Reporter ohne Grenzen (ROG) fordert die myanmarische Justiz auf, die konstruierten Vorwürfe gegen die beiden Reuters-Journalisten Kyaw Soe Oo und Wa Lone fallenzulassen. Am Montag (09.07.) hat ein Gericht nach monatelangen Voranhörungen entschieden, einen Prozess gegen sie zu eröffnen. Ihnen wird vorgeworfen, gegen ein noch aus der Kolonialzeit stammendes Gesetz zu Staatsgeheimnissen verstoßen zu haben. Die Journalisten sitzen bereits seit Mitte Dezember in Untersuchungshaft, nachdem sie über ein Massaker an der muslimischen Minderheit Rohingya recherchiert hatten. Der Prozess soll am 16. Juli beginnen, bei einer Verurteilung drohen ihnen bis zu 14 Jahre Haft.

„Kyaw Soe Oo und Wa Lone stehen für ihre Professionalität und ihre mutigen Recherchen vor Gericht. Es wird höchste Zeit, diese Justiz-Farce zu beenden, die kritische Journalisten in Myanmar abschrecken soll“, sagte Christian Mihr, Geschäftsführer von ROG Deutschland. „Kyaw Soe Oo und Wa Lone wurden durch die lange Untersuchungshaft schon genug bestraft. Die Justiz muss die beiden Journalisten sofort freilassen.“

Kyaw Soe Oo und Wa Lone wurden am 12. Dezember in eine Falle gelockt: Die Journalisten waren einer Einladung von zwei Polizisten in ein Restaurant in der Stadt Yangon gefolgt. Dort gaben ihnen die Polizisten angeblich geheime Dokumente. Anschließen wurden sie festgenommen, weil sie „wichtige und geheime Regierungsdokumente“ besitzen.

Die Anklage gegen Kyaw Soe Oo und Wa Lone basiert auf einem Gesetz zu Staatsgeheimnissen aus dem Jahr 1923, mit dem das Militär den Medien noch heute signalisiert, dass es nicht Gegenstand investigativer Berichterstattung sein möchte. Kyaw Soe Oo und Wa Lone hatten zum Zeitpunkt ihrer Festnahme über ein Massaker der Armee an Rohingya-Zivilisten im Dorf Inn Din nahe der Grenze zu Bangladesch recherchiert. Im Februar veröffentlichte die Nachrichtenagentur Reuters ihre Recherchen.

Trotz ausreichender Beweise für ihre Unschuld werden Kyaw Soe Oo und Wa Lone im Insein-Gefängnis in Yangon festgehalten. Anfang Februar weigerte sich ein Gericht in Yangon bereits zum zweiten Mal, die beiden Journalisten gegen Kaution freizulassen. Im April lehnte ein Gericht den Antrag auf Einstellung des Verfahrens gegen sie ab.

Zeugenaussage belastet Polizei

Im gleichen Monat sagte der Polizist Moe Yan Naing als Zeuge vor Gericht überraschend aus, dass Kyaw Soe Oo und Wa Lone in eine Falle getappt seien. Ein Vorgesetzter habe demnach die Übergabe geheimer Dokumente an die Journalisten angeordnet, um sie anschließend festzunehmen. Nach seiner mutigen Aussage wurde Moe Yan Naing zu einem Jahr Haft verurteilt. Reportern vor dem Gerichtsgebäude sagte er, seine Festnahme solle andere Polizisten daran hindern, die Wahrheit zu sagen.

Die Festnahme von Kyaw Soe Oo und Wa Lone wird international kritisiert. Im Dezember haben die Vereinten Nationen und das Europaparlament die Regierung in Myanmar aufgerufen, die beiden Journalisten freizulassen. Neben dem ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton fordern auch die Regierungen von Großbritannien, Kanada, der USA und anderer Länder die Freilassung. Ende März wurde bekannt, dass die bekannte Menschenrechtsanwältin Amal Clooney die Vertretung der beiden Journalisten übernommen hat.

Lage der Pressefreiheit verschlechtert sich

Neben Kyaw Soe Oo und Wa Lone sitzen fünf weitere Medienschaffende wegen ihrer journalistischen Arbeit in Myanmar in Haft. Die Regierung von Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi hat vor allem seit Beginn der Rohingya-Krise einen Großteil ihrer internationalen Glaubwürdigkeit in Fragen der Pressefreiheit verspielt. Journalisten, die sich der vorherrschenden Stimmungsmache gegen die muslimische Minderheit verweigern, werden von Extremisten massiv eingeschüchtert.

Eine Rolle spielen auch Gesetze, die zum Teil schon in der Militärdiktatur genutzt wurden, um Kritiker mundtot zu machen. Im Juni 2017 etwa wurden drei Journalisten auf Grundlage des Gesetzes über rechtswidrige Vereinigungen aus dem Jahr 1908 zwischenzeitlich festgenommen, nachdem sie über eine verbotene bewaffnete Gruppe berichtet hatten.

Allein im Jahr 2017 wurden rund 20 Journalisten strafrechtlich verfolgt, viele unter Artikel 66(d) des Telekommunikationsgesetzes aus dem Jahr 2013, das die Nutzung von Telekommunikationsnetzen zur Beleidigung anderer verbietet. Wer gegen das Gesetz verstößt, riskiert eine Haftstrafe von drei Jahren.

Auf Grundlage des Gesetzes gegen Staatsgeheimnisse verurteilte ein Gericht bereits im Juli 2014 vier Reporter und den Geschäftsführer der Wochenzeitung Unity zu je zehn Jahren Gefängnis sowie harter Arbeit. Sie hatten über die Errichtung einer geheimen Chemiewaffenfabrik berichtet. Die Journalisten kamen durch eine Begnadigung im April 2016 frei.

Auf der aktuellen Rangliste der Pressefreiheit hat sich Myanmar im Vergleich zum Vorjahr um sechs Plätze verschlechtert und steht nun auf Rang 137 von 180 Staaten. Dabei hatte Myanmar mit dem 2011 begonnenen Reformprozess zunächst erhebliche Fortschritte bei der Pressefreiheit gemacht. Die während der Militärdiktatur streng zensierten Medien hatten mehr Freiheiten erhalten.

So entließ die Regierung Anfang 2012 neben mehreren hundert politischen Häftlingen auch 17 Journalisten. Die Regierung schuf die Vorzensur für Zeitungen ab. Unabhängige Medien wie Democratic Voice of Burma, die jahrzehntelang nur aus dem Exil berichten konnten, kehrten ins Land zurück. Mitarbeiter von Reporter ohne Grenzen durften 2012 zum ersten Mal seit 25 Jahren wieder nach Myanmar reisen, nachdem die Organisation von einer Liste mit mehr als 2000 Gruppen und Personen gestrichen wurde, denen die Einreise verboten war.

 

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