Seit 2011 haben Baschar al-Assad und seine Verbündeten mindestens 181 Medienschaffende getötet. Am Tag des Sturzes des Regimes durch die Gruppe Hayat Tahrir al-Sham (HTS), dem 9. Dezember 2024, befanden sich 23 Medienschaffende im Gefängnis, von zehn weiteren fehlt noch immer jede Spur, und sieben sind Opfer von erzwungenem Verschwindenlassen (enforced disappearance). Reporter ohne Grenzen (RSF) begrüsst in diesem Kontext das Ende eines der brutalsten Regime der modernen Geschichte, welches Syrien im RSF Ranking der Pressefreiheit auf Platz 179 von 180 Ländern brachte. RSF fordert darüber hinaus Gerechtigkeit für die getöteten, verletzten, inhaftierten und vermissten Reporterinnen und Reporter. Die künftigen Staatsoberhäupter müssen sicherstellen, dass nun eine neue Ära der Pressefreiheit eingeleitet wird.
Sie wurden von der syrischen Armee und ihren russischen Verbündeten in Ausübung ihres Berufs bombardiert, von Scharfschützen der Sicherheitskräfte ins Visier genommen, gefoltert und schliesslich in den Kerkern von Baschar al-Assad ermordet. Die Morde an den 181 Journalistinnen und Journalisten, die vom syrischen Regime und seinen Unterstützern getötet wurden – nach Angaben von RSF 161 vom Regime und 17 durch russische Bombardements –, dürfen nicht ungestraft bleiben.
Im Dezember, wenige Tage vor dem Sturz des Regimes und der Flucht Assads, versuchten die syrischen Streitkräfte, den Vormarsch der Rebellen, welche von der bewaffneten Gruppierung Hayat Tahrir al-Sham (HTS) angeführt wurden, aus Idlib in die Hauptstadt Damaskus aufzuhalten. Zwei Reporter, die über diese Zusammenstösse berichteten, wurden dabei von den syrischen Streitkräften getötet: Mustafa al-Kurdi, Mitarbeiter des lokalen Mediums Focus Aleppo und Korrespondent des staatlichen türkischen Mediums TRT, sowie Anas Alkharboutli, Fotojournalist für die deutsche Nachrichtenagentur DPA.
«Die brutale Herrschaft der Diktatur des Assad-Clans ist vorbei, und mit ihr – so hoffen wir – die blutige Unterdrückung der Presse in Syrien. Mit mindestens 180 Medienschaffenden, die seit 2011 vom Regime und seinen Verbündeten getötet und hingerichtet wurden, mit der jahrelangen Inhaftierung und Folterung von Reporterinnen und Reportern haben Baschar al-Assad und seine Verbündeten Syrien gemäss dem RSF-Ranking der Pressefreiheit zu einem der schlimmsten Länder der Welt für Medienschaffende gemacht. Wir fordern, dass Assad für seine Verbrechen vor Gericht gestellt wird. Dass allen Opfern seiner Übergriffe Gerechtigkeit widerfährt, die längst überfällig ist. Wir sind uns auch der Übergriffe von Mitgliedern der HTS-Gruppe gegen Medienschaffende bewusst: Wir fordern sie auf, die Verantwortlichen für diese Verbrechen zur Rechenschaft zu ziehen und alle im Land inhaftierten Journalistinnen und Journalisten, einschliesslich derer, die sie als Geiseln genommen haben, freizulassen. Die künftige Führung Syriens, wer auch immer sie sein mag, muss die Sicherheit von Medienschaffenden garantieren, damit eine freie Presse gedeihen kann.»
Jonathan Dagher
Leiter des Nahost-Büros von RSF
RSF bestätigt die Freilassung von zwei Medienschaffenden
Am Tag des Sturzes des Regimes, dem 9. Dezember, waren noch 23 Journalisten inhaftiert. Sieben weitere galten als verschwunden, nachdem sie vom Assad-Regime an einen unbekannten Ort verschleppt worden waren. Für die grosse Mehrheit von ihnen gibt es bis heute keine Beweise, dass sie noch am Leben sind. Nur ganz selten konnten Journalistinnen und Journalisten etwa aus dem berüchtigten Saydnaya-Gefängnis, das von den Überlebenden als «Hölle auf Erden» bezeichnet wird, oder aus der Haftanstalt Mazzeh, die vom mächtigen Geheimdienst der Luftwaffe betrieben wird, oder aus einer anderen Zelle des Regimes ausbrechen. Sie wurden den schlimmsten Folterungen ausgesetzt, ihnen wurde die medizinische Versorgung verweigert und einige von ihnen wurden laut Zeugenaussagen zu geheimen Hinrichtungen in Prozessen hinter verschlossenen Türen verurteilt, die innerhalb weniger Minuten abgeschlossen waren. Die Videos von Freilassungen, die in den sozialen Netzwerken auftauchen, geben vor diesem Hintergrund nun wieder neue Hoffnung.
Seit dem Sturz des Regimes haben die Rebellen damit begonnen, die Gefängnisse zu öffnen. Zum aktuellen Zeitpunkt kann RSF die Freilassung von Hanin Gebran, der Journalistin von Syria media monitor, (seit Juni 2024 inhaftiert), sowie der Bloggerin Tal al-Mallouhi, (seit 2009 wegen ihrer Arbeit vor der Revolution inhaftiert), bestätigen. Die beiden sind nach unseren Informationen seit dem 8. Dezember wieder frei.
Sechs Journalistinnen und Journalisten von HTS getötet
Verschiedene Rebellengruppen und bewaffnete Fraktionen beteiligten sich ebenfalls an der Unterdrückung von Reportern in dem von ihnen kontrollierten Gebiet. Von den 283 Journalstinnen und Journalisten, die seit 2011 in Syrien getötet wurden, soll die HTS zwischen 2012 und 2019 sechs getötet haben. Der Anführer der Gruppe, Abu Mohammed al-Julani, (mit eigentlichem Namen Ahmed Hussein al-Chareh), soll zudem für die Entführung von acht Medienschaffenden verantwortlich sein. Zwei von ihnen wurden 2013 und 2015 von der dschihadistischen Gruppe Al-Nusra, die von al-Joulani gegründet worden war, als Geiseln genommen. Im Jahr 2017 wurde Al-Nusra durch die Agglomeration anderer islamistischer Gruppen zu HTS und übernahm die Kontrolle über die Provinz Idlib. Dort entführte HTS zwischen 2018 und 2021 sechs syrische Journalistinnen und Journalisten.
Darüber hinaus wurden mehrere kurdische Medienschaffende bei Bombenangriffen in Nordsyrien im August 2024 getötet. Die damaligen Angriffe wurden von kurdischen Medien der türkischen Armee zugeschrieben. Darüber hinaus hat die radikalislamische Gruppe Islamischer Staat (IS) nach Angaben von RSF zwischen 2013 und 2017 22 Reporterinnen und Reporter in Syrien ermordet. Abgesehen von diesen Fällen ist es bis heute unmöglich, die Verantwortlichen für die Ermordung von 59 weiteren Journalistinnen und Journalisten zu identifizieren.