Der Sonderkorrespondent des schwedischen Mediums Dagens ETC befindet sich seit dem 30. März im Hochsicherheitsgefängnis von Marmara in Silivri in Haft. Er wurde drei Tage zuvor, am 27. März, bei seiner Ankunft in Istanbul festgenommen und wegen «Beleidigung des Präsidenten» Recep Tayyip Erdogan sowie wegen «Mitgliedschaft in einer bewaffneten terroristischen Organisation» angeklagt. Dies, weil er 2023 als Journalist über eine Pro-PKK-Kundgebung in Stockholm berichtet hatte. Reporter ohne Grenzen (RSF) fordert die türkischen Behörden auf, den Journalisten, der sich in Vergangenheit bereits eingehend mit Themen rund um die Kurden befasst hat, freizulassen und jegliche Unterdrückung von Medienschaffenden zu beenden.

«Sie halten mich für ein Verhör fest.» Es ist 12:02 Uhr am 27. März in Istanbul, als der Sonderberichterstatter des schwedischen Medienunternehmens Dagens ETC, Joakim Medin, diese warnende Nachricht an seinen Chefredakteur in Schweden sendet. Dieser bleibt in der Folge 24 Stunden lang ohne Nachricht über Medin, trotz mehrerer Versuche des schwedischen Aussenministeriums. Schliesslich muss der Chefredaktor von Dagens ETC öffentlich bekanntgeben, dass Joakim Medin von den türkischen Behörden verhaftet wurde.

Wenige Stunden nach dieser Ankündigung, am 28. März, kommentierten die türkischen Staatsmedien die Verhaftung. Sie begründen die Verhaftung von Joakim Medin mit zwei Anschuldigungen: «Beleidigung des Präsidenten» Recep Tayyip Erdogan und «Mitgliedschaft in einer bewaffneten terroristischen Organisation». Am nächsten Tag bestätigten die türkischen Behörden diese Haftgründe und beschuldigten den Reporter, konkret im Januar 2023 an einer Kundgebung der kurdischen Arbeiterpartei PKK in Stockholm teilgenommen zu haben. Die PKK wird von der Türkei, aber auch von vielen westlichen Staaten als terroristische Organisation eingestuft.

Nach seiner Verhaftung wurde der Joakim Medin Berichten zufolge während eines privaten Verhörs ohne Anwalt und Dolmetscher von der Media and Law Studies Association (MLSA) zu seiner journalistischen Arbeit in Syrien befragt, wo er seit etwa zehn Jahren regelmässig unterwegs ist. Die türkischen Behörden erklärten zwar, dass die aktuelle Untersuchung gegen Medin bereits unmittelbar nach der besagten Kundgebung im Januar 2023 eingeleitet worden sei. Doch Medin soll Recherchen von RSF zufolge im darauffolgenden Mai 2023 ohne Probleme in die Türkei gereist sein, um über die damaligen Präsidentschaftswahlen zu berichten.

Joakim Medin, der seit etwa zehn Jahren als Journalist über kurdische Themen berichtet, wurde am 30. März in das Hochsicherheitsgefängnis Marmara in Silivri verlegt, wo ihn ein Vertreter des schwedischen Aussenministeriums besuchen konnte. Über seinen Anwalt liess Medin schliesslich eine Nachricht auf einem Zettel übermitteln, auf dem er geschrieben hatte: «Journalismus ist kein Verbrechen, in keinem Land.»

«Die Verlegung des Journalisten Joakim Medin in das Hochsicherheitsgefängnis von Marmara beunruhigt uns zutiefst. Dem Reporter der Tageszeitung Dagens ETC wird unter anderem «Beleidigung des Präsidenten» vorgeworfen, eine Anschuldigung, die regelmässig vorgebracht wird, um Journalistinnen und Journalisten zum Schweigen zu bringen. RSF fordert angesichts der uns derzeit vorliegenden Informationen die sofortige Freilassung von Medin und appelliert an die türkischen Behörden, ihre Verpflichtungen in Bezug auf das Recht auf Information einzuhalten.»

Thibaut Bruttin
Generaldirektor von RSF

Der auf kurdische Fragen spezialisierte Journalist von Dagens ETC hat in den vergangenen Jahren bereits mehrmals aus den kurdischen Gebieten in Syrien und im Irak berichtet. Im Jahr 2015 wurde er dabei von den syrischen Behörden zeitweilig verhaftet. Medin ist zudem Autor von zwei Büchern über die Zukunft der Kurden: Kurdspåret: Sverige, Turkiet och priset för ett Natomedlemskap (Der kurdische Weg: Schweden, die Türkei und der Preis für den NATO-Beitritt), das 2023 für den schwedischen Journalistenpreis Guldspaden nominiert wurde. Und Kobane – Den kurdiska revolutionen och kampen mot IS (Kobane – Die kurdische Revolution und der Kampf gegen den IS).

Allseitige Unterdrückung von Medien und Journalisten

Die türkischen Behörden setzen derweil ihre Offensive gegen die Medien sowie gegen Journalistinnen und Journalisten fort. Der Sprecher der Opposition gegen Präsident Erdogan, Özgür Özel, beabsichtigt, die aktuell laufenden Demonstrationen zu verlängern und kündigte weitere Proteste für jeden Mittwoch und jeden Samstag an. Seit dem 24. März wurden zehn Medienschaffende in Istanbul und sowie in der drittgrössten Stadt des Landes, Izmir, festgenommen. Unter ihnen befinden sich Joakim Medin, der sich noch immer in Haft befindet, und der BBC-Reporter Mark Lowen, der am 27. März aus der Türkei ausgewiesen wurde, weil er angeblich eine «Bedrohung der öffentlichen Ordnung» darstellte.

Als Reaktion auf die Protestbewegung, die am 19. März durch die Verhaftung des Bürgermeisters von Istanbul und Hauptrivalen des Staatschefs, Ekrem İmamoğlu, ausgelöst wurde, wurden auch die türkischen Medien Opfer von starker Repression. Die Sanktionen gegen sie reichen von Geldstrafen bis hin zu Sendeverboten. Einigen Sendern wurden darüber hinaus willkürliche Geldstrafen von der türkischen Rundfunkaufsichtsbehörde (RTÜK) auferlegt. Diese wird von den Anhängern von Recep Tayyip Erdogan dominiert.

Bereits im August 2024 erstellte RSF einen Lagebericht über die türkische Medienlandschaft nach zehn Jahren Präsidentschaft Erdogan. In diesem Zeitraum wurden nach Angaben des lokalen RSF-Partners Bianet mindestens 77 Medienschaffende wegen «Beleidigung des Präsidenten» verurteilt. Die Türkei befand sich 2024 in der Rangliste der Pressefreiheit von RSF auf Rang 158 von 180 erfassten Ländern und Gebieten.

Partagez cet article !