Nach einer Recherche in der Ukraine vom 24. Mai bis zum 3. Juni, um den Tod des ukrainischen Fotojournalisten Maks Levin zu untersuchen, veröffentlicht Reporter ohne Grenzen (RSF) einen Bericht mit Informationen und Beweisen, die darauf hindeuten, dass Levin und sein Freund und Leibwächter am 13. März von russischen Soldaten in einem Wald in der Nähe von Kiew hingerichtet wurden, möglicherweise nachdem sie verhört und sogar gefoltert wurden.

Ein Brandgeruch liegt noch immer über Moschtchun, einem Dorf 20 km nördlich von Kiew, das Anfang März, als die Russen versuchten, die ukrainische Hauptstadt einzunehmen, schwer bombardiert wurde. Die Hälfte der Häuser wurde zerstört, der Boden ist immer noch mit den Trümmern gepanzerter Fahrzeuge übersät, und die wenigen Bewohner, die während der Besetzung im Dorf geblieben sind, sind immer noch traumatisiert. In einem Wald in der Nähe des Dorfes wurden am 1. April die Leichen von Levin und seinem Freund, dem Soldaten Oleksij Tschernyschow, gefunden. Die beiden Männer waren am 13. März getötet worden.

RSF schickte zwei Ermittler in die Ukraine, die vom 24. Mai bis zum 3. Juni Beweise sammelten und nach Hinweisen suchten: Arnaud Froger, den Leiter des RSF-Investigations-Desks, und Patrick Chauvel, einen französischer Kriegs-Fotoreporter, der Ende Februar mit Levin im Donbass gearbeitet hatte. Sie kamen zu dem Schluss, dass Levin und Chernyshov kaltblütig hingerichtet wurden. Die Beweise gegen die russischen Streitkräfte sind erdrückend. Sie werden in einem Bericht mit dem Titel «Wie der ukrainische Journalist Maks Levin von den russischen Streitkräften hingerichtet wurde» ausführlich dargelegt. Auf der Grundlage der gesammelten Informationen und Beweise konnten die Ermittler von RSF den Ablauf der Ereignisse rekonstruieren.

Der 40-jährige Levin war ein erfahrener Freelancer, der häufig mit LB.ua, einer angesehenen ukrainischen Newsseite, und mit der Nachrichtenagentur Reuters zusammenarbeitete. Als Russland am 24. Februar mit dem Einmarsch in die Ukraine begann, kontaktierte er eine Gruppe von Soldaten, die er seit seiner Berichterstattung über den Konflikt im Donbas im Jahr 2014 kannte. Er wollte über diesen Krieg so nah wie möglich an den Kämpfenden und vor allem an den Leidtragenden berichten. «Er fuhr jeweils sehr schnell über die mit Schlaglöchern übersäten Strassen entlang der Front, wo ukrainische Soldaten Widerstand gegen die russischen Angreifer leisteten. Er hatte es eilig, die Wahrheit zu finden, das erste Opfer des Krieges», sagte der Fotoreporter Patrick Chauvel, Co-Autor des Berichts.

Am 10. März verlor Levin seine Drohne im Wald bei Moschtchun, als er versuchte, Aufnahmen von der russischen Militärinvasion in der Region zu machen. Als er drei Tage später in diesen Wald zurückkehrte, hatten die Russen bereits einen Teil des Waldes besetzt. Das Gelände war gefährlich, aber Levin war fest entschlossen, seine Drohne um jeden Preis zu bergen, denn er war überzeugt, dass die letzten Bilder, die sie aufgenommen hatte, sehr wichtig waren. Es gelang ihm nicht.
Als RSF am 24. Mai in der Ukraine eintraf, um mit den Ermittlungen zu beginnen, hatte Russland seine Truppen für mehrere Wochen aus der Region abgezogen. Aber das Gebiet war immer noch gefährlich. Die Russen hatten Fallen und Sprengsätze hinterlassen.

In Begleitung von Mitgliedern der Sicherheitskräfte gelang es RSF, den Tatort zu lokalisieren. Levins verkohlter Ford Maverick war noch da. Die RSF fand am Tatort mehrere Kugeln sowie die Ausweispapiere von Tschernyschow, dem Soldaten, der mit Levin unterwegs war, und identifizierte 14 Einschüsse in seinem Auto. Mehrere Gegenstände mit möglichen DNA-Spuren legen die Anwesenheit russischer Soldaten in unmittelbarer Nähe des Ortes, an dem Levin und Tschernyschow getötet wurden. Sie wurden von RSF identifiziert und zum Teil sichergestellt. In einer letzten, von der RSF initiierten Suchphase wurde mit Metalldetektoren eine Kugel gefunden, die wahrscheinlich Levin getroffen hatte.

Die vorläufigen Ergebnisse des RSF-Berichts beschreiben die Informationen, Fotos, Zeugenaussagen und materiellen Beweise, die im Laufe der Ermittlungen gewonnen wurden. RSF war nicht in der Lage, alle Fragen zu beantworten, die in diesem Stadium noch zahlreich sind, hat aber auf der Grundlage all dieser Elemente zwei Hypothesen entwickelt. Die beiden Szenarien, die in dem Bericht detailliert beschrieben werden, bieten mögliche Wege, um den Ablauf der Ereignisse zu rekonstruieren und den genauen Hergang festzustellen. Wir hoffen, dass sie eines Tages zur Identifizierung der Täter dieses Doppelmordes führen werden.

«Die Analyse der Fotos vom Tatort, die vor Ort gemachten Beobachtungen und die sichergestellten materiellen Beweise deuten eindeutig auf eine Hinrichtung hin, der möglicherweise Verhöre oder sogar Folterungen vorausgegangen sind. In einem Krieg, der stark von Propaganda und Zensur des Kremls geprägt war, haben Maks Levin und sein Freund ihren Kampf für zuverlässige Informationen mit dem Leben bezahlt. Wir schulden ihnen die Wahrheit. Und wir werden dafür kämpfen, diejenigen zu identifizieren und zu finden, die sie hingerichtet haben», sagte Christophe Deloire, Generalsekretär von RSF International.
«Trotz der Risiken ist Maks in diesen Wald gegangen, um zu versuchen, seine Drohne zu bergen, um Beweise in Form von Bildern zu sammeln. Seine Hinrichtung durch russische Soldaten war ein Verbrechen gegen das Recht auf freie Meinungsäusserung. Diese Wahrheit wird nicht verborgen bleiben und die Untersuchung von RSF wird in den Dienst deiner Werte gestellt, Maks. Das verspreche ich dir», sagt Patrick Chauvel, Fotoreporter und Co-Autor des Berichts.

Im Rahmen des Ukraine-Aufenthalts wurde RSF vom stellvertretenden Generalstaatsanwalt der Ukraine, dem Leiter der Abteilung für die Untersuchung von Verbrechen gegen die Medien und dem Leiter der regionalen Staatsanwaltschaft in Kiew empfangen. Nach diesen Treffen wurde der RSF-Vertreter Arnaud Froger offiziell als Zeuge im Rahmen der ukrainischen Ermittlungen zum Mord an Levin befragt. Diese Befragung durch Mitglieder des Sicherheitsdienstes der Ukraine (SBU) fand am 1. Juni in Kiew statt. Bei dieser Befragung übergab RSF neun vor Ort gesammelte Beweisstücke und einen USB-Stick mit mehreren Dutzend Fotos vom Tatort, die Patrick Chauvel aufgenommen hatte.

Maks Levin ist einer von acht Journalistinnen und Journalisten, die seit Beginn des Krieges in der Ukraine bei der Ausübung ihrer Arbeit getötet wurden. Das letzte Opfer ist Frédéric Leclerc-Imhoff, ein französischer Videoreporter des französischen Nachrichtensenders BFM TV, der am 30. Mai durch ein Schrapnell einer von den russischen Streitkräften abgefeuerten Granate getötet wurde.

pdf des Berichts: Rapport Ukraine _UK DEF

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