Zum Welttag gegen Internetzensur am 12. März 2022 hat Reporter ohne Grenzen (RSF) die Internetseite des russischen Exilmediums Meduza wieder zugänglich gemacht, die am 4. März von den russischen Behörden gesperrt worden war. RSF fordert alle unabhängigen Medien, die von den russischen Behörden gesperrt werden, auf, die Organisation zu kontaktieren, damit auch sie von der Aktion #CollateralFreedom profitieren können. Seit 2015 hat RSF so mehr als 30 Webseiten wieder zugänglich gemacht und damit ein Zeichen gegen die weitreichende Internetzensur in vielen Staaten gesetzt.

«Ohne wirksame Gegenmassnahmen wird das russische Internet bald vollständig von Kreml-Propaganda beherrscht sein», sagte Christian Mihr, Geschäftsführer von RSF Deutschland. Der Kreml torpediert systematisch alle Online-Medien, die sich nicht an seine Desinformationsrichtlinien halten. Die Operation Collateral Freedom ermöglicht es, dem effektiv und schnell entgegenzuwirken.»

Meduza wird von russischen Exiljournalistinnen und -journalisten in der lettischen Hauptstadt Riga betrieben und verzeichnet mehr als 13 Millionen Besucher pro Monat. Am 4. März wurde Meduza aus dem russischen Internet verbannt, weil die Berichte des Mediums den offiziellen Verlautbarungen des Kremls zur Invasion in der Ukraine zuwiderlaufen. Die russischen Behörden hatten das Portal bereits vor knapp einem Jahr als «ausländischen Agenten» eingestuft und es damit den drastischen Einschränkungen unterworfen, die dieser willkürlich verliehene Status mit sich bringt. Es verlor zahlreiche Werbeverträge sowie etliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und stand zwischenzeitlich vor dem finanziellen Aus.

Um die zensierten Informationen zugänglich zu machen, «spiegelt» RSF bei der Aktion #CollateralFreedom mit technischer Unterstützung von Hackerinnen, Kommunikationstechnologie-Spezialisten und Ingenieurinnen Webseiten und legt exakte, ständig aktualisierte Kopien der Seiten auf den Cloud-Servern grosser internationaler Anbieter (Content Delivery Networks, CDNs) an. Die gespiegelte Seite von Meduza ist hier zu erreichen.

«Kollateralschaden» der Internetzensur

Die russische Regierung könnte diese gespiegelte Webseite nur sperren, indem sie den gesamten Cloud-Server blockiert. Doch damit träfe sie zugleich etliche Unternehmen, die auf Dienste derselben Anbieter angewiesen sind. Einen so grossen wirtschaftlichen und politischen «Kollateralschaden» ihrer Internetzensur scheuen die meisten Regierungen.

Seit Beginn des Krieges in der Ukraine hat die Feindseligkeit der russischen Behörden gegenüber unabhängigen Medien eine noch nie dagewesene Intensität erreicht. Der Kreml will nun alle Medien ausschalten, die sich nicht seiner Propaganda unterwerfen. Am 4. März hatte Präsident Wladimir Putin ein Gesetz unterzeichnet, das Medienschaffenden mit 15 Jahren Haft droht, wenn sie Informationen über die Invasion in der Ukraine veröffentlichen, die den Angaben von offiziellen Stellen wie dem Verteidigungsministerium widersprechen.

Zudem fiel seit dem 27. Februar eine ganze Reihe von unabhängigen Medienunternehmen der drakonisch verschärften Zensur zum Opfer. Zu den ersten gehörte Nastojaschtsche Wremja, ein Online-Fernsehsender, der von dem in Prag ansässigen US-Auslandssender Radio Free Europe/Radio Liberty betrieben wird. Zu ihnen gehörten auch das Oppositionsmedium The New Times und sogar die Studierendenzeitung Doxa. In der Folge wurden führende Vertreter des unabhängigen Journalismus in Russland wie der Online-Fernsehsender Doschd und der Radiosender Echo Moskwy gezwungen, ihre Tätigkeit einzustellen. Beide hatte die Medienaufsichtsbehörde Roskomnadsor am 1. März wegen angeblich falscher Informationen über den Krieg blockiert.

RSF will nicht hinnehmen, dass unabhängiger Journalismus in Russland auf diese Weise ausgelöscht wird, und ist deshalb bereit, Spiegelseiten für alle zensierten Medien einzurichten. RSF betreibt zudem seit 2013 zwei Server im Tor-Netzwerk und baut dieses Engagement aufgrund des massiven Drucks auf unabhängige Medienschaffende in Russland und der Ukraine momentan stark aus.

Neue RSF-Kampagne gegen Internetzensur

Zum Welttag gegen Internetzensur und angesichts der beispiellosen Angriffe, die Russland im Zuge des Krieges gegen die Ukraine auf unabhängige Medien unternommen hat, startet RSF eine weitere Solidaritätskampagne. «The Truth Wins» unterstützt Medien und Medienschaffende, die digitaler Repression ausgesetzt sind. Die Kampagne verwandelt für alle zugängliche nationale Losnummern in einen Zugangscode für unabhängigen Journalismus und bietet den Adressatinnen und Adressaten so die Möglichkeit, staatliche Zensur zu umgehen.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit 2021 steht Russland auf Platz 150 von 180 Ländern.

 

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