Am 19. März kam es in der Türkei nach der Verhaftung des Bürgermeisters von Istanbul, Ekrem Imamoglu, dem wichtigsten politischen Rivalen von Präsident Recep Tayyip Erdogan, zu Spannungen. Imamoglus Verhaftung löste im ganzen Land massive Proteste aus und führte zu einer harten Unterdrückung der Medienschaffenden, die darüber berichteten. Reporter ohne Grenzen (RSF) prangert die skandalösen und willkürlichen Entscheidungen an, die eine schwerwiegende Einmischung der Regierung in die Justiz und eine dramatische Eskalation der Unterdrückung der Pressefreiheit darstellen.
In weniger als einer Woche wurden in der Türkei mindestens zehn Medienschaffende körperlich angegriffen, fünf verhaftet und Dutzende weitere gezielt mit Tränengas und Gummigeschossen beschossen. Diese repressiven Handlungen gegen die Presse zielen ausdrücklich darauf ab, eine unabhängige Berichterstattung über die Ereignisse zu verhindern, die derzeit das Land erschüttern.
Am Dienstag, den 25. März, beschloss die Staatsanwaltschaft Istanbul, vier der am 24. März im Rahmen der verschärften Unterdrückung der Pressefreiheit festgenommenen Medienschaffenden zu inhaftieren. Sie hatten über Demonstrationen berichtet, die durch die Festnahme des Bürgermeisters von Istanbul, Ekrem Imamoglu, am 19. März ausgelöst wurden. Bei den inhaftierten Medienschaffenden handelt es sich um den Fotojournalisten der AFP Yasin Akgul, den unabhängigen Fotojournalisten Bulent Kiliç, den Reporter des Senders Now Haber Ali Onur Tosun sowie die freiberufliche Journalistin Zeynep Kuray. In Izmir (im Westen des Landes) wurde am 24. März zudem der freiberufliche Fotojournalist Murat Kocabas wegen seiner Berichterstattung über die dortigen Proteste festgenommen und in der Anti-Terror-Abteilung der Polizei von Izmir inhaftiert. Bislang hat die Staatsanwaltschaft noch keine Entscheidung bezüglich seiner Haft getroffen.
Die Journalistinnen und Journalisten werden zu Unrecht wegen Verstosses gegen das Gesetz Nr. 2911 über Demonstrationen und Kundgebungen verfolgt. Ihr einziges Vergehen bestand darin, ihren Beruf auszuüben. Sofern ihre Anwälte bei den Berufungsverfahren keine positiven Ergebnisse erzielen, könnten die Medienschaffenden wochen- oder sogar monatelang inhaftiert werden, bis es zu einem Prozess kommt.
Die Unterdrückung der Presse beschränkt sich dabei nicht nur auf körperliche Gewalt. Der oberste Rundfunk- und Fernsehrat der Türkei (RTÜK) hat die Einschüchterungen kritischer Medien verstärkt und den Fernsehsendern schwere Strafen angedroht. Am 20. März wurden etwa vier Sender (Now TV, Tele1, Halk TV und SZC TV) zu Geldstrafen in der Höhe von 3 Prozent ihrer Werbeeinnahmen verurteilt sowie mit Sendeverboten belegt.
«Es ist das erste Mal, dass Journalistinnen und Journalisten, die eindeutig als solche identifiziert werden konnten, in Ausübung ihrer Tätigkeit aufgrund dieses Gesetzes gegen Versammlungen und Demonstrationen inhaftiert werden. Diese skandalösen Entscheidungen spiegeln die äusserst ernste Situation in der Türkei wider. Diese Entscheidungen laufen darauf hinaus, Medienschaffende mit Demonstranten gleichzusetzen und zeugen damit nicht nur von der schamlosen Böswilligkeit der Regierung, sondern machen auch deren schwerwiegende Einmischung in die Justiz deutlich, um die Medien mundtot zu machen. Diese dramatische Eskalation der Unterdrückung der Pressefreiheit muss aufhören.»
Erol Onderoglu
Vertreter von RSF in der Türkei
RSF fordert die türkischen Behörden mit grösster Entschiedenheit auf, die inhaftierten Journalisten unverzüglich freizulassen und die Gewalt gegen Medienschaffende einzustellen.