Die Jahresbilanz von Reporter ohne Grenzen (RSF) für das Jahr 2024 deutet auf eine alarmierende Tendenz hin: Angriffe auf Journalistinnen und Journalisten – insbesondere in Konfliktgebieten, wo mehr als die Hälfte aller 2024 getöteten Medienschaffenden ihr Leben verloren – nehmen zu. Gaza sticht dabei als für Medienschaffende gefährlichster Ort heraus. Nirgends wurden im vergangenen Jahr mehr Journalistinnen und Journalisten in Ausübung ihres Berufs getötet. Seit dem 7. Oktober 2023 wurden über 145 von ihnen von der israelischen Armee getötet, davon mindestens 35 in Zusammenhang mit ihrer Arbeit als Medienschaffende. Darüber hinaus sind aktuell über 550 Medienschaffende rund um den Globus inhaftiert, sieben Prozent mehr als noch im Vorjahr. Diese Gewalt gegen Medienschaffende – die oft von Regierungen oder bewaffneten Gruppierungen ausgeht, ohne dass diese zur Rechenschaft gezogen werden – verlangt nach einer unmittelbaren Antwort. RSF fordert daher dringende Massnahmen, um Journalistinnen und Journalisten sowie den Journalismus an sich zu schützen.

 

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«Journalistinnen und Journalisten sterben nicht einfach, sie werden getötet; sie sind nicht einfach im Gefängnis, sie werden von Regimen verhaftet; sie verschwinden nicht einfach, sie werden entführt. Diese Verbrechen – oftmals von Regimen oder bewaffneten Gruppierungen orchestriert – verstossen gegen internationales Recht und bleiben viel zu oft ohne Strafe. Dagegen müssen wir etwas tun. Vergessen wir nicht, dass diese Medienschaffenden für uns sterben, damit sie uns weiter informieren können. Wir müssen diese Fälle dokumentieren, benennen, untersuchen und verurteilen. Und wir müssen sicherstellen, dass Gerechtigkeit vorherrscht. Solches Unheil darf nie gewinnen. Diejenigen zu beschützen, die uns informieren, bedeutet, die Wahrheit zu beschützen.»

Thibaut Bruttin 
Generaldirektor von RSF

 

54 Medienschaffende in Ausführung ihres Berufs getötet

 

Von den 54 umgekommenen Journalistinnen und Journalisten wurden 31 in Konfliktzonen getötet. Ein Drittel aller 2024 umgekommenen Journalistinnen und Journalisten wurde dabei von der Israelischen Armee getötet. Rund um den Globus hat die Zahl der in Konfliktgebieten (Irak, Sudan, Myanmar, Ukraine und Gaza) getöteten Journalistinnen und Journalisten eine neue Höchstquote innerhalb der letzten fünf Jahre erreicht (57 % aller getöteten Medienschaffenden).

  • Gaza ist dabei der weltweit gefährlichste Ort für Journalistinnen und Journalisten. Gemäss den jüngsten Informationen von RSF verloren im Jahr 2024 knapp 30 %  aller getöteten Journalistinnen und Journalisten ihr Leben im Gazastreifen. Sie wurden von der israelischen Armee getötet.
  • RSF wird diese Fälle weiterhin untersuchen, um gezielte Tötungen von Medienschaffenden zu identifizieren und zu verurteilen. Bis jetzt hat RSF beim Internationalen Strafgerichtshof ICC in Den Haag bereits vier Beschwerden wegen an Journalistinnen und Journalisten begangenen Kriegsverbrechen eingereicht.
  • Süd- und Südostasien ist die für Medienschaffende zweitgefährlichste Region der Welt. Aufgrund der hohen Anzahl getöteter Medienschaffender in Pakistan (7) sowie im Kontext der Proteste in Bangladesch (5) ist die Region im Jahr 2024 die für Medienschaffende zweitgefährlichste weltweit.

 

550 Journalistinnen und Journalisten inhaftiert

 

2024 ist eine Zunahme von inhaftierten Medienschaffenden von 7,2 % im Vergleich zum Vorjahr zu beobachten. Diese Zunahme ist hauptsächlich auf die vielen Inhaftierungen von Journalistinnen und Journalisten in Russland (+8) und in Israel (+17) zurückzuführen.

Israel ist damit aktuell das drittgrösste Gefängnis für Medienschaffende weltweit. Mit Abstand am meisten neue Inhaftierungen von Journalistinnen und Journalisten im Jahr 2024 sind in Israel dokumentiert. Nach 17 neuen Festnahmen 2024 sind im Land 41 Medienschaffende inhaftiert.

Insbesondere vier Länder sind für die hohe Anzahl inhaftierter Medienschaffende verantwortlich. Die vier grössten Gefängnisse für Journalistinnen und Journalisten im Jahr 2024 sind China (124 Inhaftierte, darunter 11 in Hongkong), Myanmar (61 Inhaftierte), Israel (41 Inhaftierte) und Belarus (40 Inhaftierte). Diese vier Länder haben zusammen mehr als die Hälfte aller weltweit eingesperrten Medienschaffenden inhaftiert.

Verhängte Gefängnisstrafen belaufen sich insgesamt auf über 250 Jahre Haft. Die Inhaftierung von Medienschaffenden stellt ein Mittel der Repression dar, insbesondere im Kontext von Russlands Angriffskrieg in der Ukraine oder dem Krieg im Gazastreifen. Bei vielen steht ein Urteil noch aus. Russland (38 Inhaftierte) beispielsweise missbraucht seine Gefängnisse, um unabhängige russische (19) und ukrainische (19) Journalisten zum Schweigen zu bringen.

 

55 Medienschaffende in Geiselhaft

 

Das sind zwei mehr als noch im Jahr 2023, als 53 Medienschaffende als Geiseln gehalten wurden.

70 Prozent der als Geiseln genommenen Medienschaffenden befinden sich derweil (noch) in Syrien. Die meisten der dort als Geiseln festgehaltenen Journalistinnen und Journalisten wurden vom Islamischen Staat (IS) entführt. Auch nach teils über zehn Jahren ist es noch äusserst schwierig, wenn nicht unmöglich, Informationen über deren Schicksal und Verbleib zu erhalten. Der Kollaps von Bashar al-Assads Regime Anfang Dezember gibt allerdings Anlass zur Hoffnung.

Zwei neue Geiselnahmen im Jemen sind im Jahr 2024 dokumentiert. Im Land auf der arabischen Halbinsel wurden 2024 zwei neue Medienschaffende als Geiseln genommen. Von den 55 Journalistinnen und Journalisten, die sich aktuell weltweit in Geiselhaft befinden, wurden 53 bereits 2023 als Geiseln gehalten.

Im Jahr 2023 wurden ebenfalls zwei neue Geiselnahmen dokumentiert, beide in Mali. Im letzten Jahr war Mali noch das einzige Land, in dem zwei neue Geiseln genommen wurden. Am 7. November 2023 wurden dort Saleck Ag Jiddou, Direktor von Radio Coton, sowie Moustapha Koné, Moderator von Radio Coton, von einer bewaffneten Gruppierung entführt. Diese verlangen für die Freilassung der Journalisten 4 Millionen CFA (5700 Franken).

 

95 Medienschaffende vermisst

 

Von fast 100 Journalistinnen und Journalisten in 34 Ländern fehlt bis heute jede Spur.

28 Medienschaffende, mehr als ein Viertel aller Vermissten, sind in den letzten zehn Jahren verschwunden. Darunter unter anderem fünf in Mexiko, drei in Syrien, drei in Mali, zwei in der Demokratischen Republik Kongo, zwei in Palästina und zwei im Irak.

45 % der verschwundenen Medienschaffenden sind Opfer von erzwungenem Verschwindenlassen (enforced disappearance). Vor allem in autoritären Staaten oder unter nachlässigen Regierungen verschwinden oft Menschen, auch Medienschaffende. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, gegen die Straflosigkeit anzukämpfen und den Schutz von Medienschaffenden zu stärken. RSF ruft alle Staaten dazu auf, das Internationale Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen zu unterzeichnen. Dieses Übereinkommen wurde von der Generalversammlung der UNO 2006 angenommen, allerdings erst von 75 Staaten (darunter auch der Schweiz) unterzeichnet.

Höchstzahlen sind in Mexiko zu beobachten. Das zentralamerikanische Land ist für mehr als 30 % aller vermissten Journalistinnen und Journalisten verantwortlich.

Vier zusätzliche Vermisste sind im Jahr 2024 dokumentiert. Dieses Jahr wurden im Vergleich zum Vorjahr vier zusätzliche Medienschaffende vermisst: Je eine Journalistin bzw. ein Journalist in Burkina Faso, in Nicaragua, in Russland und in Syrien.

Illustration: (c) Sophie Bourlet

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