Nach fast zwei Jahren Krieg im Gazastreifen gibt es bald niemanden mehr, der unabhängig aus der belagerten palästinensischen Enklave berichten kann. Ausländischen Medienschaffenden ist der Zugang ins Kriegsgebiet noch immer verwehrt. Und allein im August hat Israel mindestens elf weitere palästinensische Journalistinnen und Journalisten gezielt getötet. Das Ausmass der Katastrophe, die sich für Medienschaffende in diesem Kriegsgebiet abspielt, ist immer schwieriger in Worte zu fassen. Dabei ist die Rechtslage klar: Es handelt sich um Kriegsverbrechen. Der Druck auf Israel, sich zu diesen völkerrechtswidrigen Aktionen zu erklären, wächst entsprechend stark an.
Anas al-Sharif, Mohammed Qraiqea, Ibrahim al-Thaher, Mohammed Nofal, Moamen Aliwa, Mohammed al-Khaldi, Hussam al-Masri, Ahmed Abu Aziz, Mariam Abu Dagga, Mohammed Salama, Moaz Abu Taha.
Das sind die Namen der elf Medienschaffenden, die Israel im Zuge von zwei Luftschlägen am 10. und 25. August tötete (Photo: Keystone-SDA). Im Gegensatz zu früheren Angriffen gab die israelische Armee, zumindest beim Luftschlag vom 10. August, unmittelbar nach dem Angriff offen zu, die Journalisten gezielt und bewusst getötet zu haben – unter dem Vorwand, es habe sich dabei um einen Angriff auf Hamas-Terroristen gehandelt. Den Vorwurf selbst hat Israel dabei aber weder ausreichend noch glaubhaft begründen können. Nach internationalem Recht stellen solche Handlungen deshalb klare Kriegsverbrechen dar. Denn Medienschaffende gelten in bewaffneten Konflikten als Zivilpersonen, solange sie nicht aktiv an den direkten Kampfhandlungen teilnehmen.
Wenn Organisationen wie Reporter ohne Grenzen diese Verbrechen dokumentieren, kritisieren und beim Namen nennen, dann machen wir dies nicht aus Leichtsinn oder weil wir uns dadurch mehr Aufmerksamkeit wünschen. Würden wir dies tun, wäre unsere Glaubwürdigkeit schnell verspielt. Wir tun dies einzig und allein, weil es eminent wichtig ist, solche Verbrechen beim Namen zu nennen. Und weil wir Partei ergreifen für unabhängigen und starken Journalismus – überall auf der Welt.
Und in Gaza ist dies so wichtig wie in keinem anderen Krieg in der jüngeren Vergangenheit. Mit über 200 getöteten Medienschaffenden kamen in nur zwei Jahren Krieg mehr Journalistinnen und Journalisten ums Leben als in den beiden Weltkriegen, im Vietnam- sowie im Jugoslawienkrieg zusammen. Das sind horrende Zahlen. Und sie bedürfen einer dringenden und glaubhaften Erklärung Israels.
Doch eine solche glaubhafte Erklärung will oder kann die israelische Armee bis heute nicht liefern. Das Argument, bei den getöteten Medienschaffenden handle es sich um Hamas-Terroristen, konnte bislang kaum glaubhaft belegt werden. Auch die oft diffuse und pauschale Begründung, die Journalistinnen und Journalisten hätten sich in der Nähe von Hamas-Terrorzellen befunden, reicht nicht aus, um vorsätzlich Medienschaffende ins Visier zu nehmen und sie brutal zu töten, nur weil sie ihrer Arbeit nachgehen und die Welt über die Situation vor Ort informieren.
Die Journalistinnen und Journalisten aus Gaza sind unsere Augen und Ohren vor Ort. Die einzigen Augen und Ohren, auf die wir uns verlassen können. Wenn die israelische Armee so weitermacht wie bisher und auch die letzten Medienschaffenden, die kritisch über das Vorgehen Israels berichten, eliminiert, dann wird die Welt schon sehr bald – zumindest was die katastrophalen Zustände in Gaza betrifft – erblinden und ertauben.
Das können und dürfen wir so nicht hinnehmen.