Zwei Wochen vor der Eröffnung der Olympischen Winterspiele fordert Reporter ohne Grenzen (RSF) Journalisten und Medien, die darüber berichten, dazu auf, sich vor den Überwachungsmassnahmen des chinesischen Regimes zu schützen, und richtet eine Reihe von Empfehlungen an sie.

Vom 4. bis 20. Februar 2022 finden in China die XXIV. Olympischen Winterspiele statt. Obwohl der Zugang zu den Vorab-Veranstaltungen für ausländische Journalistinnen und Journalisten in den vergangenen Monaten insbesondere aufgrund der Corona-Pandemie sehr stark eingeschränkt war, werden weltweit Medien und insbesondere die Sportpresse ausführlich über das Ereignis berichten.

RSF empfiehlt den Journalistinnen und Journalisten, die nach China reisen, keine Anwendungen herunterladen, die es den chinesischen Behörden ermöglichen könnten, sie zu überwachen. RSF empfiehlt ausserdem, dass Medien, Verlage und soziale Netzwerke jegliche redaktionelle Einmischung und jeglichen Druck seitens des chinesischen Regimes öffentlich machen, diese anprangern und weiter kritisch über Pekings Angriffe auf die Pressefreiheit berichten (siehe detaillierte Empfehlungen weiter unten).

«Die Olympischen Spiele bieten Chinas Präsident Xi Jinping die perfekte Gelegenheit, sein Image aufzupolieren und von seiner katastrophalen Bilanz im Bereich der Menschenrechte, einschliesslich der Pressefreiheit und des Rechts auf Information, abzulenken», sagt Cédric Alviani, Direktor des Ostasienbüros von RSF International: «Es ist legitim, dass die Medien über dieses internationale Grossereignis berichten, aber sie müssen sich vor Manipulationsversuchen des Regimes hüten und ihre Journalisten müssen vor Überwachung und möglichem Druck geschützt werden.»

In China sitzen mindestens 127 Medienschaffende im Gefängnis – mehr als in jedem anderen Land der Welt. Das Land steht auf der Rangliste der Pressefreiheit 2021 auf Platz 177 von 180, nur zwei Plätze vor Nordkorea, einem Land, in dem Journalismus gleichbedeutend mit Staatspropaganda ist. Seit seinem Amtsantritt im Jahr 2013 hat der chinesische Präsident Xi Jinping die Lage der Pressefreiheit auf den Stand der maoistischen Ära zurückversetzt: Der freie Zugang zu Informationen gilt in China seither nicht mehr als Recht, sondern als Verbrechen.

Die Sportwelt sorgt sich insbesondere um das Schicksal der internationalen Tennisspielerin Peng Shuai, einer chinesischen Staatsbürgerin, deren Schicksal weiterhin unklar ist, nachdem sie am 2. November 2021 im chinesischen sozialen Netzwerk Sina Weibo einen ehemaligen stellvertretenden Ministerpräsidenten der Vergewaltigung beschuldigt hatte, woraufhin das Regime mit einer umfassenden Zensurkampagne reagierte.

RSF-Empfehlungen zu den Olympischen Winterspielen in China:

1. Empfehlungen an Journalistinnen und Journalisten

Vermeiden Sie nach Möglichkeit die Nutzung von technischen Ressourcen, bei denen die Gefahr der Zensur oder Überwachung durch die chinesischen Behörden besteht, weil sie entweder von einem Unternehmen entwickelt oder betrieben werden, das chinesischen Vorschriften unterliegt (also zum Beispiel WeChat, Baidu), oder weil Nutzerdaten auf Servern gespeichert werden, die für die chinesischen Behörden zugänglich sind (wie im Fall der iCloud China).

Wenn die Nutzung dieser Ressourcen unbedingt erforderlich ist, stellen Sie die Verbindung von einem extra dafür vorgesehenen Gerät her – also einem Computer oder einem Smartphone, das von Ihrer regulären Arbeitsumgebung getrennt ist. Speichern Sie keine Passwörter oder Informationen, die Sie oder Ihre Quellen gefährden könnten (auch nicht vorübergehend). Vertrauen Sie ausserdem nicht auf Behauptungen von Betreibern, dass Daten, die über Server in China laufen, verschlüsselt oder sofort gelöscht werden. Um chinesische Quellen zu schützen, empfiehlt sich zudem die Kommunikation über Ende-zu-Ende-verschlüsselte Messenger, die keine Speicherung einer Telefonnummer erfordern (etwa Threema).

Bei Recherchen in China sollte vor der Abreise ein geeignetes VPN installiert werden, zum Beispiel ein firmeneigenes VPN oder eine zuverlässige kostenpflichtige Version. VPN-Tunnel können den Zugang zu gesperrten Diensten ermöglichen und die Privatsphäre bei der Online-Recherche bis zu einem gewissen Grad schützen. Ein VPN schützt jedoch nicht den Inhalt von auf chinesischen Plattformen und Diensten ausgetauschten Nachrichten. Eine individuelle Beratung durch einen Experten oder eine Expertin für digitale Sicherheit ist deshalb ratsam.

Informieren Sie RSF über alle Missstände, die Sie im Rahmen Ihrer Berichterstattung feststellen (Druck, Drohungen, Schikanen, Verdacht auf Selbstzensur oder Korruptionsverdacht), damit RSF, falls nötig, Nachforschungen anstellen kann.

Wenn Sie sich in Ihrer Berichterstattung auf China beziehen, dann achten Sie darauf, dass Sie keine Ausdrücke verwenden, mit denen die Führung in Peking gewisse Sachverhalte verschleiern will. Beziehen Sie sich deshalb beispielsweise klar auf die Unterdrückung in Xinjiang statt auf den «Kampf gegen den Terrorismus» oder auf das Tiananmen-Massaker statt auf die Tiananmen-«Ereignisse».

Arbeiten Sie nicht mit Medien zusammen, die Propaganda der Kommunistischen Partei Chinas verbreiten – und werden Sie als Journalist oder Journalistin nach China eingeladen, dann denken Sie daran, was dafür im Gegenzug von Ihnen verlangt werden könnte.

Bei der Teilnahme an von China organisierten Veranstaltungen wie offiziellen Medienkonferenzen sollten sich Journalistinnen, Journalisten und Medienunternehmen darüber im Klaren sein, dass chinesische Vertreterinnen und Beamte diese Veranstaltungen als Plattform für Propaganda nutzen werden. Indem Sie chinesische Narrative und Hintergrundinformationen im Voraus studieren, können Sie Ihr Bewusstsein für Propagandastrategien schärfen und sich besser auf wichtige Diskussionen vorbereiten.

2. Empfehlungen an Medienunternehmen, Verlage und soziale Netzwerke

Tun Sie alles, um die Gefahr von Druck von aussen, sei es aus politischen oder wirtschaftlichen Gründen, zu vermeiden, und prangern Sie jede redaktionelle Einmischung unverzüglich an.

Weisen Sie jede Aufforderung zu Zensur und Überwachung zurück.

Weigern Sie sich, Propagandainhalte zu verbreiten.

Berichten Sie weiterhin über Zensur, Propaganda, Medienübernahmen, Schikanen gegen Journalisten und andere Angriffe auf die Pressefreiheit und decken Sie diese auf.

Diese Empfehlungen sind dem Bericht „The Great Leap Backwards of Journalism in China“ entnommen, der Anfang Dezember 2021 von RSF veröffentlicht wurde (eine deutsche Übersetzung folgt im Januar 2022). In dieser Publikation berichtet RSF detailliert über das vom chinesischen Regime eingeführte System der Zensur und Informationskontrolle – und über die Bedrohung, die es für die Pressefreiheit und Demokratie überall auf der Welt darstellt.

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