Denis Masmejan, Generalsekretär von RSF Schweiz, wurde in seiner Eigenschaft als Medienrechtsspezialist beauftragt, in einer vom Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) finanzierten und heute veröffentlichten Studie die verfassungsrechtlichen Grundlagen einer hypothetischen Regulierung der öffentlichen Online-Debatte aus der Sicht des Schweizer Rechts zu untersuchen. Er verteidigt in der Studie das Primat der Meinungsäusserungs- und Medienfreiheit sowohl gegenüber der Versuchung der Behörden, die öffentliche Debatte zu kontrollieren, wie auch gegenüber den Verletzungen dieser Freiheiten auf digitalen Plattformen. Er weist auch darauf hin, dass eine staatliche Unterstützung der Medien zwar im Zusammenhang mit dem digitalen Wandel notwendig ist, den Behörden aber keinen direkten oder indirekten Einfluss auf die veröffentlichten Inhalte geben darf.

Desinformation in sozialen Netzwerken, Online-Hassreden, Meinungsmanipulationsversuche durch Bots und Fake-Accounts stellen moderne Gesellschaften auf eine harte Probe. Die Sicherung einer freien, offenen und vielfältigen öffentlichen Debatte im digitalen Umfeld, die in einem demokratischen Staat ihre lebenswichtige Funktion erfüllen kann, ist eine Herausforderung. Diese Herausforderung, so der Autor, müsse unter voller Achtung der Meinungsäusserungs- und Medienfreiheit bewältigt werden. Diese Freiheiten müssen online zu den gleichen Bedingungen wie offline geschützt werden und sowohl gegen unzulässige staatliche Eingriffe als auch gegen Verzerrungen verteidigt werden, die ihnen durch Plattformen zugefügt werden können. Auf diese Weise kann die notwendige Vielfalt der öffentlichen Debatte am besten gewährleistet werden.

Eine direkte Regulierung von Inhalten, sei es durch das Gesetz, durch die Nutzungsregeln oder durch die Moderationspolitik der Plattformen, ist unter dem Gesichtspunkt der Achtung der Grundfreiheiten heikel. Häufig läuft sie nämlich darauf hinaus, den digitalen Giganten die unangemessene Macht zu verleihen, legale oder nur potenziell illegale Inhalte willkürlich zu diskriminieren, bloss um ihre rechtlichen Risiken oder Reputationsrisiken zu begrenzen.

Eine Regulierung von Plattformen muss also dieser Gefahr der privaten Zensur Rechnung tragen und Massnahmen bevorzugen, die keine Kontrolle der Inhalte beinhalten, insbesondere wenn die Illegalität der Inhalte vom Kontext oder von einer Interessenabwägung abhängt. Unter den untersuchten Massnahmen befasst sich die Studie insbesondere mit der Transparenz von Algorithmen, einer Voraussetzung für die wünschenswerte Einführung politischer, ideologischer und religiöser Neutralität von Plattformen und für die Förderung eines Rechts auf zuverlässige Informationen im Netz. Dies sind die Ziele der Partnerschaft für Information und Demokratie, die vom internationalen Sekretariat von Reporter ohne Grenzen initiiert wurde und der die Schweiz 2019 zusammen mit rund dreissig Staaten beigetreten ist.

Im Zusammenhang mit Volksabstimmungen sollten Mittel wie Bots und Fake-Konten nicht eingesetzt werden dürfen. Ihr Verbot sollte, falls technisch durchführbar, in Erwägung gezogen werden. Nach bereits geltendem Gesetz sind die Behörden verpflichtet, zu reagieren und Tatsachen zu berichtigen, wenn grob fehlerhafte Informationen in den Netzwerken verbreitet werden.

Schliesslich erscheint angesichts der Auswirkungen des digitalen Wandels auf die Medienbranche eine finanzielle Unterstützung der Medien durch die öffentliche Hand notwendig, um das Recht der Öffentlichkeit auf relevante, vielfältige und vertrauenswürdige Informationen zu schützen. Doch eine solche Unterstützung, in welche Form auch immer sie umgesetzt wird, muss die redaktionelle Freiheit der Medien uneingeschränkt respektieren und darf den Behörden absolut keinen Einfluss auf die von einer Redaktion produzierten Inhalte ermöglichen.

Link zur Studie (Französisch)

Link zur Zusammenfassung der Studie (deutsch)

 

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