Unter dem irreführenden und vermeintlich seriösen Namen «International Reporters» werden seit einem Jahr Desinformation und russische Propaganda im Internet verbreitet – gesteuert vom Kreml. Die Plattform vereint internationale Propagandisten, deren Aufgabe es ist, Moskaus Narrative zu verbreiten und damit die russische Aggression gegen die Ukraine zu rechtfertigen. Reporter ohne Grenzen (RSF) prangert dieses neue Propagandainstrument an, welches die Informationslandschaft im Internet weiter trübt.
«Ich wünsche Ihnen viel Erfolg. Wir werden alles tun, um Ihr Projekt zu unterstützen.» Mit diesen Worten unterstützte Wladimir Putin im Juli 2023 öffentlich das Projekt «International Reporters», das damals von seiner Mitbegründerin, der französischen Bloggerin Christelle Néant, vorgesstellt wurde. Seitdem hat Néant die russische Staatsbürgerschaft erhalten.
Einige Monate später, im November 2023, wurde die mehrsprachige Website mit unmissverständlichen Botschaften lanciert: «Flüchtlinge in der Ukraine kehren nach Mariupol zurück und lassen sich in Russland nieder» ‚ oder «Ukraine, das Land, wo die Bevölkerung für angelsächsische Interessen massakriert wurde». Um die russische Besatzung in der Ukraine, deren militärischen «Erfolge» sowie allgemein die russsische Aussenpolitik aufzuwerten, wurden für «International Reporters» ein Dutzend Propagandisten aus acht verschiedenen Ländern engagiert. Sie veröffentlichen Videos und angeblich journalistische Artikel auf Französisch, Russisch und Englisch.. Zu ihnen gehören: Adrien Bocquet, ein in Russland lebender Franzose, der die russische Staatsbürgerschaft angenommen hat und dafür bekannt ist, dass er in den französischen Medien russische Desinformationen über den Krieg in der Ukraine verbreitet; Andrea Lucidi, ein kremlfreundlicher Italiener, der in einem Video das russische Symbol «Z» zur Unterstützung der russischen Invasion trägt und in Russland «Asyl» erhalten hat; oder Vanessa Beeley, eine Britin, die mit dem russischen Propagandakanal RT zusammenarbeitet und den syrischen Ex-Diktator Baschar al-Assad unterstützt hat.
Das Versprechen von Wladimir Putin, diese Propagandisten zu unterstützen, wurde tatsächlich wahr. In den ersten neun Monaten des Jahres 2024 erhielt «International Reporters» mehr als 27’000 Euro von der vom Kreml finanzierten und gesteuerten Organisation «ANO Dialog Regions», die unter US-Sanktionen steht. «International Reporters» erhielt im Jahr 2024 zudem eine direkte Förderung vom russischen Ministerium für digitale Entwicklung.
«Hinter dem irreführenden Namen «International Reporters» steckt in Wirklichkeit eine neue Website im Dienste Moskaus. Sie wird von aus den Kreisen des Kreml finanziert und mobilisiert internationale Propagandisten, die oft in Russland ansässig sind und die ein ausländisches Publikum erreichen sollen. Durch angebliche «Reportagen»“ verbreiten sie russische Narrative, die die Invasion der Ukraine rechtfertigen und die Politik des Kremls international aufwerten sollen. RSF prangert dieses Propagandainstrument an, das die Informationslandschaft in und um Russland beeinträchtigt.»
Jeanne Cavelier
Leiterin des Osteuropa- und Eurasien-Büros von RSF
Propaganda-Maschinerie des Kreml
Das Publikum von «International Reporters» ist zwar bescheiden. Auf Telegram hat das Portal 56’000 Abonnentinnen und Abonennten, auf der russischen Plattform VKontakte 12’000 und auf X fast 20’00. Seine Stärke liegt aber vor allem in seinen Autorinnen und Autoren, die bekannte Akteure russischer Propaganda sind. So zum Beispiel die beiden Co-Gründerinnen der Plattform Viktoria Smorodina und Christelle Néant.
Viktoria Smorodina, die als «Chefredakteurin» der Seite vorgestellt wird, leitet das Unternehmen «Laboratorium der Aufmerksamkeit», das im Oktober 2023 gegründet wurde, um «International Reporters» zu tragen und zu finanzieren. Sie machte Karriere in der Region Rostow am Don, im Südwesten Russlands, nachdem sie die «Werkstatt für neue Medien» absolviert hatte. Diese vom Kreml gesteuerte «journalistische Ausbildung», die von der russischen Organisation «ANO Dialog» mitbegründet wurde, wird von Vladimir Tabak geleitet, einem Propagandisten, der unter anderem im russischen Präsidialamt gearbeitet hat. «ANO Dialog» steht seit 2023 auf der Sanktionsliste der Europäischen Union, wegen der Weiterverbreitung von Desinformationen über den Krieg in der Ukraine. Und deren Tochtergesellschaft «ANO Dialog Regions» steht seit 2024 wegen ihrer Rolle bei der Verbreitung russischer Desinformation – insbesondere während der US-Wahlen – unter US-Sanktionen.
Christelle Néant, «Co-Chefredakteurin» von «International Reporters», ist ebenfalls Absolventin der «Werkstatt für neue Medien». Die Französin, die sich 2016 im besetzten ukrainischen Donbass niedergelassen hat und seit 2021 die russische Staatsbürgerschaft besitzt, arbeitete mit lokalen Propagandamedien zusammen und gründete eine erste französische Propagandaseite, «Donbass Insider», den Vorläufer von «International Reporters». Seit 2019 steht sie unter ukrainischen Sanktionen. Sie verbreitet die meisten Inhalte von «International Reporters» und filmt sich dabei oft in besetzten Städten in der Ostukraine, wie Avdiivka, um die lokale Bevölkerung zu interviewen.
Beide Frauen machen aktiv Werbung für ihre Website. Während Viktoria Smorodina in den Schulen von Rostow am Don für den Beruf des «Journalisten» wirbt, tritt Christelle Néant vermehrt in kremlfreundlichen Medien auf. Ihre Arbeit findet dabei in Russland Beachtung: Im November 2024 gewann sie für ihre Serie von «Dokumentarfilmen» über die besetzte ukrainische Stadt Mariupol den Astra-Preis für das beste Sonderprojekt. Dieser Wettbewerb ermöglicht es dem Kreml, seine treuesten Informationskanäle zu belohnen. Er wurde 2023 vom Fonds für die Entwicklung neuer Medien ins Leben gerufen, der Alexander Malkewitsch untersteht, einem russischen Unternehmer, der ein russisches Desinformationsnetzwerk in den besetzten ukrainischen Gebieten leitet.
Internationale Konzerne tragen das Narrativ des Kremls
«International Reporters» erweitert darüber hinaus sein Netzwerk in Afrika: Auf dem Internationalen Wirtschaftsforum in St. Petersburg 2024 besiegelte «International Reporters» eine Kooperationsvereinbarung mit der kamerunischen Mediengruppe «For You Media», die von dem Unternehmer und Politiker Serge Matomba geleitet wird. Diese Mediengruppe bietet den Mitgliedern des Netzwerks damit eine Plattform und lädt unter anderem regelmässig den italienischen Propagandisten Andrea Lucidi sowie Christelle Néant, die oft in Talkshows auftritt, ein. Die Vereinbarung sieht darüber hinaus auch Trainingskurse vor, die von russischen «Journalisten» geleitet werden. For You Media wurde 2022 gegründet und fördert einen vermeintlich panafrikanistischen politischen Diskurs sowie pro-russische und antiwestliche Narrative. Die Mediengruppe stellte auch ehemalige Medienschaffende von «Afrique Media TV» ein, das für seine redaktionellen Verbindungen mit dem russischen Staatsmedium RT bekannt ist.
Weder das Team von «International Reporters», noch Serge Matomba reagierten auf Interview-Anfragen von RSF.
Die Ukraine und Russland belegen in der RSF-Weltrangliste der Pressefreiheit 2024 den 61. respektive den 162. Platz von 180 Ländern.