Seit Januar 2025 hat Reporter ohne Grenzen (RSF) die Ermordung von mindestens dreizehn Medienschaffenden in Lateinamerika dokumentiert. Diese Zahl übersteigt bereits die neun Fälle, die im gesamten Jahr 2024 registriert wurden. Und sie bestätigt einen alarmierenden Anstieg der tödlichen Gewalt gegen die Presse auf dem Kontinent. Lokale Medienschaffende, die über sensible Themen berichten, sind am stärksten betroffen. Und Mexiko bleibt das gefährlichste Land der Region für Reporterinnen und Reporter. Angesichts dieser Eskalation fordert RSF die lateinamerikanischen Staaten auf, dringend Massnahmen zum Schutz von Journalistinnen und Journalisten zu ergreifen oder zu verstärken und die Straflosigkeit für diese Verbrechen zu beenden.
Zwischen Januar und Juli 2025 wurden in Lateinamerika mindestens dreizehn Medienschaffende getötet – und das nur, weil sie ihre Arbeit verrichtet und Informationen von öffentlichem Interesse an die Bevölkerung ihrer jeweiligen Länder weitergegeben haben. In diesem Zeitraum hat RSF acht Morde in Mexiko, zwei in Peru, einen in Kolumbien, einen in Guatemala und einen in Ecuador registriert. Alle diese Morde stehen vermutlich im Zusammenhang mit der Tätigkeit der Medienschaffenden.
Die meisten Opfer arbeiteten für lokale oder kommunale Medien und berichteten über sensible Themen wie Korruption, organisierte Kriminalität oder Umweltfragen. Mehrere von ihnen hatten bereits Drohungen erhalten oder waren zuvor Opfer von Verleumdungskampagnen geworden. Zwei Journalisten standen zum Zeitpunkt ihres Todes sogar unter Polizeischutz.
Obwohl in den meisten Fällen Ermittlungen eingeleitet wurden, bleiben diese Verbrechen häufig unaufgeklärt. Das hält ein Klima der Angst aufrecht und behindert die Ausübung des Journalismus in den betreffenden Ländern massiv.
«RSF verurteilt die Ermordung von mindestens dreizehn Journalistinnen und Journalisten in Lateinamerika in den ersten sieben Monaten des Jahres 2025. Dieser Trend bestätigt die gravierende Verschlechterung der Sicherheitslage für Medienschaffende in der Region – insbesondere für diejenigen, die über sensible Themen recherchieren. RSF prangert die anhaltende Straflosigkeit und den Mangel an politischem Willen an. Beides trägt dazu bei, die Gewalt gegen Medienschaffende nur weiter zu befeuern. Wir fordern die Staaten auf, die Sicherheitsgarantien für die Presse zu verstärken, die Schutzmechanismen zu verbessern und schnelle, unabhängige und gründliche Ermittlungen durchzuführen.»
Artur Romeu
Direktor des Lateinamerika-Büros von RSF
Mexiko: Fast zwei Journalisten pro Monat getötet
Trotz der Verpflichtungen der Präsidentin Claudia Sheinbaum sowie der Einrichtung spezieller Schutzmechanismen für Medienschaffende bleibt Mexiko nach wie vor das gefährlichste Land der Region für Journalistinnen und Journalisten. Im Juli haben drei neue Morde innerhalb einer Woche die Gesamtzahl der Todesfälle seit Januar auf neun erhöht, von denen acht vermutlich im Zusammenhang mit ihrer journalistischen Tätigkeit stehen.
- Im Bundesstaat Mexiko wurde Calletano de Jesus Guerrero, Journalist der Nachrichtenwebsite Global México, im Januar 2025 getötet. Die Umstände deuten darauf hin, dass offensichtliche Mängel im Schutzsystem bestehen. Guerrero stand seit 2014 nach Drohungen gegen ihn unter vermeintlichem Schutz der Regierung.
- Ein weiterer Fall ist der von Alejandro Gallegos de Leon, Direktor von La Voz del Pueblo, der ebenfalls im Januar ermordet wurde. Seine Redaktion hatte Recherchen über das organisierte Verbrechen in der nördlichen Zentralregion Mexikos veröffentlicht.
- Am 2. März wurden Kristian Uriel Zavala Martinez, Reporter für El Silaoense.Mx, und Raul Iran Villarreal Belmont, Journalist des Bürgermediums Observatorio Ciudadano, ebenfalls im Bundesstaat Guanajuato, getötet. Dieser Bundesstaat ist stark von der Gewalt im Zusammenhang mit dem organisierten Verbrechen betroffen. Beide dort getöteten Journalisten hatten über staatliche Gewalt und das Verschwinden von Personen recherchiert.
- Im Mai wurde José Carlos Gonzalez Herrera, Direktor des digitalen Medienunternehmens El Guerrero Opinión Ciudadana, im Zentrum von Acapulco im Bundesstaat Guerrero von bewaffneten Männern ermordet. Er hatte über lokale Themen wie Sicherheit, Politik und Bürgerforderungen in einer der gefährlichsten Regionen des Landes berichtet.
- In Cajeme im Bundesstaat Sonora wurde Angel Sevilla, Journalist und Direktor des digitalen Medienunternehmens Noticias 644, am 7. Juli auf seinem Motorrad erschossen. Cajeme gehört zu den gewalttätigsten Gemeinden des Bundesstaates und ist Schauplatz von Konflikten zwischen kriminellen Gruppen. Das von Angel Sevilla geleitete Medienunternehmen war zu einer wichtigen Quelle für Echtzeitinformationen über die sich verschlechternde Sicherheitslage geworden.
- In Cozumel im Bundesstaat Quintana Roo wurde am 8. Juli die stark verweste Leiche des investigativen Journalisten Melvin Garcia gefunden. Er war erst wenige Monate zuvor in die Region zurückgekehrt, nachdem er wegen eines Buches, in dem er die Verwicklung eines ehemaligen Gouverneurs in ein Verbrechen aus dem Jahr 1999 aufgedeckt hatte, ins Exil gegangen war.
- Am 9. Juli, wenige Minuten nachdem er ein Live-Video über einen Strassenbruch in Acapulco veröffentlicht hatte, wurde Ronald Paz Pedro, Administrator der Facebook-Informationsseite Ronald Paz NotiExpress Pedro, erschossen. Seit mehreren Jahren hatte er über Verbrechen berichtet und die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger in der Region sichtbar gemacht.
- RSF verfolgt auch aufmerksam die Ermittlungen zum Mord an Salomon Ordonez, dem Gründer der Facebook-Seite Shalom Cuetzalan Producciones, der im Juni dieses Jahres bei einem bewaffneten Überfall im Bundesstaat Puebla getötet wurde. Die Behörden untersuchen einen möglichen Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Lokaljournalist.
Eine ausser Kontrolle geratene Spirale der Gewalt in der Region
In Peru erschütterten zwei Morde die Medienlandschaft. Gaston Medina Sotomayor, Gründer und Moderator des regionalen Fernsehsenders Cadena Sur TV, der in der Gemeinde Ica sehr beliebt war, wurde im Januar 2025 ermordet. Er hatte Korruption angeprangert und die Massnahmen der lokalen Behörden kritisiert.
Im Mai 2025 wurde Raul Celis Lopez, Moderator einer morgendlichen Radiosendung auf Radio Karibena, in der Stadt Iquitos hingerichtet. Er hatte kurz zuvor berichtet, dass er wegen seiner Berichterstattung über Umweltfragen und illegalen Handel im peruanischen Amazonasgebiet Drohungen erhalten hatte.
In Kolumbien verschärft die Ermordung des unabhängigen Journalisten Oscar Gomez Agudelo im Januar 2025 die ohnehin schon kritische Lage für regionale Reporter, die über die Verbindungen zwischen bewaffneten Gruppen und lokalen Behörden recherchieren. Am 5. Juli überlebte Gustavo Chicangana Alvarez, Direktor des Radiosenders Guaviare Estéreo und Korrespondent von Radio Caracol, einen Mordversuch: Nach drei Schüssen verklemmte sich die Waffe. Die Behörden gehen von einem gezielten Anschlag aus, der wahrscheinlich mit seinen Berichten über Vertreibungen und die Präsenz bewaffneter Gruppen in der Region in Zusammenhang steht.
In Guatemala wurde im März 2025 Ismael Alonzo Gonzalez vor seinem Haus getötet, als ihm von flüchtenden Personen ein Schuss in den Kopf abgefeuert wurde. Er leitete die Facebook-Seite Producciones Alonzo, die sich lokalen und kommunalen Nachrichten widmete.
In Ecuador wurde der Journalist Patricio Ernesto Aguilar Vasquez, Chefredakteur des digitalen Medienunternehmens El Libertador, im März 2025 in der Küstenstadt Esmeraldas ermordet. Das für seinen kritischen Ton und seine investigative Arbeit bekannte Medium hatte wenige Tage zuvor einen Bericht über Korruptionsnetzwerke im örtlichen Hafen veröffentlicht.