Nach einer Volksabstimmung über die Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Ende Oktober bereitet sich das Fürstentum Liechtenstein auf die Privatisierung von Radio Liechtenstein vor. Während der öffentliche Rundfunk in anderen Teilen Europas unter vergleichbarem Druck steht, fordert Reporter ohne Grenzen das liechtensteinische Parlament nun auf, einen Plan zu entwerfen, der die Erstellung journalistischer Inhalte, die redaktionelle Unabhängigkeit und den Pluralismus innerhalb des Rundfunks im Land sicherstellt.

In seiner letzten Sitzung vor den Landtagswahlen im Februar 2025 wird der Landtag des Fürstentums Liechtenstein am Mittwoch, 4. Dezember, über die Zukunft des einzigen öffentlichen Mediums des Landes, Radio Liechtenstein, beraten. Bei der am 27. Oktober abgehaltenen Abstimmung wurde über die Aufhebung des Gesetzes über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk entschieden. Die Volksabstimmung erfolgte auf Initiative der Oppositionspartei Demokraten für Liechtenstein (DpL), die die für den Staat steigenden Kosten des Radios anprangerte. Nach der Meinung der DpL stünden diese Kosten in keinem Verhältnis zur Qualität der Programme. Und ebensowenig im Verhältnis zu den Subventionen für die privaten Medien im Land. Die Abgeordneten werden nun über die Umsetzung der Volksabstimmung entscheiden – über das Datum für das tatsächliche Ende des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (das auf Ende 2025 festgelegt wurde, aber durch ein Gesetz geändert werden kann), sowie über die Modalitäten einer möglichen Privatisierung.

Nach der aktuellen Fassung des Medienförderungsgesetzes, dessen Reform ebenfalls Anfang Dezember vom Parlament verabschiedet werden soll, hätte Radio Liechtenstein – nach der Privatisierung – Anspruch auf rund 800’000 Schweizer Franken. Als öffentlich-rechtliche Einrichtung erhält die Radiostation hingegen  4 Millionen Franken. Diese drastische Kürzung des Budgets, gepaart mit der kurzen Frist, die für die Umsetzung der Abstimmung eingeräumt wurde, gefährdet die Existenz des Radiosenders. Und das obwohl dieser gerade erst beginnt, Massnahmen zur Effizienzsteigerung zu ergreifen.

«Wir respektieren den in der Abstimmung zum Ausdruck gebrachten Willen des liechtensteinischen Volkes. Doch sein Ergebnis bedroht einen Grundpfeiler der Demokratie im Fürstentum: die Unabhängigkeit und den Pluralismus der Medien. Radio Liechtenstein erlebt den Albtraum, den der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Europa fürchtet: das Verschwinden oder die Privatisierung. Wir fordern den Landtag auf, Verantwortung zu zeigen: den Beginn der Privatisierung bis mindestens Ende 2026 zu verschieben, um dem Radio Zeit für die Vorbereitung zu geben. So können Garantien geschaffen werden für die Schaffung journalistischer Inhalte, für die redaktionelle Unabhängigkeit und für den internen Pluralismus innerhalb des Medienhauses.»

Pavol Szalai
Leiter des EU-Balkan-Büros von RSF

Die Einhaltung dieser Bedingungen – für die sich RSF bei einem Treffen mit dem liechtensteinischen Medienministerium am 28. November einsetzte – würde den Bestimmungen über öffentliche und private Medien entsprechen, die im Europäischen Medienfreiheitsgesetz (EMFA) verankert sind, die Liechtenstein nun auf nationaler Ebene umsetzen will. Liechtenstein ist zwar kein Mitglied der Europäischen Union (EU), aber Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraums, der Teil des EU-Binnenmarkts ist. Und dieser bildet die Rechtsgrundlage für die Übernahme des EMFA.

Der Medienpluralismus in Liechtenstein war bereits angeschlagen, als eine der beiden Tageszeitungen des Landes, das Liechtensteiner Volksblatt, im März 2023 aus finanziellen Gründen eingestellt wurde. Auf nationaler Ebene haben die Bewohner des Fürstentums nun nur noch Zugang zu einer einzigen Tageszeitung, dem Vaterland, und einem einzigen Fernsehsender, 1FLTV – einem Privatunternehmen.

Die Situation im Fürstentum muss im europäischen Kontext gesehen werden: In Europa befürworten einige rechtsextreme Parteien, zum Beispiel die Rassemblement National in Frankreich, die Privatisierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und bedrohen damit den Zugang der Bürgerinnen und Bürger zu zuverlässigen, unabhängigen und pluralistischen Informationen.

Liechtenstein steht auf der RSF-Weltrangliste der Pressefreiheit 2024 auf Platz 15 von 180 Ländern.

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