Wenige Tage vor der Veröffentlichung der neuen Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen (RSF) für das Jahr 2025 richten wir unser Augenmerk auf die Länder, die seit Jahren überdurchschnittliche Ergebnisse hinsichtlich der Lage der Pressefreiheit erzielen: Zum Beispiel auf Schweden. Das skandinavische Land belegte in den letzten acht Jahren stets die Plätze zwei, drei oder vier in der RSF-Rangliste. Vor dem Hintergrund der seit Jahren weltweit angespannten Situation der Pressefreiheit, sowie kurz vor Erscheinen des neuen Rankings, ist es zentral, die Gründe zu verstehen, weshalb Schweden stets solch gute Resultate erzielt. Das Land bekennt sich seit langem besonders stark zur Unabhängigkeit der Medien. Dazu haben wir mit Bruno Kaufmann gesprochen. Der Schweizer Journalist ist Nordeuropa-Korrespondent für das SRF und lebt bereits seit vielen Jahren in Schweden.

Kaufmann führt den  guten Platz Schwedens in der Rangliste auf «eine sehr lange Tradition der Presse- und Meinungsfreiheit in Schweden» zurück. Er erklärt, dass «die Verfassung und die Gesetzgebung diese Grundrechte schützen». Dabei betont er insbesondere:  «Die Medienschaffenden im Land sind sich dieses Rahmens bewusst, fordern dieses Grundrecht ein und respektieren es.». Daneben tragen weitere Faktoren zur insgesamt sehr guten Lage bei: «Zum Beispiel ein starker öffentlich-rechtlicher Service public sowie eine gezielte Förderung demokratischer Medien.» 

Gesetzliche Grundlage wurde schon im 18. Jahrhundert gelegt

Bereits 1766 verabschiedete Schweden als erstes Land der Welt ein Gesetz zur Pressefreiheit. Diese historische Tradition hat bis heute einen nachhaltigen Einfluss auf die Mentalität und die Arbeitsweise  der Journalistinnen und Journalisten im Land. Die schwedischen Medien sind unabhängig von der Politik: Ihre Eigentümer unterliegen keiner Einflussnahme durch die Exekutive oder Legislative, und kein amtierender Politiker darf Mitglied des Verwaltungsrats eines öffentlichen Medienunternehmens oder einer Medienaufsichtsbehörde sein.

Der schwedische Rechtsrahmen schützt darüber hinaus die Pressefreiheit. Die öffentlichen Medien werden von einer unabhängigen Rundfunkkommission reguliert, die Teil der schwedischen Presse- und Rundfunkbehörde ist. Ein unabhängiger Ombudsmann ist für Beschwerden im Bereich der journalistischen Ethik zuständig. Der rechtliche Schutz journalistischer Quellen ist gewährleistet, und der Grundsatz des Zugangs zu öffentlichen Informationen ist ein Eckpfeiler der schwedischen Demokratie. Die Weitergabe von Informationen ist in Schweden ein grundlegendes Recht. Bruno Kaufmann betont zudem: «Medienschaffende geniessen in Schweden besondere Rechte, beispielsweise bei der Beschaffung von Informationen.

Drohungen und Verunglimpfungen gegen Medienschaffende kommen schlecht an

Der dritte Platz in der Weltrangliste bedeutet für schwedische Medienschaffende konkret, dass sie ihren Beruf im Alltag mit grösserer Freiheit ausüben können als in anderen Ländern. Für viele Kollegen von Bruno Kaufmann ist das selbstverständlich. Sie haben mit  keinen nennenswerten Einschränkungen zu kämpfen und riskieren weder Bestechung noch Entlassung aufgrund der Veröffentlichung ihrer Meinung und ihrer Beiträge. 

«Diese Freiheit erfordert jedoch angesichts der aktuellen Entwicklungen ständige Wachsamkeit», sagt Kaufmann. Tatsächlich sorgen Einschränkungen und Übergriffe auf Medienschaffende jeweils für enormes Aufsehen, grosse Protestaktionen und viel politischen Druck. Als Beispiel nennt er den Fall des Journalisten Joakim Medin, der Ende März in der Türkei wegen der Ausübung seines Berufs inhaftiert wurde. In Schweden selbst sind Übegriffe auf Medienschaffende selten. «Drohungen und Verunglimpfungen gegenüber Medienschaffenden, etwa durch den Parteichef der rechtsnationalen Schwedendemokraten, kommen stets schlecht an», sagt Kaufmann.

Stabile Finanzierung, trotz zunehmender Medienkonzentration

Die Medienfinanzierung in Schweden sieht eine Rolle des Staates bei der Unterstützung der Medien vor. Die entsprechende staatliche Medienförderung feiert in diesem Jahr auch ihr 60-jähriges Bestehen und  fokussiert sich laut Kaufmann sowohl auf die Unterstützung für professionellen Journalismus als  auch auf die Distribution der journalistischen Inhalte. Diese Förderung hat vielerorts lange Zeit finanziell zum Erhalt von mehr als zwei Zeitungen in derselben Gemeinde beigetragen, mit dem klaren Ziel, die Medienvielfalt auf lokaler Ebene zu gewährleisten. Mittlerweile stehen öffentliche Subventionen ohne Diskriminierung auch Zeitungen mit teils radikalen politischen Ansichten zur Verfügung, was manchmal kritisiert wird. Debatten über den Inhalt und die Finanzierung der öffentlichen Medien werden insbesondere durch einen Parlamentsbericht aus dem Jahr 2024 und den Wunsch der nationalkonservativen Partei Sverigedemokraterna (Schwedendemokraten) angeheizt, diese stärker zu kontrollieren. Kaufmann betont, dass darin diese Verteilung durch eine unabhängige staatliche Behörden vorgesehen ist.

Trotz der mehrheitlich stabilen Finanzierung der Medien  ist eine zunehmende Konzentration der Medienkonzerne zu beobachten: Die grosse Mehrheit der schwedischen Zeitungen (Dagens Nyheter, Aftonbladet, TV4…) befindet sich im Besitz einer Handvoll grosser Medienkonzerne. Im audiovisuellen Bereich ist die Konzentration noch ausgeprägter. Der Schweizer Journalist Bruno Kaufmann betont, dass die schwedische Medienlandschaft von grossen Medienunternehmen wie «Bonnier» dominiert wird. «Hier gibt es also auch im grössten nordischen Land Unsicherheiten.», 

Dennoch weist Kaufmann darauf hin, dass es den schwedischen Medienunternehmen recht früh gelungen sei , vom  «Papierzeitungsmodell zum Online-Modell überzugehen» und damit die Nutzerinnen und Nutzer für die journalistischen Inhalte zahlen zu lassen. «Heute sind es vor allem die Nutzer selbst, die über digitale Abonnements die Grundfinanzierung sicherstellen.» Früher, so Kaufmann, hätten hingegen die Werbeeinnahmen noch dominiert.

Auf die Frage, was die Schweiz aus dem schwedischen Modell in Bezug auf Tradition und Verankerung der Pressefreiheit seit 1766 lernen könne, nennt Bruno Kaufmann drei Punkte.  «Den starken Schutz der Medienfreiheit, die öffentliche Mitfinanzierung der Medieninfrastruktur sowie eine starke Nutzung von Medien im Demokratieunterricht an den Schulen».

Sophie Sager, RSF Schweiz

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