, Sie treten Ihr Amt in einer turbulenten Zeit an. Die Pressefreiheit ist weltweit unter grossem Druck, gerade im Superwahljahr 2024. Und allein der Krieg in Gaza hat über 100 Medienschaffenden das Leben gekostet. Wie sehen Sie diesen Entwicklungen entgegen?

Eine funktionierende Demokratie braucht freie Medien. Sie treten mit verlässlichen Informationen der Verunsicherung entgegen. Ich habe mich vom ersten Tag meiner beruflichen Laufbahn für freie Meinungsbildung eingesetzt. Im Weltverlegerverband werden wir daher die Bedeutung der freien Presse weiterhin betonen. Es muss sichergestellt sein, dass Medienschaffende ihre Arbeit ohne Angst vor Gewalt oder Repressalien ausüben können. Wir werden die Bedeutung unabhängiger Nachrichtenmedien weiterhin betonen. Dazu wurden bereits mehrere Regierungen mit konkreten Resolutionen aufgerufen, die Pressefreiheit zu wahren und die Sicherheit von Journalisten durch rechtliche Rahmenbedingungen zu gewähren.

Wie werden Sie den Weltverlegerverband ausrichten, um die Pressefreiheit weltweit zu fördern?

Die Situation verschärft sich weltweit eher, als dass sie sich entspannt – viele Medien stehen unter enormem Druck. Die Möglichkeiten des Weltverlegerverbandes darf man nicht überbewerten, aber eben auch nicht unterbewerten: Wir werden kontinuierlich auf Missstände hinweisen – öffentlich und gegenüber zahlreichen Stakeholdern. Wir müssen unaufhörlich an besseren Rahmenbedingungen arbeiten. 

Die Schweiz belegt im von RSF herausgegebenen Ranking der Pressefreiheit Rang 9 von 180. Wo sehen Sie Verbesserungsbedarf?

Dass wir Platz 9 belegen, ist ein gutes Zeichen. Dennoch: Ein Land wie die Schweiz sollte unter den Top 5 rangieren! Auch in unserem Land gibt es Angriffe auf Medienschaffende. Ausserdem hat der Gesetzgeber die Arbeit der Medienschaffenden jüngst erschwert. Die Hürden für superprovisorische Massnahmen der Gerichte gegen die Medien wurden erleichtert. Auch der Revisionsentwurf zum Nachrichtendienstgesetz sieht eine empfindliche Aufweichung des Quellenschutzes vor. Kommt hinzu, dass die Pressefreiheit im Finanzsektor stark eingeschränkt ist, sodass Schweizer Redaktionen teils nicht an internationalen Recherchen zu Banken-Themen mitwirken konnten. Es gibt also viel Handlungsbedarf. Ringier hat beispielsweise gemeinsam mit dem Verband Schweizer Medien dazu am Nationalen Aktionsplan für die Sicherheit von Medienschaffenden mitgearbeitet.

Worum geht es da?

Um Sensibilisierung, Prävention und konkrete Schutzmassnahmen für Journalistinnen und Journalisten. Das übergeordnete Ziel ist es, das Thema Sicherheit von Medienschaffenden auf die öffentliche Agenda zu setzen und auf die Herausforderungen für Medienschaffende aufmerksam zu machen. Dazu zählt etwa der Dialog mit der Polizei, um die Arbeit von Journalistinnen und Journalisten bei Demonstrationen zu schützen. Oder Mittel zu finden, um missbräuchliche Gerichtsklagen gegen Medienschaffende, sogenannte SLAPPs (Strategic Lawsuits Against Public Participation), zu verhindern. 

Für Unbehagen hat auch ein Entscheid des Ständerats im Dezember gesorgt, der den Bundesrat aufforderte, zu prüfen, ob die Veröffentlichung rechtswidrig erworbener Daten unter Strafe gestellt werden soll.

Investigative Journalisten sind auf durchgesickerte Informationen angewiesen, um Missstände aufzudecken und die Öffentlichkeit zu informieren. Eine Kriminalisierung der Veröffentlichung solcher Daten könnte die Medienlandschaft erheblich verändern und die Aufdeckung von Skandalen erschweren. Deshalb werden wir uns als Verband Schweizer Medien auch bei der Behandlung dieses Geschäftes aktiv einbringen, um Schaden für die Pressefreiheit bestmöglich abwenden zu können. 

Ein weiteres Problem ist die wirtschaftliche Lage der Medien. Redaktionen werden zusammengelegt, Kosten gespart, Mitarbeiter entlassen – jüngst auch bei Ringier. Das schadet der Pressefreiheit und der vielfältigen Berichterstattung.

Die Medienbranche ist stark unter Druck. Pro Jahr fliessen Werbeeinnahmen von über zwei Milliarden Franken direkt in die USA zu Google, Amazon, Meta und Co. Diese Firmen sind fähig, Werbung präziser auf die User zuzuschneiden. Und da die meisten Medien in der Schweiz ohne Login zugänglich sind, verlieren sie hunderte von Millionen an Werbeeinnahmen. Wir müssen Lösungen finden, um die Vielfalt der Medien zu sichern. Neue Finanzierungsmodelle und geschützte Rahmenbedingungen können eine wichtige Rolle spielen. Ausserdem müssen wir die Attraktivität des Journalismus stärken, damit die besten Talente sich weiterhin für einen Beruf in den Medien entscheiden. Es ist schliesslich immer noch der spannendste Job der Welt.

Gleichzeitig ist künstliche Intelligenz ein grosses Thema. Inwiefern wird KI das Vertrauen in die Medien in den nächsten Jahren beeinflussen?

KI ist eine Herausforderung, die das Vertrauen in die Medien massgeblich beeinflussen kann. Die Informationsflut wird mit KI nur noch zunehmen. KI-Tools können journalistische Arbeit zwar verbessern – etwa durch Automatisierung von Routineaufgaben, durch Datenanalysen oder durch die Personalisierung von Inhalten. Andererseits lauern Risiken. Desinformation könnte durch KI noch gestärkt werden. Es ist schon heute problemlos möglich, Text, Audio, Foto und Video synthetisch herzustellen, sodass das menschliche Auge den Unterschied nicht mehr erkennt. Das könnte das Vertrauen in die Medien weiter untergraben. Um dieses Vertrauen zu erhalten, ist Transparenz mit KI zentral. Medienhäuser müssen offenlegen, wo und wie KI zum Einsatz kommt. Und sicherstellen, dass dabei ethische Standards eingehalten werden. 

Was erhoffen Sie sich von der Technologie? Gerade Ringier geht das Thema ja sehr offensiv an.

Mit Hoffen hat das wenig zu tun. Wir wissen, dass diese Technologien Realität sind und das Leben in immer mehr Bereichen prägen werden. Die letzten Umbrüche – das Aufkommen des Internets und Social Media sowie das Smartphone – hat die Medienbranche verschlafen, mit verheerenden Konsequenzen. Dieses Mal gilt es, auf der Welle zu surfen. Es wird folglich beides brauchen: Griffige gesetzliche Rahmenbedingungen sowie Kooperationen zwischen Medienhäusern und den Tech-Firmen. Die nächsten Jahre werden wir nur partnerschaftlich bestreiten können, davon bin ich zutiefst überzeugt.

VALENTIN RUBIN, POLICY & ADVOCACY MANAGER RSF SCHWEIZ

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