Im August signalisierte der neue iranische Präsident Massoud Pezeshkian seine Bereitschaft, die Behörden im Land dazu aufzufordern, Klagen gegen Journalisten zurückzuziehen. Dennoch hält die Verfolgung von Medienschaffenden weiter an. Reporter ohne Grenzen (RSF) dokumentierte seit Beginn der Amtszeit Pezeshkians vier Fälle, bei denen sieben Journalisten von der Justiz eingeschüchtert wurden. Diese Unterdrückung muss ein Ende haben.

Gute Nachrichten sind für iranische Journalisten selten. Aber am 7. August – dem Vorabend des nationalen Journalistentages im Iran – gab es einen Lichtblick: Präsident Masoud Pezeshkian, der am 28. Juli die Nachfolge von Ebrahim Raisi antrat, stimmte einem Dekret zu, das Regierungsinstitutionen dazu veranlassen sollte, ihre Klagen gegen Journalisten zu unterlassen. Die Initiative ging von der Journalistenvereinigung aus, die durch die reformorientierten Positionen des neuen Präsidenten bereits während seines Wahlkampfs ermutigt worden war. «Im vergangenen Jahr wurden mehrere gerichtliche Klagen von Beamten und Regierungsinstitutionen gegen Journalisten eingereicht», heisst es in dem Brief der Gewerkschaft. «Obwohl es keine genaue Schätzung ihrer Zahl gibt, scheint sie hoch zu sein, und eine grosse Anzahl von Journalisten ist in Gerichtsverfahren verwickelt oder mit Geld- oder Haftstrafen belastet.»

Obwohl der Präsident ein Dekret akzeptierte und die Regierung aufforderte, die Beschwerden zurückzuziehen, kündigten nur drei Ministerien an, dass sie dem nachkommen würden. Die Verfolgung von Journalisten ging weiter. Nach Informationen von RSF in folgenden Fällen:

  • Am 12. August verhörte die iranische Cyberpolizei (FATA) die Journalistin Fatemeh Gholipour Ganjalou vom Medium Rokna wegen ihrer Berichterstattung über einen Angriff auf eine religiöse Prozession in Tabriz, im Nordwesten Irans. Die Journalistin wurde auch vom Staatsanwalt von Tabriz am 12., 17. und 19. August vorgeladen und daran erinnert, die Sicherheitsmassnahmen der Polizei nicht in Frage zu stellen.
  • Am 11. August verurteilte ein Gericht in Karaj den Journalisten Omid Faraghat wegen «Propaganda» zu sechs Monaten Gefängnis und zwei Jahren Publikationsverbot. Faraghat war am 2. März wegen seiner Arbeit verhaftet worden und wurde einige Stunden später gegen Kaution freigelassen.
  • Am 25. August reichte die Iranshahr Public University of Medical Sciences eine Klage gegen die Journalisten Sheyda Hassan Zahi und Mohamad Yasin Jalal Zahi vom Medium Mayarjal ein. In deren Bericht über die Probleme in der Dialyseabteilung des Krankenhauses hätten sie «falsche und beleidigende Informationen» verbreitet.

«Die fragile Hoffnung, die durch die Entscheidung von Präsident Pezeshkian im August geweckt wurde, war von kurzer Dauer. Die Verfolgung von Journalisten im Iran – ihre Verhaftung, Vernehmung, Verurteilung und Einschüchterung – geht unvermindert weiter. Im Vorfeld des zweiten Jahrestages der Bewegung «Frau, Leben, Freiheit» fordern wir die Freilassung der 25 Journalisten, die derzeit im Iran inhaftiert sind – 16 davon seit den Protesten im Jahr 2022 – und ein Ende der rechtlichen Schikanen gegen Reporter. Der Präsident muss sicherstellen, dass seine Forderung respektiert wird und dass sie sich auf alle Behörden und Agenturen im Iran ohne Ausnahme erstreckt.»

Jonathan Dagher
Leiter des RSF-Büros für den Nahen Osten

Begrenzte Autorität des Präsidenten

Die Entscheidung von Pezeshkian gilt nur für Regierungsbehörden, die seiner Autorität unterstehen. Als Chef der Exekutive beaufsichtigt er mehrere Institutionen, darunter Kabinette und Ministerien, den Obersten Nationalen Sicherheitsrat und die Iranische Atomenergie-Organisation. Trotz seines erheblichen Einflusses liegt die politische Macht im Iran jedoch letztendlich beim Obersten Führer der Islamischen Republik, Ayatollah Khamenei. Dieser kontrolliert die Armee, die Justiz und andere wichtige Institutionen, die nicht dem Präsidenten gehorchen müssen. Beispielsweise unterstehen die Staatsanwaltschaft von Täbriz, die Fatemeh Gholipour Ganjalou vorlud, und das Gericht von Karaj, das Omid Faraghad verurteilte, nicht der Autorität des Präsidenten.

Tatsächlich lud ein Revolutionsgericht nur wenige Stunden nach der Verkündung des Dekrets vom 7. August die unabhängigen Journalisten Mandana Sadeghi, Arash Ghaleh Golab und Kourosh Karampour vor. Grund war ihre Berichterstattung über die Demonstrationen im Rahmen der «Frau, Leben, Freiheit»-Bewegung. Die drei Journalisten wurden gegen Kaution freigelassen und warten nun auf die Entscheidung des Gerichts.

Mehr als 100 Journalisten wurden seit Beginn der Protestbewegung, die am 16. September 2022 nach dem Tod der kurdischen Studentin Mahsa Amini in Polizeigewahrsam in Teheran ausgelöst wurde, verhört, festgehalten oder inhaftiert. Neben 19 weiteren Journalisten, die vor Beginn der Proteste inhaftiert wurden, befinden sich 16 von ihnen bis heute aufgrund ihrer Arbeit in Haft.

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