Wo finden die Bewohnerinnen und Bewohner der Schweiz dieser Zeit von Pandemie und Ausgangsbeschränkungen Antworten auf Ihre Fragen? An wen wenden sie sich und wie informieren sie sich über die Situation? Die beispiellose Gesundheitskrise, die zu einer Flut von Gerüchten und Fake News geführt hat, zeigt, wie wichtig der Zugang zu verlässlichen und qualitativ hochwertigen Informationen ist.

Natürlich sind Ärzte, wissenschaftliche Experten, Mitarbeitende des Gesundheitswesens, Regierung und Verwaltung unverzichtbare Quellen. Aber es gibt eine Kategorie von Akteuren, ohne die Sie sich selbst überlassen wären: die Medien.

Journalistinnen, Fotografen, Kameraleute, Redaktoren, Technikerinnen und so weiter: Sie alle arbeiten derzeit unermüdlich daran, Ihnen zuverlässige Informationen zu liefern. Sie geben ihr Bestes, in der Schweiz und in der ganzen Welt.

Sie tun dies unter wirtschaftlichen Bedingungen, die plötzlich katastrophal wurden. Die Medien funktionieren seit vielen Jahren in einem äusserst schwierigen Umfeld, doch die Corona-Virus-Krise hat in den letzten Wochen zu einem Einbruch der Werbeeinnahmen geführt, die für die meisten von ihnen nach wie vor die Haupteinnahmequelle bilden.

Der Anstieg des Publikums der Medien in den letzten Wochen zeigt, wie sehr die Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz Informationen brauchen. Der Bundesrat hat in dieser ausserordentlichen Situation ausserordentliche Massnahmen ergriffen und zur Unterstützung der Wirtschaft 40 Milliarden Franken gesprochen. Es wäre beunruhigend und paradox, wenn in einer Zeit, in der die Medien mehr denn je gebraucht werden, keine Massnahmen zur Unterstützung der Medien ergriffen würden.

Reporter ohne Grenzen (RSF) kämpft weltweit für die Informationsfreiheit. Seit dem Beginn der Pandemie prangert unsere Organisation an, dass verschiedene Regierungen die Krise nutzen, um den Zugang zu vertrauenswürdigen, freien und kritischen Informationen zu behindern.

Einige Beispiele veranschaulichen dieses beunruhigende Phänomen. In Ungarn hat das Parlament ein Gesetz verabschiedet, das einen weiteren Schritt in Richtung totale Repression darstellt. Reporter ohne Grenzen hat dies gemeinsam mit verschiedenen anderen Organisationen hart kritisiert. Betrachtet man die ersten Tage der Krise in China, so scheint es, dass ohne die von den Behörden verordnete Kontrolle und Zensur die Öffentlichkeit viel früher über die Schwere der Epidemie informiert worden wäre. Dadurch wären womöglich Tausende von Leben gerettet worden, vielleicht hätte die Pandemie abgewendet werden können. In Ägypten hat die Regierung die Zensur verschärft. Mehrere Nachrichten-Webseiten wurden für sechs Monate geschlossen; sie wurden beschuldigt, falsche Nachrichten über die Epidemie zu verbreiten. In Algerien wurde unser Korrespondent Khaled Drareni verhaftet. Reporter ohne Grenzen wirft dem algerischen Regime vor, die Pandemie schamlos zu nutzen, um mit dem freien und unabhängigen Journalismus abzurechnen.

Die Liste der Verletzungen der Informationsfreiheit, die im Umfeld der gegenwärtigen Krise begangen werden, ist leider lang. Mit Nachdruck muss wiederholt werden: Freie Information ist heute notwendiger denn je. Es ist wichtig, dass die Medien nicht nur die volle Freiheit haben, zuverlässige Informationen zu veröffentlichen, sondern auch das Verhalten der Behörden und der Akteure in der Krise kritisch zu verfolgen, unabhängig von der schwierigen Situation und der Legitimität der beschlossenen Massnahmen.

In dieser Zeit, in der in der Schweiz das Bundesparlament aus sicherlich verständlichen Gründen nicht tagt, bleiben die Medien für eine – möglichst kurze – Zeit die einzige Gegenmacht. Ihnen muss es möglich sein, über diese Krise so nah wie möglich an einer Realität zu berichten, auf die die Bürgerinnen und Bürger ein Recht haben, sie in all ihren Aspekten zu kennen. Reporter ohne Grenzen Schweiz fordert alle Behörden des Bundes, der Kantone und der Gemeinden auf, diese Arbeit keinesfalls zu behindern. Wir möchten allen Medienschaffenden, die mit ihrer Arbeit einen unersetzlichen Beitrag zum Zusammenleben und zur Ausübung der Demokratie leisten, unsere Anerkennung aussprechen.

Denis Masmejan, Generalsekretär Reporter ohne Grenzen (RSF) Schweiz, Journalist
Camille Lanci, Mitarbeiterin von Reporter ohne Grenzen (RSF) Schweiz

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