Die «Suisse Secrets» haben im Januar dieses Jahres einiges zu Tage gebracht. Erstens haben die Recherchen eines internationalen Konsortiums investigativer Journalistinnen und Journalisten aufgrund von geleakten Daten der Crédit Suisse gezeigt, dass es geheime Konten von Kriminellen, umstrittenen Politikerinnen, Potentaten und korrupten Unternehmern gab. Und zweitens wurde klar: Schweizer Journalistinnen und Journalisten konnten sich nicht an den Enthüllungen beteiligen, weil ihnen seit der Revision von Artikel 47 des Bankengesetzes 2015 ein Strafverfahren und eine Gefängnisstrafe von bis zu drei Jahren droht, wenn sie über geleakte Bankdaten berichten.

Verschiedene Organisationen und Verbände hatten in der Folge gefordert, dass Artikel 47 aufgehoben oder angepasst wird. Auch Reporter ohne Grenzen Schweiz äusserte sich entsprechend: «Nach Ansicht unserer Organisation stellt Artikel 47 des Bankengesetzes in seiner derzeitigen Form eine unannehmbare Bedrohung für die Pressefreiheit dar.»

Verschiedene Parlamentarierinnen und Parlamentarier verlangten mit Vorstössen ebenfalls zumindest eine Entschärfung des Artikels. Ein erster Versuch misslang. Im Mai hörte die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats (WAK-N) Vertreter der Schweizerischen Bankiervereinigung sowie Experten für Wirtschaftskriminalistik und für Medienrecht an – und entschied dann mehrheitlich, es bestehe «kein gesetzgeberischer Handlungsbedarf». Dies, weil sich die Schweizer Banken über die letzten Jahre in Bezug auf die Prävention von Geldwäscherei und anderen wirtschaftskriminellen Aktivitäten stark weiterentwickelt hätten und den internationalen Standards entsprächen. Und weil mit einer Anpassung des Bankengesetzes das Risiko bestehe, dass dadurch öffentlichen Vorverurteilungen von Privatpersonen Vorschub geleistet werde. Ausserdem, so die Kommissionsmehrheit, seien bisher noch nie Medienschaffende aufgrund einer Verletzung von Artikel 47 des Bankengesetzes gerichtlich verurteilt worden.

«Abklärungsbedarf»

Nach diesem Rückschlag kam die WAK-N jedoch im November nochmals auf das Thema zurück. Nationalrat Raphaël Mahaim (Grüne) und die SP-Fraktion hatten je eine parlamentarische Initiative zum Thema eingereicht. Die Kommission entschied Mitte November, diese seien zu eng gefasst – es bestehe aber «Abklärungsbedarf». So kam eine Motion zu Stande, die den Bundesrat auffordert, zu prüfen, ob «die aktuelle Gesetzgebung geändert werden soll, um die Pressefreiheit in Finanzplatzfragen zu gewährleisten» und gegebenenfalls eine Änderung der einschlägigen Gesetze vorzuschlagen. Mit allfälligen Änderungen soll sichergestellt werden, «dass Artikel 47 des Bankengesetzes die Pressefreiheit nicht durch Abschreckung oder strafrechtliche Sanktionen beeinträchtigen kann, wenn die Medienarbeit in gutem Glauben erfolgt».

Offenbar hat sich zwischen Mai und November bei verschiedenen WAK-Mitgliedern die Einstellung zu Artikel 47 verändert. Aber längst nicht bei allen: Der Entscheid für die Motion fiel knapp, mit 13 zu 11 Stimmen. 11 WAK-Mitglieder, die alle entweder der SVP- oder der Mitte-Fraktion angehören, sprachen sich gegen die Motion aus, weil sie befürchten, dass die Privatsphäre von Bankkunden verletzt werden könnte, «auch wenn kein öffentliches Interesse für Medieninvestigationen» bestehe.

«Der Artikel 47 im Bankengesetz verunmöglicht diese Arbeit»

Einer von Ihnen ist Mitte-Nationalrat Martin Landolt. «Wir haben uns in der Kommission bereits im Mai intensiv mit dieser Fragestellung auseinandergesetzt und Anhörungen durchgeführt», äusserte er sich gegenüber RSF Schweiz. Dabei habe sich gezeigt, dass insbesondere bei «Suisse Secrets» problemlos hätte mitrecherchiert werden können: «Das Bankkundengeheimnis schützt die Privatsphäre der Kundinnen und Kunden und nicht diejenige der Bank. Medienschaffende können, sollen und müssen deshalb ein allfälliges Fehlverhalten einer Bank publikmachen.»

Ganz anders sieht das SP-Nationalrätin Samira Marti; sie ist nicht Mitglied der WAK-N, hat aber die Parlamentarische Initiative der SP formuliert, die zur Motion geführt hat. «Es gibt sehr gute Gründe, weshalb sich Medien für Geheimnisse interessieren, die ihnen zugetragen werden. Investigativ tätige Journalistinnen und Journalisten tragen unbestrittenermassen dazu bei, wirtschaftskriminelle Handlungen von Unternehmen aufzudecken», so Marti. Journalistinnen und Journalisten übten in diesem Sinne eine wichtige Kontrollfunktion im Rahmen des Schweizer Rechtsstaats aus: «Der Artikel 47 im Bankengesetz verunmöglicht diese Arbeit und muss deshalb zwingend revidiert werden.»

In der WAK-N kam die Mehrheit für die Motion mit den Stimmen von SP, Grünen, Grünliberalen, aber auch von der FDP zustande. Dies ist ein Stück weit erstaunlich, kam doch der Vorstoss von 2010, der zur Verschärfung von Artikel 47 führte, von der FDP-Fraktion. Offenbar hat insbesondere hier ein Wandel stattgefunden.

Als nächstes Gremium wird der Nationalrat die Motion behandeln. Angesichts der Abstimmungen in der Kommission wird die Haltung der FDP-Fraktion eine entscheidende Rolle bei der Entscheidung des Plenums spielen.

Bettina Büsser, Koordinatorin Deutschschweiz von RSF Schweiz

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