Nachdem die russischen Panzer in die Ukraine eingedrungen sind, besteht die Gefahr, dass Journalistinnen und Journalisten ins Visier genommen werden. Reporter ohne Grenzen (RSF) fordert die Kriegsparteien und internationalen Organisationen auf, den Schutz von Medienschaffenden zu gewährleisten.

Als Zeugen des russischen Einmarsches an vorderster Front laufen Journalistinnen und Journalisten, von den Raketeneinschlägen und dem Granatenbeschuss im ganzen Land getroffen zu werden. Einige regionale Korrespondenten befürchten, eingekesselt zu werden und nicht entkommen zu können. Andere, die evakuiert werden wollten, sassen ebenso wie zahlreiche Zivilisten fest, insbesondere in Charkiw (im Osten) und Cherson (im Süden). Neben den Einheimischen befanden sich in den letzten Tagen nach Angaben der ukrainischen Armee, die Akkreditierungen ausstellt, über 1000 ausländische Korrespondentinnen und Korrespondenten vor Ort.

Moskau soll im Rahmen der von ihm betriebenen «Entnazifizierung» in der Ukraine laut Washington, das keine Namen bekannt gibt, eine Liste mit «zu tötenden Personen» erstellt haben. Diese bestreffe unter anderem Medienschaffende.

«Wir kennen die Methoden der russischen Macht: Journalisten sind bevorzugte Ziele, wie es auf der Krim seit der Annexion im Jahr 2014 und in den von den von Moskau unterstützten Donbass-Separatisten besetzten Gebieten der Fall ist», sagt die Leiterin des Osteuropa- und Zentralasien-Büros von RSF International, Jeanne Cavelier. RSF fordert die russischen und ukrainischen Behörden auf, ihre internationalen Verpflichtungen zum Schutz von Medienschaffenden in Konflikten einzuhalten, die internationalen Institutionen, diese Schutzmassnahmen durchzusetzen, und die Botschaften der in der Ukraine vertretenen Staaten, ihnen so schnell wie nötig Asyl zu gewähren.»

Die 2015 vom UNO-Sicherheitsrat, dem auch Russland als ständiges Mitglied angehört, verabschiedete Resolution 2222 sowie das humanitäre Völkerrecht besagen, dass Journalistinnen und Journalisten im Falle eines bewaffneten Konflikts genauso geschützt sind wie die Zivilbevölkerung, auch wenn sie einer Armee folgen, um zu arbeiten. Zur Erinnerung: Auf dem Höhepunkt des Konflikts in der östlichen Region Donbass wurden zwischen 2014 und 2016 zehn Journalisten getötet.

Offizielle Zensur von Informationen im Zusammenhang mit der «Sonderoperation»

Der Krieg wird auch im Bereich der Informationen ausgetragen. Es kursieren zahlreiche Gerüchte. Mindestens zwei ukrainische Medien waren Ziel von Cyberangriffen: die Website von Kanal 5, einem Fernsehsender im Besitz des ehemaligen Präsidenten Petro Poroschenko, und die Kiyv Post, eine englischsprachige Zeitung, die dem regierungsnahen Geschäftsmann Adnan Kivan gehört.

In Russland haben die Behörden eine offizielle Zensur für Informationen im Zusammenhang mit der laufenden «Sonderoperation» eingeführt. Die Medien sind «verpflichtet, ausschliesslich Informationen und Daten zu verwenden, die aus offiziellen russischen Quellen stammen verwenden», warnte Roskomnadzor, die russische Medienaufsicht, die von RSF als einer der «Feinde des Internets» eingestuft wird; sonst riskierten sie, wegen der Verbreitung von Falschinformationen strafrechtlich verfolgt zu werden.

Diese neue Phase reiht sich in das Narrativ ein, das die russische Führung in den letzten Wochen entwickelt hat und das in der Rede von Präsident Wladimir Putin am Montagabend gipfelte, um der ukrainischen Regierung die Schuld für den Krieg zu geben und einen Angriff auf das Territorium des Nachbarlandes zu rechtfertigen.

Russland belegt auf der RSF-Rangliste der Pressefreiheit den 150. Platz von 180 Ländern. Die Ukraine belegt Platz 97.

Unterstützung für Kriegsreporterinnen und -reporter
Reporter ohne Grenzen (RSF) bietet ein Versicherungspaket für freie Journalistinnen und Journalisten an, die für einen Aufenthalt in einem Kriegsgebiet nicht ausreichend versichert sind. Mehr Infos unter assistance@rsf.org. Kugelsichere Westen und Helme können im internationalen Sekretariat von Reporter ohne Grenzen in Paris ausgeliehen werden (kein Versand möglich). Voraussetzung für beides ist eine Mitgliedschaft bei RSF.

 

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