Während Israel noch immer in Gaza mit der Hamas sowie im Libanon mit der Hisbollah im Krieg steht, will der ultrakonservative Kommunikationsminister des Landes, Shlomo Karhi, die Medienlandschaft Israels weiter nachhaltig verändern. Ein Gesetz soll ausländische Medien verbieten, deren Inhalte von der Regierung als gefährlich eingestuft werden – so, wie das beim katarischen Sender Al-Jazeera bereits geschehen ist. Am 24. November nahm der Ministerrat zudem einen Resolutionsentwurf von Shlomo Karhi an, welcher vorsieht, dass es sämtlichen Regierungsstellen verboten ist, mit der kritischen israelischen Tageszeitung Haaretz zu kommunizieren. Darüber hinaus soll die staatliche Werbeagentur keine Anzeigen mehr in der Zeitung schalten dürfen. Und nicht zuletzt hat der interministerielle Gesetzgebungsausschuss einem Entwurf zugestimmt, der den öffentlichen Rundfunksender Kan privatisieren soll. Reporter ohne Grenzen (RSF) ist alarmiert über diese Angriffe auf die Unabhängigkeit und den Pluralismus der Medien und fordert die Regierung auf, von diesen Reformen abzusehen.

Seit Wochen beschleunigt sich die Agenda vom israelischen Kommunikationsminister Shlomo Karhi (Foto: Yonatan Sindel / Flash90), der Gesetzesreformen im Medienbetrieb stark vorantreibt. Am Abend des 20. November erneuerten die israelischen Abgeordneten eine verschärfte Version des von der israelischen Presse sogenannten «Al-Jazeera»-Gesetzes. Diese im April 2024 verabschiedete Massnahme, die nur eine vorübergehende Ausnahme hätte darstellen sollen, wurde bereits im Juli erneuert. Mit der nun verabschiedeten Gesetzesänderung wurde die Dauer des Gesetzes auf weitere sechs Monate verlängert. Ausserdem sollten ausländische Medien, die in den Augen der Behörden «die nationale Sicherheit gefährden», neu 60 Tage lang verboten werden können.

Bereits Anfang des Monats, am 3. November, billigte der interministerielle Gesetzgebungsausschuss – dessen Aufgabe darin besteht, die von der Knesset (dem israelischen Parlament) vorgelegten Gesetzesvorschläge zu prüfen – einen Gesetzesentwurf, der die Kontrollmöglichkeiten des Kommunikationsministers Karhi über die Medien erweitert. Dieser kann neuerdings nun beispielsweise direkt über das Budget des öffentlichen Rundfunksenders Kan bestimmen.

«Die Regierung von Benyamin Netanjahu greift offen die Unabhängigkeit der Redaktionen und den Medienpluralismus in Israel an. Kommunikationsminister Shlomo Karhi, der den Hardliner-Flügel des Likud verkörpert, nutzt den Kontext des laufenden Krieges, um kritische Stimmen der regierenden rechtsextremen Allianz zum Schweigen zu bringen. Diese Mediengesetze werden von Likud-Parlamentariern eingebracht und dann im selben Atemzug vom interministeriellen Gesetzgebungsausschuss, der von derselben politischen Gruppierung dominiert wird, bestätigt. Diese Angriffe, insbesondere auf den staatlichen Sender Kan, werden nachhaltige negative Auswirkungen auf die israelische Medienlandschaft haben. RSF ruft die israelischen Politiker, allen voran Minister Shlomo Karhi und Premierminister Benjamin Netanjahu, dazu auf, Verantwortung zu zeigen und diese Reformpläne aufzugeben.»

Anne Bocandé
Redaktionsleiterin von RSF

Kritische Medien als Propagandawerkzeuge bezeichnet

Minister Shlomo Karhi hat aus seiner Abneigung auf die öffentlich-rechtlichen Medien nie ein Geheimnis gemacht. Er schreckte nie davor zurück, seine Kritiker in der Knesset als «Terroristen» zu bezeichnen oder die Redaktion der liberalen Zeitung Haaretz zu beschuldigen, «antiisraelische Propaganda» zu betreiben. Bereits drei Monate nach seiner Ernennung in das Kabinett von Benjamin Netanjahu im Dezember 2022 legte Karhi einen umfassenden Plan zur Umstrukturierung des Medienökosystems vor. Die derzeit diskutierten Gesetze gehen auf diesen Plan zurück und werden in Einzelteilen verabschiedet.

Im Mittelpunkt der Strategie steht die Schwächung des öffentlich-rechtlichen Senders Kan und die Stärkung einiger privater Sender wie Channel 14, der von der derzeitigen Regierungskoalition stark unterstützt wird. Im August 2024 wurde Channel 14 auf Betreiben des Likud und des Ministers Karhi in die Reihe der Kanäle aufgenommen, die über das terrestrische Netz ausgestrahlt werden. Seine Lizenzgebühren werden nicht von diesem Privatkanal bezahlt, sondern von der öffentlichen Rundfunkanstalt Kan.

Nach einem weiteren Gesetzesvorschlag, der am 30. Juni 2024 vom Interministeriellen Gesetzgebungsausschuss gebilligt wurde, könnten Radiofrequenzen künftig vom Kommunikationsminister vergeben werden. Dieser plant langfristig, die sogenannte «Second Authority», das für die Vergabe der Frequenzen zuständige unabhängige Gremium, zu zerschlagen.

Vor der Verabschiedung des «Al-Jazeera-Gesetzes» im April 2024 hatte der Karhi bereits im November 2023 die Verbreitung des libanesischen Senders Al-Mayadeen (der eine pro-Hisbollah- und pro-Iran-Linie verfolgt) in Israel verboten.

Innerhalb Israels sind regierungs- und kriegskritische Journalisten seit über einem Jahr vielfältigem Druck und Einschüchterungen ausgesetzt. Die Redaktion der Tageszeitung Haaretz veröffentlichte nach dem jüngsten Entscheid folgendes Statement:

«Die opportunistische Resolution, Haaretz zu boykottieren, ist ein weiterer Schritt Netanjahus, die israelische Demokratie zu unterminieren. In gleicher Weise wie Putin, Erdogan und Orban, versucht Netanjahu eine kritische, unabhängige Zeitung zum Schweigen zu bringen. Haaretz wird sich nicht einschüchtern lassen und sich in ein Pamphlet verwandeln, das von nur von der Regierung genehmigte Botschaften veröffentlicht.»

In Gaza, im besetzten Westjordanland und im Libanon sind Journalistinnen und Journalisten darüber hinaus nach wie vor Zielscheibe der israelischen Armee. Seit dem 7. Oktober 2023 hat das israelische Militär in den belagerten palästinensischen Gebieten nach der Zählung von RSF mehr als 145 Medienschaffende getötet, davon mindestens 35 in Ausführung ihres Berufs.

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