Noch am Tag seines Amtsantritts veröffentlichte Präsident Trump ein Dekret, das darauf abzielt, «die Meinungsfreiheit wiederherzustellen und die Zensur durch den Staat zu beenden». Drei Wochen später griff sein Vizepräsident J. D. Vance in München Europa verbal an und beschuldigte den Kontinent, «die Stimme des Volkes» nicht mehr zu respektieren und dadurch die Meinungsfreiheit zu untergraben. Eine zumindest paradoxe Haltung, wenn man bedenkt, mit welcher Entschlossenheit das Trump-Team seit seiner Machtübernahme das Recht der Medien auf den ersten Verfassungszusatz untergraben und das Recht auf Zugang zu Informationen in den USA eingeschränkt hat: Tausende von Seiten mit wichtigen Informationen wurden von den Websites staatlicher Behörden – beispielsweise des Gesundheits- oder des Justizministeriums – entfernt.
Seit einem Monat hat die neue Regierung darüber hinaus vermehrt Angriffe auf die Presse verübt und sich in deren redaktionelle Arbeit eingemischt. Sie hat Journalisten der Nachrichtenagentur Associated Press den Zugang zum Weissen Haus verwehrt, mit der Begründung, dass sie weiterhin den Ausdruck «Golf von Mexiko» verwenden (und nicht «Golf von Amerika», wie die Meeresbucht von Donald Trump autoritär umbenannt wurde). Der US-Präsident und Elon Musk, der Chef des sozialen Netzwerks X, haben Medienschaffende in den sozialen Medien wiederholt persönlich beleidigt und ihre Entlassung gefordert, weil diese zuvor ihnen missliebige Artikel geschrieben hatten. Elon Musk bezeichnete Katherine Long, eine Journalistin des Wall Street Journal, als «ekelhafte und grausame Person», da Long eine Untersuchung über die Machenschaften von Mitgliedern des Department of Government Efficiency (DOGE) durchgeführt hatte.
Während Donald Trump leitet derweil rechtliche Schritte gegen den Sender CBS und andere Medien wegen deren in seinen Augen ungünstigen Berichterstattung während der Wahlen ein. Darüber hinaus sind nun Ende Januar der öffentlich-rechtliche Radiosender NPR und der Fernsehsender PBS ins Visier der Federal Communications Commission (FCC) geraten. Deren Vorsitz hat Donald Trump mit einem neuen Präsidenten besetzt. Dieser neue Präsident, Brendan Carr, machte keinen Hehl daraus, dass die von der FCC eingeleiteten Untersuchungen zur Finanzierung von NPR und PBS den Bemühungen des Kongresses dienen könnten, die beiden Medien zu zerschlagen.
Die neue US-Administration zeigt ihre regelrechte Missachtung der Medien, die ihr nicht unterstehen. Unter dem Vorwand, Geld zu sparen, hat das Aussenministerium kürzlich von Botschaften und Konsulaten auf der ganzen Welt verlangt, sich von grossen US-amerikanischen oder britischen Medien sowie von lokalen Medien in den jeweiligen Ländern abzumelden. Das erschwert die Beurteilung der (sicherheits-)politischen Lage zusätzlich. Ausserdem wurden mehrere Personen, die wegen Gewalt gegen Journalistinnen und Journalisten während des Aufstands im Kapitol am 6. Januar 2021 verurteilt worden waren, vom Präsidenten begnadigt.
Während einige Kolumnisten oder Politiker in der Haltung von J. D. Vance den Willen sehen, dem Volk wieder das Wort zu erteilen oder ein Plädoyer für die Meinungsfreiheit zu halten, scheint es uns wichtig, daran zu erinnern, welche Vision von Meinungsfreiheit das Trump-Team zu erzwingen versucht und inwiefern diese Vision der Pressefreiheit zutiefst schadet. J.D. Vance hat das in seiner Rede in München deutlich gemacht: Eines der Ziele von Donald Trump und seinen Vertrauten ist es, den Kampf gegen Desinformation und Fake News mit Zensur gleichzusetzen. Damit verweigern sie den Bürgerinnen und Bürger das Recht auf Zugang zu verlässlichen Informationen.
Das neue Team an der Spitze des Weissen Hauses bringt Fakten und Meinungen durcheinander. Dadurch bezichtigt es die Medien, die eigentlich ja Fakten wiederherstellen und prüfen, des Angriffs auf die Meinungsfreiheit. Elon Musk beansprucht demgegenüber das Recht, alles ohne Einschränkungen sagen zu können. Aber lassen wir uns nicht täuschen. Diese Vision der Meinungsfreiheit hat wenig mit einem demokratischen Gesellschaftsideal zu tun, das auf den Prinzipien der Toleranz, des Pluralismus und der Offenheit beruht. Sie ähnelt vielmehr einem ideologischen Werkzeug in den Händen einer neuen Regierung, mit dem Ziel, die Vorherrschaft einer Denkrichtung über andere zu etablieren. Unter Missachtung der liberalen Tradition.
Isabelle Cornaz
Präsidentin RSF Schweiz
(Photo: Evan Vucci, Keystone)