Seit Donald Trump im Januar 2025 sein Amt antrat, kam es in den Vereinigten Staaten zu einer Reihe von gezielten Angriffen auf die Pressefreiheit, die durch Einschränkungen des Zugangs zu Informationen, Zwangsmassnahmen gegenüber den Medien und einer ablehnende Haltung gegenüber Journalistinnen und Journalisten gekennzeichnet waren. Mittlerweile hat Trump seine medienfeindliche Haltung weiter verstärkt: Er droht Medienschaffenden mit rechtlichen Schritten arbeitete eng mit Persönlichkeiten wie Elon Musk zusammen, um den traditionellen Journalismus in den Hintergrund zu drängen. Seine Regierung hat ausserdem den Zugang von Medienschaffenden zum Weissen Haus und zum Pentagon eingeschränkt, bestimmte Seiten von offiziellen Websites gelöscht und mit diskriminierenden Massnahmen gegenüber den öffentlichen Medien gedroht. Vor diesem Hintergrund fordert Clayton Weimers, Direktor von RSF USA, gemeinsame Massnahmen zur Unterstützung des unabhängigen Journalismus im Land.

Wie beurteilen Sie die Reaktion amerikanischer Institutionen wie des Kongresses, der Gerichte und der gewählten Politiker auf all diese Angriffe auf die Pressefreiheit und den Journalismus?

Diese Angriffe sind Teil einer umfassenderen Offensive der Regierung gegen die Demokratie. Es geht nicht nur um den Journalismus. Ich glaube, dass viele amerikanische Institutionen deshalb Schwierigkeiten haben, einen Weg zu finden, sich gegen diese Attacken auf ihre Unabhängigkeit und Freiheit zu wehren. Nehmen wir das Beispiel der Universitäten: Sie werden auf sehr ähnliche Weise wie der Journalismus angegriffen und haben grosse Schwierigkeiten, sich zu verteidigen oder sich zusammenzuschliessen. Insbesondere weil sie für ihre Finanzierung und wissenschaftliche Forschung von der Regierung abhängig sind. Sie sind zudem besorgt über die neuen Beschränkungen für internationale Studierende, die einen wesentlichen Teil ihrer Einnahmen ausmachen.

Wie sieht es im Journalismus aus?

Da ist die Situation komplexer. Einerseits sind die Medien nicht darauf ausgerichtet, sich gemeinsam gegen die Regierung zu stellen, und sollten dies auch nicht tun, da sie objektiv bleiben müssen. Sie sind es nicht gewohnt, eine militante Rolle einzunehmen. Das bereitet ihnen Unbehagen. Andererseits sind sie Rivalen: Sie stehen in ständigem Wettbewerb miteinander und verfügen über keine Kultur der Einheit oder Solidarität, um für eine gemeinsame Sache einzutreten. Zwar kommt es vor, dass sie sich punktuell zusammenschliessen, doch mangels geeigneter Strukturen geschieht dies nur selten. Hinzu kommt eine tiefgreifende Asymmetrie: Der Medienbranche mangelt es an finanziellen Mitteln, sie befindet sich in einer Vertrauenskrise und geniesst nicht immer starke öffentliche Unterstützung, insbesondere im Vergleich zu Institutionen wie dem Kongress oder den Gerichten. Die Einflussmöglichkeiten der Medien sind daher je nach Kontext sehr unterschiedlich. Eine bemerkenswerte Geste gab es im Oktober aber.

Welche?

In der Woche vom 13. Oktober haben die Medien grosse Einigkeit gezeigt. Sie sprachen sich gegen die neuen Zugangsbeschränkungen zum Pentagon und zum Verteidigungsministerium aus. Praktisch alle Medien weigerten sich, die neue Forderung des Pentagons zu unterzeichnen, wonach sie sich verpflichten sollten, keine Informationen anzufordern oder zu veröffentlichen, die nicht ausdrücklich zur Veröffentlichung freigegeben worden sind. Das ist bemerkenswert. Meines Wissens ist das der MAGA-Bewegung nahestehende One America News Network eines der wenigen Medien, das dieser Forderung nachgekommen ist. Selbst Fox News hat abgelehnt, ebenso Newsmax, das noch weiter rechts steht als Fox. Alle grossen Medien haben sich also zusammengeschlossen. Das ist ermutigend, da sie in diesem Punkt alle auf derselben Wellenlänge waren. Und es ist eine kluge und mutige Entscheidung: Sie verzichten zwar auf den Zugang zu einem strategisch wichtigen Ort wie dem Pentagon, aber sie sind der Meinung, dass man eine Grenze ziehen müsse. Ein Nachgeben in diesem Punkt hätte nur den Weg für weitere Zugeständnisse geebnet. Ich hoffe daher, dass es in Zukunft mehr solche Reaktionen geben wird. In den letzten Monaten nämlich haben einige Medienkonzerne die Pressefreiheit angesichts der gegen sie gerichteten Angriffe nicht wirklich verteidigt.

Disney und Paramount, zum Beispiel.

Genau. Der Präsident hat ABC, das zu Disney gehört, zweimal verklagt. Bereits beim ersten Angriff zog ABC es vor, die Angelegenheit aussergerichtlich beizulegen, obwohl es den Prozess höchstwahrscheinlich gewonnen hätte. Damit hat der Sender Trump gewissermassen bestochen, in der Hoffnung, sich vor künftigen Vergeltungsmassnahmen zu schützen. Diese Entscheidung hat ihn jedoch nicht immun gemacht: Die Federal Communications Commission (FCC) unter der Leitung von Brendan Carr hat anschliessend Drohungen ausgesprochen, die zur Entlassung von Jimmy Kimmel geführt haben. Ein ähnliches Szenario wiederholte sich mit CBS, das zu Paramount gehört. Trump verklagte CBS, das sich ebenfalls für eine aussergerichtliche Einigung entschied – eine Entscheidung, die umso absurder war, als kein Jurist daran zweifelte, dass der Sender den Prozess leicht gewonnen hätte, wenn er sich für eine Verteidigung entschieden hätte. CBS handelte jedoch aus rein politischen und kommerziellen Gründen: Der Sender wollte seine Fusion mit Paramount erleichtern und alle regulatorischen Hindernisse vermeiden, obwohl Paramount David Ellison gehört, einem engen Verbündeten von Trump.

Was bedeuten diese beiden Fälle für die Medien in den USA allgemein?

Paramount und Disney sind riesige Konzerne, deren Geschäftsinteressen weit über den Informationsbereich hinausgehen. Der Mediensektor macht für sie nur einen kleinen, oft wenig rentablen Teil ihrer milliardenschweren Aktivitäten aus. Ihre Kalkulationen unterscheiden sich daher stark von denen von Medienunternehmen wie der New York Times, Associated Press (AP) oder dem Wall Street Journal, die sich aktiv gegen die von Trump eingeleiteten Gerichtsverfahren wehren oder umgekehrt selbst Klage erheben, wie es die AP gegen das Weisse Haus getan hat, nachdem sie aus diesem verbannt worden war. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass es Medien gibt, die sich ausschliesslich der Information widmen und deren Überleben und Glaubwürdigkeit direkt von der Verteidigung des Ersten Verfassungszusatzes abhängt. Andererseits gibt es grosse, diversifizierte Unternehmen, für die die Medien nur ein sekundäres Mittel zur Verfolgung ihrer kommerziellen Interessen darstellen. Letztere geben daher dem Wert ihrer Aktien den Vorrang vor der Verteidigung ihrer Journalistinnen und Journalisten und erst recht vor der Verteidigung der Pressefreiheit, wenn dies zu Lasten ihrer Gewinne geht. Diese Situation wirft eine heikle, aber grundlegende Frage auf: Sollten grosse internationale Konzerne Medien besitzen, wenn sie nicht bereit sind, deren wesentliche Grundsätze zu verteidigen? Meiner Meinung nach sollte ein Unternehmen, das nicht bereit ist, die Pressefreiheit zu verteidigen, schlichtweg nicht in diesem Sektor tätig sein.

Präsident Trump hat Medienschaffende als «Feinde des Volkes» bezeichnet. Welche konkreten Auswirkungen haben diese Äusserungen auf Reporter, Journalistinnen und und Korrespondenten vor Ort? Haben diese Worte Konsequenzen für sie?

Ich glaube nicht, dass diese Äusserungen heute noch eine echte Wirkung haben. Trump hält solche Reden schon so lange, dass sie mittlerweile Teil der amerikanischen Politiklandschaft sind. Seine Angriffe auf Journalistinnen und Journalisten sind so alltäglich geworden, dass sie ihre Schockwirkung verloren haben. Niemand ist mehr überrascht, wenn er sich unangemessen verhält. Es gibt diesen immer wiederkehrenden Witz: Stellen Sie sich vor, Präsident Biden oder Präsident Obama würden nur einen Bruchteil dessen tun oder sagen, was Trump getan oder gesagt hat – die Medien würden empört reagieren, ebenso wie die Republikanische Partei. Aber wenn es um Trump geht, scheint sich jeder damit abzufinden, weil man bereits erwartet, dass er Grenzen überschreitet. Er wird nach anderen Massstäben beurteilt – wie wenn die üblichen Regeln des politischen Verhaltens für ihn nicht mehr gelten würden.

Hat dies dann nicht eher Auswirkungen auf das Vertrauen der Menschen in den Journalismus als auf den Journalismus selbst?

Ich denke, dass dies zu einem bestimmten Zeitpunkt wahrscheinlich der Fall war, aber ich bezweifle, dass dies heute noch zutrifft. Der Effekt ist mittlerweile tief verwurzelt. Als Trump 2016 begann, Medienschaffende als «Feinde des Volkes» zu bezeichnen, hat dies zweifellos dazu beigetragen, das Misstrauen eines Teils der Öffentlichkeit gegenüber den Medien zu verstärken. Man darf nicht vergessen, dass seine Anhänger, die sich vollständig mit seinen Aussagen identifizieren und seine Worte unhinterfragt übernehmen, bereits zuvor eine starke Feindseligkeit gegenüber der Presse empfanden. Sie mussten nicht weiter darin bestärkt werden.

Wie ist heute die vorherrschende Stimmung unter amerikanischen Medienschaffenden? Angst, Vertrauensverlust oder gar ein Verlust der Hoffnung? 

Es hängt davon ab, mit wem man spricht. Die amerikanische Medienlandschaft ist äusserst fragmentiert. Ich habe mich mit Journalistinnen und Journalisten ausgetauscht, die für junge, aufstrebende digitale Start-ups arbeiten, und ihre Sicht auf den Beruf ist viel optimistischer und innovativer als die jener, die bei traditionellen Medien wie CBS tätig sind und sich Sorgen um ihre Zukunft sowie die neue redaktionelle Ausrichtung ihres Unternehmens machen.

Und die ausländischen Medienschaffenden in den USA?

Sie sind in einer besonderen Situation, seien es Auslandskorrespondenten, Geflüchtete oder Fachleute, die sich mit einem Visum in den USA aufhalten. Viele befürchten, aufgrund der Änderungen in der Visapolitik und des zunehmend feindseligen Klimas ihnen gegenüber ausgewiesen zu werden. Ich höre immer häufiger von internationalen Journalistinnen und Journalisten, dass sie Formen der Selbstzensur praktizieren: Sie vermeiden es, bestimmte sensible Themen anzusprechen, ziehen es vor, keine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Das ist zutiefst beunruhigend.

Wenn ein Land wie die USA in der von RSF erstellten Rangliste der Pressefreiheit zurückfällt, welche Botschaft sendet das an den Rest der Welt?

Die USA betrachten sich seit Langem als weltweite Vorreiter in Fragen der Grundfreiheiten, auch im Hinblick auf die Pressefreiheit. Unsere Position in der Rangliste von RSF zeigt jedoch deutlich, dass wir nicht genug getan haben, um diese Freiheit zu stärken. Dieser Rückgang kann nicht ausschliesslich Trump angelastet werden: In den vergangenen zehn Jahren ist unser Land unter drei verschiedenen Präsidenten und trotz mehrerer Wechsel im Kongress zurückgefallen. Dies zeigt, dass das Problem eher struktureller als vorübergehender Natur ist.

Wie zeigt sich das?

Vor allem dadurch, dass die US-Gesetzgeber dem Schutz des Journalismus nicht die notwendige Priorität eingeräumt haben. Betrachtet man die fünf Indikatoren, aus denen sich der RSF-Rangliste zusammensetzt– wirtschaftlich, politisch, rechtlich, sozial, sicherheitstechnisch – so haben die USA in jedem dieser Bereiche einen Rückgang verzeichnet. Es gibt auf allen Ebenen Mängel. Wenn ich mit Leuten spreche und sie bitte, die Position der Vereinigten Staaten in der Rangliste zu schätzen, ohne ihnen die genaue Zahl zu verraten, überschätzen sie fast immer unseren Rang. Sie sind oft schockiert, wenn sie erfahren, dass wir uns auf Platz 57 befinden. Doch dieses Jahr ist niemand mehr wirklich überrascht: Alle erkennen, dass es ein echtes Problem gibt. Aber nochmals:Dieses Problem bestand bereits vor Trump, man kann ihm nicht die alleinige Schuld dafür geben. Dennoch glaube ich, dass kein anderer US-Präsident eine so direkte und präzedenzlose Bedrohung für die Pressefreiheit dargestellt hat wie er.

Wie kann man die Bürger mobilisieren, um den Journalismus zu verteidigen? Gibt es Akteure wie NGOs, aber vielleicht auch Richter oder Anwälte, die sich in dieser Frage engagieren und Widerstand leisten könnten?

Wir haben bereits über die Vertrauenskrise gegenüber den Mediengesprochen. Ich bin fest davon überzeugt, dass ein grosser Teil des Problems im allmählichen Verschwinden der gemeinsamen Öffentlichkeit liegt. Immer weniger Menschen informieren sich durch journalistische Inhalte, und genau darin sehe ich die Ursache für viele der Fehlentwicklungen. Das erklärt auch die wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Sektors: Das Publikum schrumpft. Und es hat erhebliche politische Konsequenzen: Wenn ein Politiker die Medien angreift, hat das kaum noch moralische Konsequenzen oder Auswirkungen auf Wahlen. Früher war es für einen Politiker schwierig, sich offen feindselig gegenüber der Presse zu zeigen. Heute ist diese Haltung fast schon alltäglich geworden, gerade weil das Misstrauen gegenüber den Medien weit verbreitet ist und sich nur wenige Bürger für sie einsetzen oder solche Angriffe verurteilen.

Was also ist konkret nötig?

Wir müssen die Öffentlichkeit unbedingt wieder mobilisieren. Noch zuvor müssen wir ihr den Sinn und den Wert des Journalismus erneut vermitteln – das ist zweifellos eine der komplexesten Herausforderungen überhaupt. Wer kann diese Aufgabe übernehmen? Wie bereits erwähnt, gibt es keine echte Koalition von Medien, die gemeinsam an der Lösung dieser Probleme arbeitet. Jede Organisation handelt nach ihren eigenen Interessen und versucht, ihre Marke zu stärken. Im Gegensatz zu anderen Branchen existiert kein starker Berufsverband, der den gesamten Berufsstand vertreten könnte. Nehmen wir das Beispiel der Automobilindustrie: Wenn die Bevölkerung plötzlich zu der Überzeugung käme, dass Autos schlecht seien, weil sie den Klimawandel verstärken und Menschen bei Unfällen töten, würde die Industrie sofort reagieren. Sie würde eine gross angelegte PR-Kampagne starten, um das Image des Autos aufzupolieren, Werbespots, Filme und Dokumentationen produzieren und eine ganze Reihe positiver Botschaften verbreiten, um ihren Wert wiederherzustellen. Im Journalismus jedoch übernimmt niemand diese Rolle. Es gibt kein Geld, keine Struktur, keine gemeinsame Strategie. 

Wie kann man also die Wahrnehmung der Öffentlichkeit verändern?

Vielleicht ist Reporter ohne Grenzen (RSF) heute die Organisation, die am besten geeignet wäre, eine solche Initiative auf strategischer und symbolischer Ebene zu tragen. Doch uns fehlen die notwendigen Ressourcen. Eine nationale oder internationale Kampagne zur Wiederherstellung des Wertes des Journalismus würde Dutzende Millionen Dollar kosten, eine Summe, die für uns schlichtweg unerschwinglich ist. Es müsste eine wirklich unabhängige Koalition geschaffen werden, die alle Akteure vereint, die ein vitales Interesse am Überleben und an der Stärkung des Journalismus haben: Medien, Universitäten, NGOs, Stiftungen, Juristinnen und Juristen sowie die Bevölkerung. Doch dieses Ziel ist schwer zu erreichen. Wir sprechen hier von zehntausenden Akteuren – Fernsehsendern, Zeitungen, Gewerkschaften, Anwältinnen und Anwälte, aber auch normale Bürgerinnen und Bürger, die Medien konsumieren. Ich denke seit etwa zwei Jahren darüber nach, und ehrlich gesagt habe ich noch nicht herausgefunden, wie man das konkret umsetzen kann. Diese Zersplitterung macht die Herausforderung einschüchternd. Man müsste fast eine neue, eigenständige NGO mit etwa 50 Millionen Dollar Budget gründen, um allein dieses Problem anzugehen.

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