Einen «Quantensprung» hatte sich der Verein Öffentlichkeitsgesetz.ch, der sich dafür einsetzt, dass die Medien das Recht nutzen, Dokumente im Besitz der öffentlichen Verwaltung zu erhalten, erhofft. Doch es resultierte nicht einmal ein grösserer Hüpfer: Der Bundesrat hat das Projekt, in der Bundesverwaltung einen zentralen Nachweis amtlicher Dokumente einzurichten und damit die Suche danach zu erleichtern, im September 2021 begraben (Foto Keystone-SDA).

Erstmals über die Einführung eines solchen zentralen Nachweises nachgedacht wurde 2003 in der Botschaft zum Bundesgesetz über das Öffentlichkeitsprinzip in der Verwaltung (BGÖ). Das Ziel bestand darin, Medienschaffenden und interessierten Bürgerinnen und Bürgern die Suche im Dschungel der Verwaltungsdokumente zu erleichtern. Denn veröffentlichte Dokumente sind – bis heute – nur «dezentral», auf den Webseiten der einzelnen Verwaltungseinheiten, zu finden. Ausserdem unterscheiden sich Ausmass und Anzahl der öffentlich publizierten Dokumente von Amt zu Amt. Vor allem aber werden viele amtliche Dokumente nicht veröffentlicht, und für diese ist der Grundsatz der Öffentlichkeit der Verwaltung von besonderer Bedeutung. Wie soll man ein Gesuch auf Einsicht in ein Dokument stellen, wenn man nicht weiss, dass es überhaupt existiert? Ein zentraler Nachweis wäre also ein nützliches Instrument für die Umsetzung des Öffentlichkeitsprinzips gewesen.

Ab 2008 formell geprüft

Die Idee eines zentralen Nachweises wurde weder im BGÖ noch in der Verordnung dazu konkretisiert. Die Verordnung hält lediglich fest: «Die Behörde gibt den Gesuchstellerinnen und Gesuchstellern über die verfügbaren amtlichen Dokumente Auskunft und unterstützt sie bei ihrem Vorgehen» (Artikel 3, Absatz 1). Sie sieht auch vor, dass die Behörden geeignete Informationen zur Verfügung stellen, «die das Auffinden von Dokumenten erleichtern können» (Artikel 18, Absatz b). Allerdings findet sich in diesem Artikel auch der Zusatz «soweit dies den Behörden keinen unangemessenen Aufwand verursacht». Genau diese Aufwand-Frage wurde schlussendlich entscheidend.

Zwar wurde die Idee eines zentralen Verzeichnisses ab 2008 formell geprüft. Ein Pilotprojekt des Schweizerischen Bundesarchivs (BAR) wurde lanciert, doch es gab Verzögerungen: Der Bundesrat wollte nämlich den zentralen Nachweis im Zuge der Einführung der elektronischen Geschäftsverwaltung (GEVER) einrichten – doch die Einführung der GEVER in der gesamten Verwaltung verzögerte sich. Und: Es gab in der Bundesverwaltung offenbar einige Vorbehalte gegen den zentralen Nachweis. Vor allem wurde befürchtet, die Zahl der Einsichtsgesuche würde nach dessen Einführung massiv steigen. So wurde das Projekt des Bundesarchivs für fünf Jahre sistiert.

«Beschämend»

Zwar kam der Bundesrat 2019 auf das Projekt zurück. In seinem Auftrag gab es eine externe Evaluation des Beratungsunternehmen Infraconsult sowie eine Zusatzstudie des Bundesarchivs. Doch als die Ergebnisse vorlagen, befand der Bundesrat am 8. September 2021, das Verhältnis zwischen dem Aufwand und dem Mehrwert für die Öffentlichkeit sei «nicht angemessen». Und obwohl er festhielt, dass es «Verbesserungspotential» gebe und dass ein zentraler Nachweis «einen Mehrwert für die Gesuchstellenden» bringen würde, brach er das Projekt ab.

Aus dem grossen Projekt resultierte schlussendlich nur ein kleines Zugeständnis: Laut Bundesratsbeschluss müssen die Verwaltungsstellen künftig auf ihrer Webseite sowie auf einer zentralen Liste beim Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB) einen Kontakt für ÖG-Anfragen angeben. «Diese Massnahme trägt zu einer einheitlicheren Unterstützung bei der Suche nach amtlichen Dokumenten bei», findet der Bundesrat.

Mit dem Abbruch des Projekts habe die Regierung eine grosse Chance verpasst, kommentiert Martin Stoll, Geschäftsführer von Öffentlichkeitsgesetz.ch, den Bundesratsentscheid: «Der Aktennachweis wäre für die Verwaltungstransparenz ein Quan­ten­sprung gewesen. Dass der Bundesrat jetzt als Er­satz­mass­nah­me lediglich die Namen der Öf­fent­lich­keits­be­auf­trag­ten publizieren will, ist beschämend.»

Die Verwaltung müsse nun dazu verpflichtet werden, Zu­gangs­ge­such­stel­len­den handfeste Hilfe anzubieten, so Stoll weiter: «So sieht es das Gesetz auch vor. Die Ämter müssen auf Anfrage beispielsweise rasch Listen mit vorhandenen Dokumenten zur Verfügung stellen. Was es endlich braucht, ist der nötige Wille zur Transparenz von ganz oben.»

Bettina Büsser, Koordinatorin Deutschschweiz von RSF Schweiz

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