Ist die Welt verrückt? Mit dieser Frage beschäftigte sich Anfang Monat die Sondersendung des Auslandsmagazins vom Schweizer Fernsehen, SRF Global über 90 Minuten lang. Die Frage kommt nicht umsonst, angesichts der zahlreichen Krisen und Brandherde, über die wir täglich in den Nachrichten lesen. Der Krieg im Gazastreifen, für den Medienschaffende einen horrenden Preis zahlen müssen. Der Krieg in der Ukraine und die russischen Aggressionen im Osten Europas, die den Kontinent verunsichern und immer wieder Medienschaffende ihre Freiheit kosten. Und die zweite Präsidentschaft von Donald Trump in den USA, in dessen Kontext demokratische Grundpfeiler der Gesellschaft, darunter auch die Pressefreiheit, immer schneller abnehmen.
Angesichts dieses Sturms an besorgniserregenden Nachrichten gehen andere Konflikte und Problemzonen schnell vergessen. Auch solche, die unmittelbare Auswirkungen auf die Pressefreiheit haben. Entsprechend müssen wir unser Augenmerk auch auf diese Schauplätze abseits der dominierenden Schlagzeilen werfen.
Fingierte Anklagen und drakonische Strafen
Da gibt es etwa den Fall der mutigen philippinischen Journalistin Frenchie Mae Cumpio, die 2020 im Alter von nur 21 Jahren inhaftiert wurde und seitdem im Gefängnis sitzt. Ihr Gerichtsprozess nähert sich erst jetzt langsam dem Ende, und ihr droht eine Haftstrafe von bis zu 40 Jahren. Ihr werden – ohne faktische Grundlage – der illegale Waffenbesitz, die Finanzierung terroristischer Aktivitäten sowie seit neustem gar doppelter Mord vorgeworfen. Untersuchungen von RSF haben ergeben, dass diese Anklagepunkte allesamt fingiert sind. Sie scheinen einzig und allein dazu zu dienen, die prominente Journalistin mundtot zu machen. Umso wichtiger ist es, dass wir uns gegen diesen Fall wehren. RSF hat darum in dieser Woche eine globale Kampagne lanciert, bei der unzählige Medienschaffende aus der ganzen Welt (auch einige aus der Schweiz) einen gemeinsamen Protestbrief an die philippinische Regierung schickten, mit der Forderung, Frenchie Mae Cumpio schnellstmöglich freizulassen.
Oder den Fall der aserbaidschanischen Journalistin Sevinj Vagifgizi, die Ende 2023 wegen «Devisenhandel» in der Hauptstadt Aserbaidschans Baku inhaftiert wurde und seitdem auf einen fairen Prozess wartet. Auch hier lancierte RSF im Sommer eine Aktion, bei der Medienschaffende und Privatpersonen aus der ganzen Welt Protestbriefe an das Gefängnis in Baku schicken konnten, um die Freilassung von Vagifgizi und ihren Kolleginnen und Kollegen zu fordern.
Jeder Angriff auf Medienschaffende ist einer zu viel
Warum aber ist es wichtig, dass wir uns auch vehement und lautstark für Medienschaffende wie Sevinj Vagifgizi oder Frenchie Mae Cumpio einsetzen? Die Antwort ist ganz einfach: Weil uns jeder einzelne Fall einer inhaftierten Journalistin bzw. eines inhaftierten Journalisten gleichermassen etwas angeht. Wenn drakonische Strafen wie diejenige, die gegen Cumpio ausgeprochen werden könnte, salonfähig werden, dann inspiriert dies Machthaber und Regierungen auch in anderen Ländern, rücksichtslos und entgegen jedem Verständnis von Rechtstaatlichkeit und Demokratie gegen Medienschaffende vorzugehen.
In einer Welt, in der es so schlecht um die Pressefreiheit steht, wie noch nie, sind es nicht nur die prominenten Schauplätze, auf die wir uns konzentrieren müssen. Sondern auch die vermeintlich weniger wichtigen Ereignisse in Ländern wir Aserbaidschan, den Philippinen und vielen weiteren Orten dieser Welt.
Denn jede Journalistin, die zensiert, inhaftiert oder gar getötet wird, ist eine zu viel. Ganz egal, wo auf der Welt sie sich befindet.