In dieser Ausgabe unseres Newsletters konzentrieren wir uns auf die Tragödie im Nahen Osten. Bezüglich getöteter Medienschaffender wurde dort ein trauriger Rekord erreicht. Innerhalb eines knappen Jahres wurden allein in Gaza mehr als 130 Journalistinnen und Journalisten getötet, 32 von ihnen in Ausübung ihres Berufs. Hinzukommen drei israelische Journalisten, die am 7. Oktober getötet wurden (einer davon in Ausübung seines Berufs), und vier Medienschaffende, die im Libanon seit den Massakern im letzten Jahr und dem anschliessenden israelischen Gegenschlag getötet wurden (drei davon in Ausübung ihres Berufs).
Diese Massaker müssen aufhören. «Bei der Frequenz, mit der Journalistinnen und Journalisten in Gaza getötet werden, wird es bald niemanden mehr geben, der Sie informieren kann», lautete der Leitspruch, den wir bei Reporter ohne Grenzen bei einer Solidaritäts- und Sensibilisierungsaktion am Donnerstag, 26. September, auf dem Place des Nations in Genf prominent auf einem Banner zeigten. In zehn weiteren Städten auf vier Kontinenten, in denen unsere Organisation vertreten ist, taten unsere Kolleginnen und Kollegen dasselbe.
Denn wenn nichts gegen das anhaltende Unrecht unternommen wird, steuern wir auf ein Informations-Blackout zu. Nebst der Tötung zahlreicher Medienschaffender in Gaza verweigert die israelische Armee palästinensischen Journalistinnen und Journalisten die Ausreise aus der Enklave. Wem es dennoch gelungen ist, auszureisen, dem wird die Wiedereinreise verweigert – genauso wie es ausländischen Medienschaffenden unmöglich ist, unabhängig in den Gazastreifen einzureisen. RSF hat diesen Zustand stets kritisiert und die internationale Gemeinschaft dazu aufgerufen, Druck auf Israel auszuüben, damit diese Informationsblockade ein Ende findet.
In unserem heutigen Newsletter kommt eine Journalistin aus Gaza zu Wort: Ola Al-Zaanoun, die Korrespondentin von RSF aus dem Gazastreifen. Sie musste sich Anfang Jahr zwar schweren Herzens dafür entscheiden, die Enklave zu verlassen. Dennoch erlebt sie den Konflikt noch immer aus nächster Nähe mit und beschreibt den Alltag von Journalistinnen und Journalisten in Gaza.
Unsere Organisation hat den Tod vieler unserer Kolleginnen und Kollegen in Gaza untersucht und wird dies auch weiterhin tun. Bei 32 der getöteten Medienschaffenden besteht gemäss Informationen von RSF der ernsthafte Verdacht, dass sie während ihrer Arbeit von der israelischen Armee ins Visier genommen und gezielt getötet wurden. Sollte sich dieser Verdacht bestätigen, wäre das nicht nur eine moralische Katastrophe, sondern auch ein klarer Fall von wiederholten Kriegsverbrechen. Und solche Verbrechen dürfen nicht ungestraft bleiben. Aus diesem Grund hat Reporter ohne Grenzen diese Fälle sowie die Resultate unserer Untersuchungen das Büro des Chefanklägers des Internationalen Strafgerichthofs weitergeleitet.
Nehmen wir nur ein Beispiel, den Fall des unabhängigen Journalisten Ibrahim Muhareb. Am Sonntag, dem 18. August, war er zusammen mit einer Gruppe anderer Journalisten auf dem Weg nach Khan Younes, um über den Rückzug der israelischen Panzer dort zu berichten. Plötzlich eröffnete einer der Panzer das Feuer auf die Gruppe von Medienschaffenden. Alle Medienschaffenden trugen eine Presseweste, die sie eindeutig identifizierte. Ein Video, das von einem Mitglied der Gruppe aufgenommen wurde, zeigt, wie sich der Panzer vom Ende einer Strasse den Journalistinnen und Journalisten näherte und auf sie schoss. Ibrahim Muhareb wurde dabei tödlich getroffen, eine weitere Journalistin wurde verletzt.
Als ob die Lebensgefahr nicht genug wäre, sind unsere Kolleginnen und Kollegen in Gaza Opfer von Hasskampagnen, die sie als Hamas-Kämpfer darstellen, die sich als Journalisten tarnen würden. Solche Anschuldigungen sind erniedrigend. Sie veranlassen uns aber auch, klarzumachen: Reporter ohne Grenzen betrachtet nur solche Personen als Journalistinnen und Journalisten, die sich ausschliesslich an das journalistische Handwerk halten und in keiner Weise an Kämpfen teilnehmen. Das ist eine Frage der Haltung, die wir verteidigen. Und wir überprüfen laufend und gewissenhaft, ob diese Haltung durch die betroffenen Medienschaffenden befolgt wird.
Aus diesem Grund halten wir es für notwendig, uns mit aller Kraft gegen die falschen Anschuldigungen solcher Propaganda auszusprechen, die vor allem versucht, palästinensische Medienschaffende ohne Beweise zu verunglimpfen und zu diskreditieren.