Der von der Schweizer Sektion von Reporter ohne Grenzen (RSF) eingerichtete Unterstützungsfonds beteiligt sich mit 5‘000 Franken an den Kosten des Berufungsverfahrens der Journalistin Jana Avanzini. Sie war vom Bezirksgericht Luzern wegen Hausfriedensbruchs verurteilt worden. Denn sie hatte sich für eine Reportage für das Online-Medium Zentralplus in einer alten Luzerner Villa aufgehalten, die vorher lange Zeit leer gestanden hatte und dann von Aktivisten besetzt worden war. RSF Schweiz erwartet, dass das Luzerner Kantonsgericht die Journalistin unter Berücksichtigung der Informationsfreiheit und der Notwendigkeit, dass die Medien Zugang zu Quellen und Informationen aus erster Hand haben, freispricht.

Jana Avanzini wurde aufgrund einer Anzeige der Firma, die Eigentümerin der Villa ist und dem Industriellen Jørgen Bodum gehört, strafrechtlich verfolgt. Sie wurde im Juni 2019 vom Luzerner Bezirksgericht zu einer Geldbusse von 500 Franken verurteilt, das Gericht auferlegte ihr zudem Gerichtskosten von fast 1‘800 Franken und einen Beitrag von 3‘000 Franken an die Anwaltskosten der klagenden Partei, vorbehältlich der zivilrechtlichen Ansprüche der letzteren. Die Journalistin hat gegen ihre Verurteilung Berufung eingelegt. Am 9. März fand eine Anhörung vor dem Kantonsgericht Luzern statt; die Entscheidung wird in Kürze erwartet.

Das erstinstanzliche Gericht hatte es der Journalistin nicht zugestanden, dass sie in so genannter «Wahrnehmung berechtigter Interessen» gehandelt habe. Der Einzelrichter räumte zwar ein, dass das Schicksal der lange Zeit leerstehenden Villa in Luzern zu einem politischen Thema geworden sei. Nach seiner Einschätzung hatte der Artikel von Avanzini jedoch keine neuen Informationen enthalten und lediglich die Atmosphäre unter den Bewohnern des Gebäudes beschrieben.

Für ROG Schweiz ist ein solches Argument nicht mit der Pressefreiheit vereinbar. Die Journalistin ging keineswegs in die Villa, um an einer illegalen Besetzung teilzunehmen, sondern um dort ihre Arbeit zu tun. Sie musste in der Lage sein, dies frei zu tun, die Bewohner zu befragen und das, was sie im Gebäude gesehen hatte, in der Form zu berichten, die ihr und ihren Redaktoren am angemessensten erschien. Es ist nicht Sache des Gerichts, die Qualität journalistischer Arbeit zu beurteilen. ROG Schweiz erwartet, dass die Luzerner Justiz diese Grundsatzfrage zu Gunsten der Informationsfreiheit entscheiden wird.

Der Unterstützungsfonds von ROG Schweiz wurde 2015 eingerichtet wurde und soll in erster Linie Medienschaffende, die in der Schweiz im Exil sind, unterstützen. Gemäss seiner Statuten kann der Fonds jedoch ausnahmsweise in der Schweiz tätige Journalistinnen und Journalisten unterstützen, die in Gerichtsverfahren verwickelt sind, welche die Informationsfreiheit grundsätzlich betreffen.

 

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