Knebelverfahren, aggressive Online-Plattformen, eingefrorene US-Gelder: Mit Blick auf die jährliche Rangliste der Pressefreiheit, die Reporter ohne Grenzen (RSF) Anfang Mai veröffentlicht hat, zeigen wir uns alarmiert über die finanziellen Zwänge, denen die Presse hierzulande ebenso wie anderswo ausgesetzt ist (Foto: Keystone-SDA).

Es ist zutiefst bedauerlich – und für Journalistinnen und Journalisten geradezu empörend – den eigenen Beruf aus wirtschaftlichen Gründen aufgeben zu müssen. Selbst dann, wenn man jahrelang trotz Drohungen, politischem Druck und Sicherheitsrisiken standhaft geblieben ist. Doch genau das ist die Realität für Medienschaffende in vielen Ländern – von Belarus bis Myanmar. Die jüngsten Entscheidungen von US-Präsident Donald Trump verstärken diesen Trend zusätzlich: Ukrainische Journalistinnen und Journalisten, die bei der Berichterstattung über den Krieg in ihrem Land ihr Leben riskiert haben, sehen sich nun mit der Schliessung oder der drohenden Schliessung ihrer Medien konfrontiert, weil die US-Regierung internationale Hilfsgelder eingefroren hat. Ganz zu schweigen von Medien wie Radio Free Europe/RL, Radio Free Asia oder Voice of America. Diese werden zwar von den USA finanziert, sind aber redaktionell unabhängig – und sollen nun von der aktuellen US-Regierung abgeschafft werden, in Missachtung der zentralen Bedeutung dieser Informationsquellen für Menschen in Regionen, die von autoritären Regimen beherrscht werden.

Diese aktuellen Beispiele sind nur ein Ausschnitt aus einer langen Liste von Druckmitteln und wirtschaftlichen Schwierigkeiten, denen Medien weltweit ausgesetzt sind. Die am Freitag, 2. Mai, von RSF veröffentlichte Rangliste der Pressefreiheit zeigt, dass sich die Lage weiter verschlechtert und mittlerweile einen neuen kritischen Tiefststand erreicht hat. In fast einem Drittel aller Länder – von Argentinien bis Tunesien – werden Medien regelmässig geschlossen, weil sie unter wirtschaftlichem Druck stehen. Und selbst in Staaten wie den USA verwandeln sich ganze Regionen in Nachrichtenwüsten.

Eine prekäre Finanzierung, die auch die Presse schwächt

Der Rückgang der Werbeeinnahmen, die zunehmend von grossen Digitalunternehmen abgeschöpft werden, das Verschwinden von Pressetiteln sowie die Konzentration der Medienlandschaft stellen eine ernsthafte Bedrohung für den Pluralismus und die Unabhängigkeit der Medien dar. Hinzu kommen intransparente oder willkürlich gestaltete Finanzierungsbedingungen, die die Informationsfreiheit gefährden: In Peru und Hongkong etwa fliessen staatliche Subventionen gezielt an regierungsnahe Medien, in Ungarn setzen die Behörden oppositionelle Presseorgane durch eine ungerechte Verteilung staatlicher Werbegelder unter Druck.

Auch die demokratischen Staaten des europäischen Kontinents bilden da keine Ausnahme: Auch hier erschweren wirtschaftliche Schwierigkeiten die Arbeit der Medien. In Frankreich befindet sich ein beträchtlicher Teil der nationalen Presse im Besitz weniger Grossvermögender, was die Gefahr der Selbstzensur von Medienschaffenden mit sich bringt und die redaktionelle Vielfalt einschränkt. In einigen Ländern sehen sich Redaktionen – insbesondere von investigativen Medien – immer häufiger mit Unterlassungsklagen konfrontiert, die mit erheblichen Kosten verbunden sind. Dies ist auch in der Schweiz der Fall.

Informationen sind keine Ware wie jede andere

Journalismus ist kein Produkt wie jedes andere; das Recht, von Medien informiert zu werden, die ihrerseits Transparenz und Ehrlichkeit wahren und im Interesse der Öffentlichkeit handeln, ist für das reibungslose Funktionieren einer Demokratie unerlässlich. Journalistinnen, Journalisten und Redaktionen, die sich in einer prekären finanziellen Lage befinden, verfügen mitunter nicht mehr über die nötigen Mittel, um politischem Druck standzuhalten oder um investigative und qualitativ hochwertige Arbeit zu leisten. Denn nur so kann Desinformation und Propaganda entgegengewirkt werden.

Es müssen dringend Massnahmen zum wirtschaftlichen Überleben der Medien ergriffen werden. Konkrete Verpflichtungen müssen in unterschiedlichen Bereichen eingegangen werden. Die grossen Tech-Plattformen müssen sich verpflichten, zuverlässige Informationsquellen auf ihren Plattformen sichtbar zu machen und diese angemessen zu vergüten. Demokratische Staaten wiederum müssen einen grösseren Teil ihrer öffentlichen Entwicklungshilfe für die Unterstützung freier Medien in informationsarmen Regionen, in Konfliktgebieten oder in autoritär regierten Ländern bereitstellen, in denen die Pressefreiheit ernsthaft bedroht ist. Diese Verantwortung darf nicht allein den Vereinigten Staaten überlassen bleiben.

Es braucht neue Modelle

Darüber hinaus muss in der Schweiz sowie auch weltweit die Medienfinanzierung überdacht werden – durch grosszügigere, aber vor allem gezieltere staatliche Beihilfen sowie durch die Förderung von Philanthropie. Ziel ist es, eine Vielfalt an Medientiteln unterschiedlicher Grösse zu sichern und sogenannten Informationswüsten entgegenzuwirken. Die Vergabe von Subventionen muss dabei auf transparenten Kriterien beruhen, und es müssen Schutzmassnahmen getroffen werden, um jegliche redaktionelle Einflussnahme durch staatliche Stellen auszuschliessen. Denn Medien, die sich nicht mehr in einer extrem prekären finanziellen Lage befinden, sind besser in der Lage, innovativ zu arbeiten, gründlich zu recherchieren und so die Loyalität und das Vertrauen ihres Publikums zu gewinnen.

Isabelle Cornaz, Präsidentin RSF Schweiz

Dieser Text wurde ursprünglich am 2. Mai in der Westschweizer Tageszeitung «Le Temps» als Gastbeitrag veröffentlicht.

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