Heorhiy Levtchenko und Vladyslav Hershon, zwei ukrainische Medienschaffende, die im August 2023 im von Russland besetzten Melitopol festgenommen worden waren, wurden Anfang September von russischen Gerichten zu hohen Strafen verurteilt. Reporter ohne Grenzen (RSF) verurteilt diese Farce der Justiz und macht auf das Schicksal anderer Medienschaffender aufmerksam, die weiterhin inhaftiert sind.

Nach Heorhiy Levchenko, der am 2. September zu 16 Jahren Haft in einer Strafkolonie mit strengem Regime verurteilt wurde, wurde Vladyslav Hershon am 3. September von einem Militärgericht in Rostow am Don zu 15 Jahren Haft verurteilt. Dies teilte seine Familie RSF mit. Die beiden Fälle sind die ersten Urteile gegen Medienschaffende, die im August 2023 von russischen Streitkräften in der besetzten Stadt Melitopol im Südosten der Ukraine festgenommen wurden.

Der Betreiber des Telegram-Kanals Ria-Melitopol, Heorhiy Levtchenko, wurde wegen «Hochverrats» und «Anstiftung zum Extremismus» für schuldig befunden und zusätzlich mit einem einjährigen Internetverbot belegt. Das Regionalgericht Saporischschja in Melitopol begründet die Entscheidung mit der Nutzung dieses Mediums «für antirussische und proukrainische Propaganda sowie für die Weitergabe von Informationen an Vertreter der ukrainischen Sonderdienste über den Einsatz russischer Streitkräfte auf dem Territorium». Das Gericht behauptet weiter, dass Levchenko für diese Aktivitäten «20’000 Hrywnja pro Monat» (etwa 420 Euro) erhalten habe.

Vladyslav Hershon, einer der Betreiber des Telegram-Kanals Melitopol tse Ukraina («Melitopol ist die Ukraine»), wurde wegen «Terrorismus» strafrechtlich verfolgt. «Jeder Morgen ist die Hölle», schrieb er kürzlich in einem der wenigen Briefe an seine Familie, in dem er die unerträglichen Haftbedingungen beschrieb. Ein bezeichnendes Zeugnis, das sinnbildlich für die Behandlung von Medienschaffenden steht, die von Russland in den besetzten Gebieten festgehalten werden.

«Diese Verurteilungen sind ein abschreckendes Signal für die vier weiteren Medienschaffenden, die sich in Melitopol noch immer in Haft befinden. Es handelt sich hierbei nicht um Gerichtsverfahren, sondern um eine Demonstration politischer Macht. Russland instrumentalisiert die Justiz, um unabhängigen Journalismus in den besetzten Gebieten zu kriminalisieren. RSF fordert die sofortige Freilassung von Heorhiy Levchenko, Vladyslav Hershon und den anderen Medienschaffenden, die vom Kreml wegen ihrer Berichterstattung inhaftiert wurden.»
Jeanne Cavelier
Leiterin des Büros für Osteuropa und Zentralasien von RSF

Am 20. August 2023 kam es in der von Russland besetzten Stadt Melitopol zu einer Welle von Verhaftungen. RSF dokumentierte das Verschwinden und die Inhaftierung von sieben Medienschaffenden und Mitarbeitern lokaler Telegram-Kanäle. Zwei Jahre später wurde nur einer von ihnen im Rahmen eines Gefangenenaustauschs freigelassen: Mark Kaliush, Moderator des Kanals Melitopol tse Ukraina, nachdem er zwangsweise in eine psychiatrische Klinik eingewiesen worden war.

Unter seinen festgenommenen Kollegen muss Maksym Rupchov am kommenden 8. Oktober vor Gericht erscheinen, nachdem seine letzten beiden Anhörungen abgesagt worden waren, weil er nicht vor Gericht gebracht wurde. Der nächste Gerichtstermin für Oleksandr Malyshev ist für heute, den 15. September, angesetzt, derjenige für Yana Suvorova für den 18. September. Anastasia Hloukhovska, Journalistin bei Ria-Melitopol, ist seit ihrer Festnahme unauffindbar. Die russischen Behörden haben weder ihren Haftort bekannt gegeben noch auf die wiederholten Anfragen von RSF reagiert.

Diese Inhaftierungen und Prozesse stehen im Einklang mit den repressiven Praktiken Russlands in den eroberten Gebieten der Ukraine: Medienschaffende werden wie Spione behandelt, Anschuldigungen ohne Beweise erhoben, Geständnisse im staatlichen Fernsehen inszeniert und das Recht auf Verteidigung ignoriert. Insgesamt sind noch immer mindestens 26 ukrainische Medienschaffende vom Kreml in den besetzten Gebieten der Ukraine oder in Russland selbst inhaftiert.

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