Reporter ohne Grenzen (RSF) hat gemeinsam mit dem Committee to Protect Journalists (CPJ) und dem International Center for Journalists (ICFJ) dem Obersten Gerichtshof der Philippinen ein Rechtsgutachten vorgelegt, in dem dieser aufgefordert wird, das Verfahren gegen die Friedensnobelpreisträgerin, Journalistin sowie Rappler-Gründerin und -Geschäftsführerin Maria Ressa wegen Verleumdung im Internet einzustellen.

In dem Bemühen, die juristische Verfolgung der renommierten Journalistin und Nobelpreisträgerin Maria Ressa und ihres ehemaligen Kollegen Reynaldo Santos zu verhindern und das Recht der Öffentlichkeit auf Information zu schützen, haben drei führende zivilgesellschaftliche Organisationen ein Amicus Curiae Schreiben beim Obersten Gerichtshof der Philippinen eingereicht. Dabei handelt es sich um einen Schriftsatz, in dem die nicht am Verfahren beteiligten Organisationen rechtliche Argumente sowie eine Handlungsempfehlung für den Fall darlegen.

Das Amicus Curiae Schreiben wurde am 13. Juni von RSF, CPJ und ICFJ in Zusammenarbeit mit Debevoise and Plimpton LLP eingereicht. Darin wird argumentiert, dass die strafrechtlichen Verurteilungen von Ressa und Santos wegen Verleumdung im Internet (eng.: «cyber libel») gegen die internationalen Verpflichtungen der Philippinen verstösst. Des Weiteren verletze eine solche Verurteilung das Vermächtnis der Pressefreiheit, die das Gericht seit über 100 Jahren bekräftigt hat.

Die Anklage in diesem Fall bezieht sich auf eine bereits 2012 von Ressas Online-Nachrichtenportal Rappler veröffentlichte Enthüllungsgeschichte über den Geschäftsmann Wilfredo Keng und den Obersten Richter des Obersten Gerichtshofs, der mit einem Auto gesehen wurde, das angeblich Keng gehörte. Nachdem Keng 2017 eine Verleumdungsklage gegen Ressa und Santos eingereicht hatte, wurden die Journalisten strafrechtlich angeklagt und schliesslich von einem Gericht in Manila verurteilt. In den letzten Jahren waren Ressa, ihre Kolleginnen und Kollegen und das Online-Nachrichtenportal Rappler einer anhaltenden Kampagne der juristischen Verfolgung und Online-Gewalt ausgesetzt. Die philippinische Regierung hat in diesem Kontext seit 2018 23 Einzelverfahren gegen sie eröffnet. Ressa und Santos drohen fast sieben Jahre Gefängnis, wenn ihre Verurteilung wegen Verleumdung im Internet aufrechterhalten wird. Diese befindet sich derzeit in der letzten Phase des Berufungsverfahrens vor dem Obersten Gerichtshof der Philippinen.

«Zwölf Jahre nach der Veröffentlichung eines Artikels, der in eine bösartige Kampagne gegen Maria Ressa, Rappler und andere Pressevertreter eingeflochten wurde, ist es klarer denn je, dass dieser fadenscheinige Fall, der unabhängige, kritische Berichterstattung zum Schweigen bringen soll, keinen Bestand hat. Wir fordern das Gericht auf, die ungerechten Verurteilungen von Ressa und Santos aufzuheben. Diese Instrumentalisierung des Gesetzes muss ein Ende haben», so RSF, CPJ und ICFJ.

Im Schriftsatz wird weiter unter Berufung auf internationales Recht sowie auf nationale Präzedenzfälle argumentiert, dass Ressas Fall sowie die Kriminalisierung von Verleumdung seitens der philippinischen Regierung weder mit der aktuellen Rechtspraxis übereinstimmen, noch mit internationalem Recht vereinbar sind:

«Kurz gesagt, Journalisten können ihre Arbeit unter dem Damoklesschwert der strafrechtlichen Verantwortlichkeit nicht ausführen. Sie haben die Pflicht, das öffentliche Interesse an Informationen über öffentliche Angelegenheiten zu befriedigen. Und sie müssen täglich und schnell entscheiden, über welche Informationen sie mit einer inhärent eingeschränkten Faktenlage berichten. Die Aussicht auf eine strafrechtliche Verantwortlichkeit für eine vermeintlich falsche Berichterstattung – oder schlimmer noch: auf eine Bestrafung für eine korrekte Berichterstattung – wird eine einschneidende und abschreckende Wirkung haben und Journalisten davon abhalten, sich mit sensiblen Themen zu befassen, die oft das grösste öffentliche Interesse wecken. Dies wiederum untergräbt das Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Informationen und schwächt die Meinungsfreiheit im Allgemeinen – Kosten, die in keinem Verhältnis zu dem Interesse stehen, das die Verleumdungsklagen angeblich schützen sollen.»

Dieser Schriftsatz wäre – wenn er vom Gericht zugelassen wird – die dritte Amicus Curiae Intervention, die in diesem Fall angenommen wird. Bereits nach Ressas letzter Berufung gegen ihre Verurteilung wegen Verleumdung vor dem Obersten Gerichtshof haben die UN-Sonderberichterstatterin für Meinungsfreiheit und freie Meinungsäusserung Irene Khan sowie das Menschenrechtsinstitut der Internationalen Anwaltsvereinigung (International Bar Association’s Human Rights Institute) einen Amicus Curiae Brief eingereicht.

Der aktuelle Schriftsatz wurde hauptsächlich von Natalie Reid, Co-Vorsitzender der Public International Law Group bei Debevoise, in Zusammenarbeit mit Kristina Conti, Anwältin bei der National Union of People’s Lawyers in the Philippines-National Capital Region, verfasst.

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