Nachdem die USA auf der RSF-Weltrangliste der Pressefreiheit im Jahr 2024 auf Platz 55 abgerutscht sind, muss sich der nächste US-Präsident oder die nächste US-Präsidentin um eine Stärkung der Pressefreiheit bemühen. Reporter ohne Grenzen (RSF) stellt zehn überparteiliche Vorschläge zur Förderung der Pressefreiheit vor und fordert die beiden Präsidentschaftskandidaten auf, sich im Falle ihrer Wahl für diese Vorschläge einzusetzen.

In der RSF-Weltrangliste der Pressefreiheit fallen die USA im Jahr 2024 im Vergleich zum Vorjahr um 10 Plätze zurück. Das stellt einen besorgniserregenden Rückgang dar. Das sinkende Vertrauen in die Medien, die Zunahme von Drohungen und Gewalt gegen Journalistinnen und Journalisten sowie der Stillstand bei Rechtsreformen zeigen, dass es dringend notwendig ist, dass die nächste US-Regierung die Pressefreiheit zu einer politischen Priorität im Land macht. Die von RSF vorgeschlagenen Empfehlungen reichen von der Pflicht, als gutes Beispiel voranzugehen, bis hin zur Einführung gesetzlicher Massnahmen, die ein günstigeres Umfeld für den Journalismus und die Demokratie fördern.

Es ist inakzeptabel, dass sich die Pressefreiheit im Land des First Amendment, des ersten Verfassungszusatzes, so verschlechtert hat, dass die USA auf der RSF-Weltrangliste der Pressefreiheit auf Platz 55 rangieren. Wir fordern beide Kampagnen nachdrücklich auf, sich zu verpflichten, die notwendigen konkreten Massnahmen zum Schutz des Journalismus im In- und Ausland umzusetzen. Die von RSF vorgeschlagenen politischen Massnahmen sind überparteiliche Mittel, die es dem nächsten Präsidenten oder der nächsten Präsidentin ermöglichen werden, diesen inakzeptablen Niedergang umzukehren. Bei dieser Wahl steht zu viel auf dem Spiel, um diese Bedrohungen zu ignorieren – es gibt schlichtweg keine Demokratie ohne Pressefreiheit.

Clayton Weimers
Leiter des Nordamerika-Büros von RSF

10-Punkte-Plan für die Pressefreiheit in den USA:
  1. Die USA konsequent als weltweit führend in Sachen Pressefreiheit positionieren und Verstösse gegen die Pressefreiheit anprangern, wo auch immer sie vorkommen
  2. Sich für die Freilassung zu Unrecht inhaftierter US-Journalisten und für Gerechtigkeit für im Ausland getötete US-Journalisten einsetzen
  3. Der Pressefreiheit in der US-Diplomatie auf bilateraler und multilateraler Ebene Vorrang einräumen
  4. Mit gutem Beispiel vorangehen, indem sie regelmässig Pressebriefings abhalten, faire und unpolitische Verfahren für die Akkreditierung von Medien einführen und verschiedenen Medien regelmässig Interviews gewähren
  5. Journalisten und Medienschaffenden mit Respekt begegnen
  6. Öffentlich das Recht und die Notwendigkeit von Journalistinnen und Journalisten bekräftigen, ihre Arbeit sicher zu verrichten, insbesondere bei der Berichterstattung über öffentliche Demonstrationen und Versammlungen
  7. Sich zur Unterzeichnung des «PRESS ACT» verpflichten
  8. Führend sein bei der Regulierung von künstlicher Intelligenz (KI), die die Zuverlässigkeit von Informationen schützt
  9. Den Posten eines US-Sondergesandten für Pressefreiheit oder einen ähnlichen Posten schaffen
  10. Sich für eine Reform des Spionagegesetzes einsetzen, um die Verteidigung des öffentlichen Interesses darin aufzunehmen
Die Bilanz der Kandidaten

Die besorgniserregende Bilanz des ehemaligen Präsidenten Donald Trump in Bezug auf die Pressefreiheit ist nicht zu übersehen. Er hat Journalistinnen und Journalisten sowie Medienhäuser immer wieder verspottet und die Medien als «echte Bedrohung für die Demokratie» oder gar als «Feind des Volkes» bezeichnet. Eine zweite Amtszeit könnte für ihn die Gelegenheit sein, seinen Ton zu ändern. Leider lässt Trumps Rhetorik während des Wahlkampfs 2024 bereits erahnen, dass seine tiefe Abneigung gegen die Medien nach wie vor besteht.

Im Gegensatz zu dieser bedrohlichen Sprache hatte Trump jedoch versprochen, den Journalisten des Wall Street Journal EvanGershkovich freizulassen, bevor dieser im Juli 2024 im Rahmen eines Gefangenenaustauschs zwischen mehreren Ländern sowieso freigelassen wurde. RSF fordert Trump auf, dasselbe Engagement  zu zeigen, um Austin Tice freizulassen, der nach seiner Entführung vor 12 Jahren vermutlich noch immer in Syrien gefangen gehalten wird. Ebenso fordert RSF von Trump, Gerechtigkeit für Christopher Allen zu erreichen, der getötet wurde, als er im August 2017 über den Bürgerkrieg im Südsudan berichtete.

Wie RSF bereits im Juli 2024 schrieb, als Vizepräsidentin Kamala Harris zur Präsidentschaftskandidatin der Demokraten wurde, hat sie sich bislang nicht oft direkt zu wichtigen Fragen der Pressefreiheit geäussert. Ihre Bilanz entspricht weitgehend derjenigen der Biden-Regierung – die oft viel versprochen, aber wenig gehandelt hat, wenn es um den aktiven Schutz von Journalistinnen und Journalisten ging. Harris veröffentlichte kürzlich eine Nachricht auf X, in der sie bekräftigte, dass sie sich für die Freilassung von Austin Tice und «allen Amerikanern, die zu Unrecht inhaftiert oder im Ausland als Geiseln genommen werden» einsetzen wolle.

Der grösste Erfolg der Biden-Administration im Bereich der Pressefreiheit bestand in einem Gefangenenaustausch, bei dem Evan Gershkovich und die Radio Free Europe/Radio Liberty-Journalistin Alsu Kurmasheva freigelassen wurden – zwei amerikanische Journalisten, die zuvor über Monate oder Jahre zu Unrecht in Russland inhaftiert worden waren. Die Biden-Regierung beendete auch das langwierige Verfahren gegen den WikiLeaks-Gründer und -Herausgeber Julian Assange, indem sie ein Verständigungsabkommen aushandelte, welches seine Freilassung am 25. Juni ermöglichte.

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