Editorial

 

Aktiv, willensstark, visionär, aber auch aufmerksam bei der Umsetzung: Christophe Deloire war seit zwölf Jahren die treibende Kraft hinter Reporter ohne Grenzen. Er erlag am Samstag, den 8. Juni, nach nur wenigen Monaten Krankheit einem aggressiven Krebsleiden und hinterliess uns alle erschüttert über seinen jähen und schockierenden Tod.

Er hatte 2012 die Leitung des Hauptsitzes der Organisation in Paris übernommen. Von Anfang an mit sicherer Hand, überzeugt davon, dass RSF nicht nur reagieren, sondern auch agieren, vorschlagen und zum Gesprächspartner der öffentlichen Hand, der Staaten und der internationalen Organisationen werden sollte, hat Christophe schnell neue Impulse gegeben, Veränderungen eingeleitet, Baustellen eröffnet.

Ohne ihn, ohne sein Wirken wären die Identität von RSF und das Gewicht der Organisation in der öffentlichen Debatte nicht das, was sie heute sind. Alle, die mit ihm zusammengearbeitet haben, waren von seiner Intelligenz, seiner Schnelligkeit und seiner geistigen Flexibilität beeindruckt, die nur von der Entschlossenheit übertroffen wurde, mit der er seine Ziele verfolgte. Ziele, die er zu Recht als unerlässlich für die Verteidigung der Pressefreiheit ansah.

Denn bei Christophe musste alles einem einzigen Ziel dienen: dem Journalismus, dem vertrauenswürdigen Journalismus, dem Journalismus von öffentlichem Interesse, dem Journalismus im Dienst der Öffentlichkeit. Unermüdlich, ohne jemals Zugeständnisse zu machen, bereit, Risiken einzugehen, wenn es sein musste, verteidigte Christophe eine anspruchsvolle Auffassung eines Berufs, den er mit Leidenschaft und in seinen zahlreichen Facetten ausgeübt hatte. Er begann seine Karriere 1994 beim Fernsehsender TF1 und setzte sie vier Jahre später beim französischen Magazin Le Point fort, wo er unvergessliche Recherchen veröffentlichte, bevor er von 2008 bis zu seinem Eintritt bei RSF im Jahr 2012 die französische Journalistenschule Centre de formation des journalistes in Paris leitete.

Ich lernte Christophe kennen, als ich 2019 bei der Schweizer Sektion von Reporter ohne Grenzen anfing, und hatte seither regelmässigen Kontakt mit ihm. Er kam mehrmals nach Genf, und ein Keystone-Foto, das diesen Artikel illustriert, zeigt ihn am 4. Juni 2021 bei der Lancierung des Genfer Appells für die Freilassung von Julian Assange. In diesem Fall wie in so vielen anderen hatte Christophe die Partei des Mutes gewählt. Er hat sich für einen Mann eingesetzt, der Opfer der Staatsräson geworden war und bei dem ein Teil unseres Berufsstandes – warum sollte man das verheimlichen? – es für bequemer hält, ihn nicht zu unterstützen.

Es ist natürlich unmöglich, all die anderen Situationen aufzuzählen, in denen RSF von Afghanistan bis zum Iran, von Saudi-Arabien bis China, von Mexiko bis Russland unter der fachkundigen Leitung von Christophe zur Verteidigung von Journalisten, die behindert, verhöhnt, eingesperrt, entführt oder getötet wurden, aufzutreten vermochte – hartnäckig, informiert, einfallsreich, kompetent und frech, wenn es sein musste.

Nun müssen wir seine Ziele ohne ihn weiterverfolgen. Wir werden also weitermachen, aber wir werden ihn in unserem Herzen behalten. Adieu, Christophe, und danke.

Denis Masmejan, Generalsekretär von RSF Schweiz

 

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