«Lira Baiseitova Lanceuse d’alerte» – also «Lira Baiseitova, Whistleblowerin» – heisst das neu erschienene Buch der Genfer Journalistin und Autorin Laurence Deonna. Deonna, die von 2000 bis 2003 Präsidentin der Schweizer Sektion von Reporter ohne Grenzen Schweiz war, beschreibt darin die tragische Geschichte der kasachischen Journalistin Lira Baiseitova, die heute als Geflüchtete in der Schweiz lebt.

Baiseitova wurde mit mehreren renommierten Preisen ausgezeichnet, die Medienschaffenden verliehen werden, die alles riskiert haben, um die Wahrheit aufzudecken. Doch sie bezahlte einen schrecklichen Preis für ihren beruflichen Mut. «Ich habe sie an einer Konferenz über investigativen Journalismus kennen gelernt und war von ihrer Geschichte beeindruckt», sagt die ehemalige französische Untersuchungsrichterin und Kämpferin gegen Korruption, Eva Joly, die das Vorwort zum Buch beigetragen hat.

Baiseitova hatte die Wochenzeitung Respublika 2000 gegründet; diese musste jedoch nach zwei Jahren auf Anordnung der kasachischen Behörden eingestellt werden. Im Mai 2002 führte die Journalistin ein Interview mit dem damaligen Genfer Generalstaatsanwalt Bernard Bertossa. Dieser wollte es nicht länger zulassen, dass die Genfer Banken dazu benutzt werden, Einnahmen aus weltweit begangenen Verbrechen zu verstecken. Er bestätigte im Interview mit Baiseitova, dass es in der Schweiz Konten von Funktionären des kasachischen Regimes, darunter Präsident Nursultan Nasarbajew, gebe. Der Text wurde in der kasachischen Zeitung SolDat publiziert.

Die kasachischen Behörden verziehen ihr diese Enthüllungen nie. Kurz nach der Publikation des Interviews verschwand Baiseitovas 25-jährige Tochter Leila. Sie wurde von der kasachischen Polizei verhaftet und misshandelt und starb in Haft. Ein Bericht von Reporter ohne Grenzen dokumentierte später so weit wie möglich die Umstände dieses gewaltsamen Todes, den die Behörden wie einen Selbstmord hatten aussehen lassen. Er liess Lira leider keinen Zweifel daran, dass die Schergen des Regimes Leila für den Mut ihrer Mutter hatten bezahlen lassen.

Im Bericht werden auch die Bedrohungen, denen Baiseitova ausgesetzt war, beschrieben. Noch bevor das Interview veröffentlicht wurde, wurde «ein geköpfter Hund vor den Eingang der Redaktion der Zeitung gehängt. (…) Am Tag der Veröffentlichung, am 22. Mai, griffen nicht identifizierte Personen das Redaktionsbüro an. Zwei Mitarbeiter wurden zusammengeschlagen, Informationsmaterial und Ausrüstungsgegenstände wurden gestohlen.» Gleichentags wurden in Almaty – der grössten Stadt des Landes – die Räumlichkeiten von Respublika in Brand gesetzt.

In Umfeld und Familie von Lira Baiseitova gab es weitere suspekte Todesfälle. So starb etwa ihr jüngerer Bruder nach offiziellen Angaben während einer Zugfahrt an einem Herzinfarkt, doch sein Körper war nach dem Tod übersät mit Blutergüssen.

Laurence Deonna berichtet in ihrem Buch über das zerstörte Leben der Journalistin und zeichnet gleichzeitig das Bild eines Landes, das in den chaotischen Jahren nach dem Zusammenbruch der UdSSR – dessen erstes Opfer die Bevölkerung war – von Korruption vergiftet war. Eines Landes, in dem Gewalt, als Unfall getarnter Mord, Einschüchterung und Drohungen für Regierung und Staatsapparat Routinemethoden sind.

Kasachstan belegte 2019 auf der jährlich veröffentlichten Rangliste der Pressefreiheit Platz 158 von 180 Ländern. In ihren Ausführungen zu Kasachstan schreibt die Organisation, dass «die wichtigsten nationalen Oppositionsmedien 2013 alle verboten wurden, die verbliebenen werden mit Gerichtsverfahren überzogen und selbst unkritische Titel werden jetzt ins Visier genommen. Das Internet wird streng kontrolliert: Regelmässig wird der Zugang zu Nachrichtenseiten, sozialen Netzwerken und Informationsangeboten unterbrochen, die Überwachung ist weitreichend, Blogger werden ins Gefängnis oder sogar in die Psychiatrie eingeliefert… Es ist höchste Zeit, dieses Erbe der Zensur aus der Zeit von Präsident Nasarbajew, der 2019 zurücktrat, zu beenden.»

Denis Masmejan, Generalsekretär RSF Schweiz

Laurence Deonna: Lira Baiseitova, Lanceuse d’alerte, Éditions de l’Aire, 2020 (141 S.)

 

 

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