Nach der Ermordung von vier weiteren Journalisten im August ist dieses Jahr schon jetzt das tödlichste für Medienschaffende in Mexiko seit Beginn der Aufzeichnung durch Reporter ohne Grenzen International (RSF): 14 Journalistinnen und Journalisten wurden bisher ermordet. Diese schockierende Situation erfordert dringende Massnahmen seitens der mexikanischen Regierung.

«Die Zahl der getöteten Journalisten in Mexiko ist erschütternd und scheint unaufhaltsam zu steigen, ohne dass die Bundesregierung oder die lokalen Behörden eine Bestandsaufnahme der Situation vornehmen und die erforderlichen mutigen Entscheidungen treffen. Diese dramatische Situation erfordert eine dringende Überarbeitung der Risikoprävention, des Schutzes und der juristischen Mechanismen sowie die Schaffung einer umfassenden und langfristigen Politik, um die Sicherheit der Journalisten zu gewährleisten, deren Rolle für die mexikanische Demokratie lebenswichtig ist. RSF fordert deshalb ein dringendes Treffen mit Präsident López Obrador, um sofortige, konkrete Lösungen zu finden, damit diese Spirale der Gewalt und Straflosigkeit gestoppt wird. RSF fordert auch den Gouverneur von Michoacán, Alfredo Ramirez Bedolla, den Gouverneur von Veracruz, Cuitláhuac García Jiménez, und den Gouverneur von Sonora, Alfonso Durazo, auf, ihre Massnahmen zum Schutz der Medien zu verstärken und die Täter und Anstifter der Morde an Journalisten in ihren Bundesstaaten in den letzten Jahren zu identifizieren.»

Emmanuel Colombié, Leiter des Lateinamerika-Büros von RSF

Schon das vierte Jahr in Folge sind in Mexiko weltweit die meisten Medienschaffenden umgekommen, mehr als den Kriegsländern Ukraine (bislang acht Getötete) und Jemen (bislang drei Getötete) zusammen. 14 mexikanische Journalistinnen und Journalisten wurden ermordet, mindestens zehn von ihnen nachweislich im Zusammenhang mit ihrer Arbeit. Präsident López Obrador hat nur fünf dieser Morde öffentlich verurteilt.

Insgesamt sind RSF mindestens 36 Morde an Journalistinnen und Journalisten seit López Obradors Amtsantritt im Dezember 2019 bekannt. Zwei weitere Journalisten – Jorge Molotzin Centlal und Pablo Felipe Romero Chávez – verschwanden 2021 im Bundesstaat Sonora an der Grenze zu den USA. Die meisten Morde (jeweils fünf) seit Dezember 2019 ereigneten sich in Bundesstaaten, in denen Korruption und organisierte Kriminalität besonders ausgeprägt sind: Michoacán im Südwesten, Veracruz im Südosten und Sonora im Nordwesten. In der überwältigenden Mehrheit dieser 38 Fälle kamen zumindest einige der Täter und Hinterleute bisher straflos davon.

Der jüngste Fall ist der von Fredid Román, 59, der am 23. August in Chilpancingo, der Hauptstadt des südlichen Bundesstaates Guerrero, Opfer eines Überfalls im Stil eines Auftragsmordes wurde. Er war gerade mit seinem Auto von zu Hause losgefahren, als zwei behelmte Personen auf einem Motorrad neben ihm herfuhren, das Feuer eröffneten und dann davonrasten. Er war auf der Stelle tot.

Román war Kolumnist bei der lokalen Tageszeitung Vértice und schrieb gelegentlich auch für andere lokale Medien. Zuvor war er Herausgeber der von ihm gegründeten Zeitung La Realidad gewesen, die er jedoch wegen fehlender finanzieller Mittel hatte einstellen müssen. In all seinen Kolumnen äusserte er sich sehr kritisch über die Regierung des Bundesstaates Guerrero und über lokale Korruption.

Der Herausgeber von Vertíce erklärte gegenüber RSF, dass Román keine Drohungen im Zusammenhang mit seiner Arbeit erhalten habe und in kein staatliches Schutzprogramm aufgenommen worden sei. Románs Neffe beschuldigte jedoch öffentlich eine lokale kriminelle Gruppe namens «Los Ardillos» und behauptete, dass diese in letzter Zeit mehrmals gedroht habe, seinen Onkel zu töten. Románs Sohn war bereits am 1. Juli in Chilpancingo ermordet worden. Die örtlichen Behörden versuchen nach eigenen Angaben zu ermitteln, ob die beiden Morde miteinander in Verbindung stehen.

Die anderen drei Journalisten, die im August in Mexiko ermordet wurden, sind Ernesto Méndez (am 3. August im Bundesstaat Guanajuato), Juan Arjón López (am 9. August im Bundesstaat Sonora) und Alán González (am 11. August im Bundesstaat Chihuahua). Wie Román hatten auch sie Korruption und Gewalt in ihrer jeweiligen Region angeprangert. RSF konnte noch keinen direkten Zusammenhang zwischen den Morden und der Arbeit der Journalisten erkennen, untersucht und dokumentiert die genauen Umstände ihrer Ermordung aber weiterhin.

Mindestens neun Journalisten und eine Journalistin wurden 2022 bislang in direktem Zusammenhang mit ihrer Arbeit getötet: José Luis Gamboa Arenas (10. Januar), Alfonso Margarito Martínez Esquivel (17. Januar), Lourdes Maldonado López (23. Januar), Roberto Toledo (31. Januar), Heber López (10. Februar), Jorge Luis Camero Zazueta (24. Februar), Juan Carlos Muñiz (4. März), Armando Linares López (15. März), Luis Enrique Ramírez (5. Mai) und Antonio de la Cruz (29. Juni). Acht dieser zehn Medienschaffenden hatten vor ihrem Tod angegeben, bedroht worden zu sein.

(Quelle/Video: RSF International)

 

 

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