Am 14. und 15. Dezember hat die israelische Armee im nördlichen und zentralen Gazastreifen drei weitere Medienschaffende ins Visier genommen und getötet. Darüber hinaus wurden einige der wenigen Reporter, die sich noch in der nördlichen Provinz aufgehalten hatten, wurden kürzlich nach einer Bodenoffensive israelischer Soldaten gezwungen, ihre Lager zu räumen. Reporter ohne Grenzen (RSF) prangert die Tötung dieser Journalisten, als neue Fälle von Kriegsverbrechen Israels an.
Innerhalb von nur zwei Tagen tötete die israelische Armee im Gazastreifen eine Reihe von Medienschaffenden. Der jüngste Fall stellt die Tötung von Ahmad al-Louh, einem Kameramann von Al-Jazeera, dar. Der 39-jährige hatte zuvor eine Reportage mit dem palästinensischen Zivilschutz im Lager Nuseirat im Zentrum des Gazastreifens gedreht, als er durch einen Luftschlag getötet wurde. Bereits einige Tage zuvor wurde sein Haus, das sich ebenfalls in Nuseriat befand, bei einem Luftschlag zerstört.
Am Tag vor der Tötung, am 14. Dezember, wurden darüber hinaus zwei weitere Journalisten von den israelischen Streitkräften getötet. Zum einen Mohammed Balousha, ein Reporter für den Sender Al-Mashhad aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, der während einer Reportage im Stadtteil Sheikh Radwan im Norden des Gazastreifens durch einen gezielten Drohnenangriff tödlich verletzt wurde. Zum anderen der 30-jährige Korrespondent der Agentur Snd, Mohammed Jaber al-Qarinawi, der zusammen mit seiner Frau und seinen drei Kindern durch einen nach Angaben von RSF isolierten Luftangriff getötet wurde. Der Luftangriff war wahrscheinlich auf sein Haus gerichtet. Mohamed Balousha war zuvor bekannt worden, als er im November 2023 die Existenz verwesender Säuglingskörper im al-Nasr-Krankenhaus in Gaza aufdeckte. Er war bereits am 16. Dezember 2023 durch den Schuss eines israelischen Scharfschützen verletzt worden.
«Diese jüngsten Morde sind eine brutale Erinnerung daran, dass der Angriff der israelischen Streitkräfte auf Medienschaffende im nördlichen Gazastreifen fortgesetzt wird. Die wenigen verbliebenen Medienschaffenden laufen Gefahr, vollständig eliminiert zu werden. Diese Tötungen kommen zu den Angriffen auf Medienschaffende im Zentrum von Gaza hinzu, wo Vertriebene nun Zuflucht suchen. Und sie sind Teil der wiederholten Versuche der israelischen Behörden, die Berichterstattung über den Konflikt mit allen Mitteln zu kontrollieren. Wir erinnern mit aller Entschiedenheit daran, dass gezielte Angriffe und Tötungen von Journalisten ein Kriegsverbrechen darstellen. Diese Übergriffe müssen aufhören. Es ist an der Zeit, dass andere Staaten – insbesondere die Verbündeten Israels – konkrete Massnahmen ergreifen, um die israelische Regierung dazu zu bringen, sich an das Völkerrecht zu halten.»
Rebecca Vincent
Kampagnenleiterin von RSF
Letzte Journalisten aus Nord-Gaza vertrieben
96 Prozent der Medienschaffenden in Gaza wurden bereits zwangsweise aus ihren Häusern evakuiert. 92 Prozent haben für ihre Arbeit unverzichtbares Equipment verloren. Das legen Daten der NGO Arab Reporters for Investigative Journalism (ARIJ), dem lokalen Partner von RSF in der Region, nahe. Im nördlichen Gazastreifen wurden zwischen dem 6. Oktober und dem 18. November 2024 nach Angaben der Vereinten Nationen zwischen 100.000 und 131.000 Einwohner von der israelischen Armee nach Gaza-Stadt zwangsumgesiedelt. Die wenigen wenigen noch vor Ort verbliebenen Medienschaffenden berichten unter extrem schwierigen materiellen, humanitären und sicherheitstechnischen Bedingungen. RSF prangert diese Umstände aufs schärfste an.
Viele Medienschaffende mussten den Norden des Gazastreifens verlassen. Darunter der Betreiber des Telegram-Nachrichten-Kanals Sawt El Shemel («Die Stimme des Nordens») sowie der Korrespondent des palästinensischen Medienhauses Donia El-Watan. Beide möchten aus Sicherheitsgründen anonym bleiben. «Wir arbeiteten unter rudimentären materiellen Bedingungen. Diese haben sich nach unserer Evakuierung weiter verschlechtert, da wir nur das Nötigste wie Kleidung mitnehmen durften», sagte der Journalist von Donia El-Watan.
Weiterhin keine Spur von Osama al-Derini, der im Oktober in Beit Lahya festgenommen wurde
Im nördlichen Gazastreifen sind palästinensische Medienschaffende darüber hinaus Opfer von willkürlichen Verhaftungen durch die israelischen Streitkräfte. Bis heute haben diese etwa noch immer nicht mitgeteilt, wo der Journalist des palästinensischen Radiosenders Sawt El Shaab («Stimme des Volkes»), Osama al-Derini, inhaftiert ist. Er war am 24. Oktober in der Stadt Beit Lahya von israelischen Soldaten zusammen mit einer Gruppe von anderen Vertriebenen festgenommen worden. Am 18. Dezember wurde zudem Moath Kahlout, der Korrespondent von Al-Jazeera English, mehrere Stunden lang an einem Kontrollpunkt östlich des Flüchtlingslagers Jabalia im Norden des Gazastreifens festgehalten.
Die RSF-Jahresbilanz 2024 ergab erst vor zwei Wochen, dass Israel im Jahr 2024 zum drittgrössten Gefängnis für Journalisten in der Welt geworden ist.
Die jüngsten Tötungen dieser Medienschaffenden durch die israelische Armee haben die Zahl der Journalistinnen und Journalisten, die seit dem 7. Oktober 2023 in Gaza aufgrund ihrer Arbeit getötet wurden, auf 37 erhöht. Und insgesamt wurden im Krieg bisher mehr als 150 Medienschaffende im Gazastreifen von der israelischen Armee getötet.