Die beiden renommierten Medien The Guardian und La Vanguardia werden ihre Aktivitäten auf der Plattform X einstellen, da dort immer mehr Desinformation um sich greift. Für Reporter ohne Grenzen (RSF) stellt dieser Entscheid eine drastisches Signal dar, dass es den Behörden bislang nicht gelungen ist, einen Regulierungsrahmen für digitale Plattformen aufzubauen, der zuverlässige Informationen auch tatsächlich schützt und fördert.
Die britische und die spanische Tageszeitung The Guardian und La Vanguardia kündigten am Donnerstag, 14. November, an, dass sie keine Inhalte mehr auf der Plattform X veröffentlichen werden. Die Begründung ist bei beiden Zeitungen ähnlich: Desinformation nehme auf dem Sozialen Netzwerk eine immer grössere Rolle ein, was zu einem «toxischen» Umfeld führe. Die derzeitige Verstärkung der Desinformation auf Kosten zuverlässiger Informationen auf X ist nur die Spitze eines globalen Problems: Digitale Plattformen haben heute eine beispiellose Rolle in der Verbreitung von Informationen eingenommen. Die Wahl von Donald Trump zum neuen US-Präsidenten, die aktiv von X-Eigentümer Elon Musk unterstützt wurde, stellt darüber hinaus eine grosse Herausforderung für die Umsetzung griffiger Regulierungen dar. Ein zuverlässiger Regulierungsrahmen müsste in der Lage sein, zugverlässliche Informationen in sozialen Netzwerken zu schützen.
«Versuche, Plattformen zu regulieren, wie etwa der «Digital Services Act» der EU, sind aktuell nur ein Pflaster auf einer infizierten Wunde. Elon Musk hat nur zwei Jahre gebraucht, um ein soziales Netzwerk radikal in ein bevorzugtes Vehikel für gross angelegte Desinformation zu verwandeln. Daran konnte ihn bis heute kein von einem demokratischen Staat erlassenes Gesetz hindern. Um ehrlich zu sein: Die derzeitigen Regulierungen werden den aktuellen Herausforderungen nicht gerecht. Wir fordern die Gesetzgeber auf, ehrgeizigere Massnahmen zu ergreifen, und bieten ihnen konkrete Lösungen an, um dies zu erreichen.
Thibaut Bruttin
Generaldirektor von RSF
Ein dringender Bedarf, Regulierungen zu überdenken
So, wie die Plattformen funktionieren, wird eine Situation gefördert, in der verlässliche Medien zunehmend marginalisiert werden und sich die Plattformen berechtigt fühlen, die Medien nach ihren eigenen wirtschaftlichen oder ideologischen Interessen zu benutzen und missbrauchen. In Kanada beispielsweise zensiert der Plattform-Gigant Meta Nachrichtenmedien. Dies als Reaktion auf das Gesetz «C 18», das Meta dazu zwingt, die Nachrichten für den Mehrwert, den diese der Plattform erbringen, zu bezahlen. Und erst am 13. November kündigte Google an, dass es in seiner Suchmaschine für eine kleine Stichprobe in Europa den Zugang zu Nachrichtenmedien beschränken möchte. Vom Pariser Handelsgericht wurde dieser Entscheid zwar zurückgewiesen, nicht aber in anderen betroffenen Ländern.
Um diesen und weiteren Auswüchsen entgegenzuwirken, schlägt RSF vier konkrete Massnahmen vor:
- Förderung journalistischer Inhalte in den Algorithmen: Es ist entscheidend, die Algorithmen so anzupassen, dass sie journalistische Quellen bevorzugen und pluralistische Meinungen fördern. Dies kann beispielsweise mittels neuen Standards wie der von RSF entwickelten Journalism Trust Initiative (JTI) geschehen.
- Unterscheidung zwischen Konten mit grosser Reichweite und Konten von Journalistinnen und Journalisten: Eine explizite Unterscheidung zwischen Influencern und Journalisten ist entscheidend, damit die Bürger die Informationsquellen eindeutig identifizieren können.
- Regelmässige Bewertung der Auswirkungen auf die Pressefreiheit: Es sollten regelmässige, unabhängige und öffentliche Prüfungen durchgeführt werden, um die Auswirkungen von Plattformen auf die Pressefreiheit zu bewerten, nach einem ähnlichen Modell wie die EU-Verordnung über digitale Dienste (Digital Services Act).
- Pflicht zur Neutralität von Plattformen: Digitale Räume müssen sich in den Dienst der Information stellen und nicht nur persönliche Überzeugungen oder private Interessen fördern.