Als die Journalistin Islam al-Zaanoun am 3. Juli im Stadtteil Rimal im Zentrum von Gaza unterwegs war, wurde sie von einer Drohne der israelischen Armee an der Schulter getroffen – nur wenige Minuten vor ihrer Live-Schaltung für den Sender Palestine TV und trotz ihrer klar erkennbaren Presseweste. Reporter ohne Grenzen (RSF) verurteilt diese mutmassliche gezielte Attacke auf eine von den israelischen Streitkräften identifizierbare Journalistin. RSF veröffentlicht zudem Islam al-Zaanouns Bericht über ihre Lebensbedingungen in Gaza und die Ausübung ihres Berufs, der wenige Tage vor dem Angriff aufgenommen wurde.

«Seit 640 Tagen berichten wir über diesen Völkermord», sagte die Journalistin Islam al-Zaanoun von Palestine TV am 22. Juni gegenüber RSF. «Wir sind erschöpft.» Zehn Tage später, am 3. Juli, flog ein israelischer Quadcopter über die Journalistin, die gerade mit ihrer Weste und ihrem Helm mit der Aufschrift «Presse» aus ihrem Haus kam, und schoss ihr in die Schulter. Die Journalistin wurde daraufhin ins Al-Quds-Krankenhaus eingeliefert, wo sie sich derzeit in einem stabilen Zustand befindet.

Aufgrund der mangelnden medizinischen Versorgung in dem vom Krieg zerstörten Gebiet konnte das medizinische Personal das Projektil nicht aus ihrer Schulter entfernen. Laut al-Zaanouns Ärzten muss dieses vorerst in ihrem Körper bleiben und könnte darum ihren Arm oder gar ihre Lunge beschädigen. Sie benötigt darum dringend eine Behandlung ausserhalb des Gazastreifens.

«Islam al-Zaanoun ist eine engagierte und mutige Journalistin. Sie hat sich trotz der beispiellosen Gewalt, die die israelischen Streitkräfte in Gaza ausüben, ihrer Aufgabe, uns weiter zu informieren, verschrieben. Sie hätte nicht Ziel eines Mordversuchs durch eine israelische Drohne sein dürfen, während sie auf dem Weg zu ihrer Arbeit war. Sie sollte gar nicht erst in einem Gebiet eingesperrt sein, ohne ausreichende medizinische Versorgung. Die Journalistin ist zur Zielscheibe der israelischen Armee geworden und muss zu ihrer Sicherheit und Gesundheit unverzüglich evakuiert werden. Die gezielte Verfolgung von Medienschaffenden ist ein Kriegsverbrechen, und diese Verbrechen dürfen nicht länger ungestraft bleiben.»
Jonathan Dagher
Leiter des Nahost-Büros von RSF

 

 

Nach Angaben von RSF wurden seit Oktober 2023 mehr als 200 Journalistinnen und Journalisten von der israelischen Armee in Gaza getötet, darunter mindestens 46, die im Rahmen ihrer Arbeit gezielt angegriffen wurden. In diesem Zusammenhang berichtet Islam al-Zaanoun: «Wir haben nicht mehr die Mittel, um über diesen Krieg zu berichten. Die einzige Überlebenschance für mich und meine Familie ist, den Gazastreifen zu verlassen.» Wie die grosse Mehrheit ihrer Kolleginnen und Kollegen ist die 36-jährige Reporterin seit fast 20 Monaten im Gazastreifen eingeschlossen, in ihrer Arbeit behindert und mit einem Ausreiseverbot belegt. Gleichzeitig ist internationalen Medienschaffenden der Zugang nach Gaza nach wie vor verwehrt.

«Manchmal, wenn ich vor der Kamera stehe, habe ich das Gefühl, dass ich vor Hunger ohnmächtig werde», sagt al-Zaanoun. Mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln versorgt sie sich und ihre drei Kinder, von denen eines im November 2023, einen Monat nach Kriegsbeginn, geboren wurde.

Partagez cet article !