Editorial

Die iranische Journalistin Nilufar Hamedi war eine der ersten, die am 16. September den Tod von Mahsa Amini bekanntmachte. Diese, eine 22-jährige Frau, war drei Tage zuvor von der Sittenpolizei verhaftet worden, weil sie ihren Schleier nicht korrekt getragen hatte. Ihr Tod löste in Iran die bisher grösste Protestbewegung aus; sie reisst bis heute nicht ab.

Nilufar Hamedi war auch eine der ersten Journalistinnen, die verhaftet wurden. Medienschaffende gehören zurzeit zu den ersten Zielen der Polizei des Regimes. Laut der Aussage eines iranischen Journalisten, der unserer Organisation unter Zusicherung seiner Anonymität Auskunft gab, ist die Unterdrückung von Medienschaffenden seit Beginn der Unruhen so stark wie seit fünf Jahren nicht mehr. Nirgendwo scheint es Sicherheit zu geben, denn sowohl in Teheran wie auch in Kleinstädten werden Verhaftungen angeordnet.

Es ist schwierig, etwas anderes zu erwarten in einem Land, das auf der von RSF jährlich veröffentlichten Rangliste der Pressefreiheit auf Platz 178 von 180 Ländern steht. Seit letztem Monat wurden 31 Medienschaffende festgenommen. 27, darunter zehn Frauen, sind laut Zählung von RSF nach wie vor in Haft. Dazu kommen 14, die bereits vorher im Gefängnis waren. Mit mehr als 40 inhaftierten Journalistinnen und Journalisten ist der Iran nun das drittgrösste Gefängnis für Medienschaffende weltweit, nach China (102) und Burma (67). Zu diesen Inhaftierungen – die manchmal mit Folter einhergehen – kommen noch Internetausfälle und VPN-Blockaden hinzu, die den Zugang der iranischen Öffentlichkeit zum Internet und zu sozialen Netzwerken verhindern.

Umso beeindruckender ist, angesichts dieser Unterdrückung, der Mut der Demonstrierenden und der Medienschaffenden, die trotz allem versuchen, so realitätsnah wie möglich über die Ereignisse zu berichten. RSF fordert den Iran auf, die Repressionen gegen Journalisten und Journalistinnen zu beenden und diejenigen, die inhaftiert sind, freizulassen. Wie die französisch-iranische Autorin und Journalistin Farida Hachtroudi, die am 3. Oktober in der Sendung 19h30 von RTS zu Gast war, so treffend formulierte: «Die Welt hat ihre Augen auf den Iran gerichtet, und die jungen Leute werden nicht lockerlassen.» Aber zu welchem Preis? Man wagt es kaum, sich das vorzustellen.

Denis Masmejan, Generalsekretär RSF Schweiz

Newsletter abonnieren

Partagez cet article !