Am Montag, dem 20. März 2023, kam der französische Journalist Olivier Dubois (Foto) auf dem Flughafen von Niamey im Niger an und war damit nach 711 Tagen Geiselhaft endlich frei. Dubois war am 8. April 2021 in Gao im Norden Malis von einer bewaffneten islamistischen Gruppe, die mit Al-Qaida verbunden ist, entführt worden.

Die Regionen im Sahel, in denen bewaffnete Gruppen ihr Unwesen treiben, sind für Medienschaffende wie auch für das Recht auf Information zu Todeszonen geworden: Das zeigt ein Anfang April, kurz nach der Freilassung von Dubois, veröffentlichter Bericht von Reporter ohne Grenzen mit dem Titel «Dans la peau d’un journaliste au Sahel» (In der Haut eines Journalisten in der Sahelzone). Er dokumentiert auf 40 Seiten anhand von Zeugenaussagen die zunehmende Bedrohung des Journalismus in der Sahelzone, von Mali über Burkina Faso, Benin, Niger bis zum Tschad.

Es wäre gut möglich gewesen, dass die Angehörigen von Olivier Dubois ihn niemals wiedergesehen hätten. 2013 wurden Ghislaine Dupont und Claude Verlon, Journalisten von «Radio France Internationale» (RFI), während einer Reportage aus Kidal im Norden Malis entführt. Sie wurden nach wenigen Stunden von ihren Entführern hingerichtet, nachdem Spezialeinheiten der französischen Armee die Verfolgung der Entführer aufgenommen hatten.

Dieses Drama leitet eine Periode höchster Unsicherheit in der gesamten Region und einen Rückgang des Rechts auf Information auf einen Tiefpunkt ein. Im Jahr 2020 wurde der malische Journalist Hamadoun Nialibouly auf einer Busfahrt von der Hauptstadt Bamako, wo er an einer Schulung teilgenommen hatte, gefangen genommen. Nach den von RSF gesammelten Informationen wurde er von bewaffneten Männern verschleppt. Verhandlungen über seine Freilassung scheiterten, und seine Angehörigen haben bis heute nichts mehr von ihm gehört.

Am 18. April 2021, zehn Tage nach der Geiselnahme von Olivier Dubois, wurde der malische Journalist Moussa M’Bana Dicko in Boni, im Osten des Landes, ebenfalls entführt. Die Entführer stellten keine Forderungen für seine Freilassung, und seine Angehörigen haben seither keinerlei Lebenszeichen erhalten. Er gilt als verschollen.

Eine Woche später wurden im Osten von Burkina Faso zwei spanische Journalisten, David Berlain und Roberto Fraile, von einer bewaffneten Gruppe angegriffen und erschossen, als sie in einem Naturschutzgebiet über Wilderei recherchierten. Die Gebiete, in denen bewaffnete Gruppen operieren, die meist der dschihadistischen Bewegung angehören, sind nicht nur für einheimische und ausländische Medienschaffende gefährlich. In Gebieten, in denen diese Banden über alles Bescheid zu wissen scheinen, trifft es auch diejenigen, die es wagen, mit Journalistinnen und Journalisten zu sprechen. 2020 wurde ein malischer Viehzüchter wenige Wochen nach der Ausstrahlung einer Reportage von «France 24», für die er interviewt worden war, entführt und umgebracht.

In Burkina Faso erscheinen Informationen über manche Attacken ganz einfach nicht mehr in den Medien, weil die Medienschaffenden nicht in der Lage sind, darüber zu berichten. Oder die Behörden kümmern sich selbst um die Berichterstattung und sammeln sogar Zeugenaussagen, die sie dann ohne Möglichkeit einer Verifizierung an die Medien weitergeben.

Es überrascht nicht, dass die Militärjunta, die Burkina Faso regiert, immer mehr Massnahmen gegen die Pressefreiheit ergreift: Bevormundung, Einschüchterung, suspendierte Medien. So wurde etwa der französische TV-Sender «France 24» geschlossen, weil er Auszüge aus einem Interview mit dem Anführer von Al-Qaida im islamischen Maghreb ausgestrahlt hatte.

Im Tschad und in Mali, die ebenfalls von der Armee kontrolliert werden, ist die Lage nicht besser. Auch dort geraten Medienschaffende, wie es ein im RSF-Bericht zitierter malischer Journalist ausdrückt, zwischen den Hammer der bewaffneten Gruppen und den Amboss autoritärer Regierungen, für die Pressefreiheit kaum zählt. So ist in Mali der Journalist Birama Touré seit 2016 verschwunden, wahrscheinlich starb er an den Folgen der Misshandlungen, die er in den Gefängnissen des Regimes erlitten hatte. Im Tschad wurde 2022 Evariste Djaï-Loramadji, Korrespondent des christlichen Radiosenders «Lotiko», erschossen, als er über einen Zusammenstoss zwischen Viehzüchtern und Bauern im Südwesten des Landes berichtete. Die Verantwortlichen für seinen Tod bleiben bis heute straffrei.

Zwischen 1990 und 2010 führten neue Gesetze in mehreren Ländern der Sahelzone zu echten Fortschritten – doch diese Ära ist vorbei. In den letzten Jahren haben Benin, Niger, Mauretanien und Burkina Faso Gesetze verabschiedet, die den Journalismus kriminalisieren. Diese freiheitsfeindlichen Normen gehen mit anderen beunruhigenden Phänomenen einher, etwa mit Desinformationspraktiken im Netz, die in Mali anscheinend mit dem Auftreten der russischen Söldnergruppe Wagner in Verbindung stehen. Benin lässt Journalisten, die die Regierung stören könnten, verhaften oder ausweisen und hat es sich zur Gewohnheit gemacht, die Medien «einzuladen», bestimmte Formulierungen in ihren Texten zu übernehmen. Die Behörden gehen beispielsweise so weit, dass sie Titelvorschläge wie «Zwei Jahre Investitionen: Die Baustellen der Hoffnung» machen, um über ein vom Gesundheitsminister vorgestelltes Projekt zu berichten…

Es zeigt sich ein düsteres Bild – doch es besteht auch ein starker Hoffnungsschimmer durch das, was der RSF-Bericht «Netzwerke der Resilienz» nennt: Ein Netz von Medien, deren Zentrum eine Organisation bildet, die in der Schweiz gut bekannt ist, nämlich die «Fondation Hirondelle» mit Sitz in Lausanne. Diese NGO hat sich laut ihren Statuten zum Ziel gesetzt, «nützliche, unparteiische und unabhängige Informationen für Bevölkerungsgruppen bereitzustellen, denen diese aufgrund von Konflikten, Krisen, Katastrophen oder anderen Situationen, in denen das Recht auf Information verletzt wird, vorenthalten werden […]».

Unter oftmals ausserordentlich schwierigen Bedingungen gelingt es den Medien der «Fondation Hirondelle», einen Journalismus zu fördern, der auf der Überprüfung und dem Abgleich von Quellen sowie auf redaktioneller Unabhängigkeit beruht. In Burkina Faso bietet «Studio Yafa» mit einem Studio in Ouagadougou und einem Netz von Korrespondenten aus Partnermedien im ganzen Land täglich thematische Radiosendungen in fünf Sprachen sowie Multimediainhalte und Fernsehproduktionen an. Auch «Studio Tamani» strahlt nach einem ähnlichen Modell Radioinhalte in fünf Sprachen aus. Die Programme von «Studio Kalangou», die in Niamey für den Niger produziert werden, werden ebenfalls über ein Netzwerk von Partnerradios ausgestrahlt, das durch regelmässige Weiterbildungsmassnahmen gestärkt wird.

Neben den von der «Fondation Hirondelle» aufgebauten Netzwerken entstanden weitere Initiativen, insbesondere die «Cellule Norbert Zongo», benannt nach einem 1998 ermordeten burkinischen Journalisten, der die Zeitung «L’Indépendant» – heute «L’Evénement» – gegründet hatte. Ziel dieser Struktur ist es, den investigativen Journalismus in Westafrika zu unterstützen und zu stärken.

Sadibou Marong, Leiter des RSF-Büros Afrika-Subsahara, erinnert im RSF-Bericht daran, dass die äusserst heikle Situation des Journalismus in der Region unsere Organisation dazu motiviert hat, 2022 die Kampagne «Rettet den Journalismus in der Sahelzone» ins Leben zu rufen. Um dies zu erreichen, ist jedoch eine grosse Mobilisierung erforderlich, und sie erfolgt durch «die zwingende Notwendigkeit – selbst in einem Kontext der Unsicherheit, der bewaffneten Angriffe, der Gegenwehr der Armeen der betreffenden Länder und den Anordnungen der Juntas –, die Rechte der Medienschaffenden schützen zu müssen, insbesondere das Recht auf Zugang zu Informationen, im Interesse der Bevölkerung der Sahelzone».

Denis Masmejan, Generalsekretär von RSF Schweiz

 

 

Partagez cet article !