Am 7. Januar 2015 wurde die Redaktion der französischen satirischen Wochenzeitschrift Charlie Hebdo durch einen Terroranschlag ausgelöscht. Reporter ohne Grenzen (RSF) gedenkt heute dieser Journalisten und Karikaturisten, die aufgrund ihrer Arbeit getötet und verletzt wurden. Gleichzeitig warnt RSF davor, dass auch zehn Jahre nach Charlie Hebdo der Schutz von Karikaturisten und deren Informationsfreiheit dringlich und notwendig bleibt. Von Inhaftierungen wegen «Untergrabung der Staatsgewalt» in China über Einschüchterungen in Nicaragua bis hin zu Anklagen wegen «Missachtung des Gerichts» in Indien… 20 ikonische Fälle aus den letzten zehn Jahren veranschaulichen das Ausmass der Bedrohungen und Behinderungen, denen satirische Karikaturisten in aller Welt ausgesetzt sind.
Zehn Jahre nach dem Massaker in der Redaktion von Charlie Hebdo, bei dem acht Mitarbeiter ums Leben kamen, kann die Sicherheit der Mitarbeiter der satirischen Wochenzeitung noch immer nicht als selbstverständlich betrachtet werden. Die Mitarbeitenden stehen unter starkem Polizeischutz, im September 2020 kam es vor ihren ehemaligen Räumlichkeiten zu einem weiteren Anschlag – zwei Mitarbeiter der Dokumentarfilmproduktionsfirma Premières Lignes wurden von einem Angreifer mit einem Hackbeil attackiert. Der Prozess wurde am 6. Januar eröffnet.
Im Januar 2023 wurde die Redaktion dann von iranischen Behörden angegriffen, die Druck auf die französische Regierung ausübten und Drohungen gegen die Redaktion aussprachen. Zuvor waren Karikaturen des «Obersten Führers» Ali Chamenei sowie von iranischen Mullahs veröffentlich worden. Die Zeitung wird ausserdem in der Türkei wegen «Beleidigung von Präsident Recep Tayyip Erdogan» strafrechtlich verfolgt, nachdem sie im Oktober 2020 eine Karikatur des Präsidenten veröffentlicht hatte. Seit der Anhörung in erster Instanz im November 2021 steht das Verfahren gegen vier ihrer Mitglieder noch immer aus. Ihnen droht eine Haftstrafe von jeweils mehr als vier Jahren.
Diese juristischen Mittel gehören neben der Zensur zu den bevorzugten Unterdrückungsinstrumenten von Staaten, die jegliche Kritik zum Schweigen bringen wollen. Etwa in China, das im Ausland vermehrt Druck ausübt, um zu zensieren oder Karikaturisten, die es wagen, das Regime zu kritisieren, ausliefern zu lassen. So sollen diese hinter Schloss und Riegel gebracht werden. Die weiteren Mittel in vielen anderen Ländern weltweit sind vielfältig: juristische Schikanen, Zensur, Inhaftierung, Verleumdungskampagnen, Einschüchterungen… Zwanzig ikonische Fälle von Angriffen auf die Pressefreiheit von Karikaturisten und Satirikern im letzten Jahrzehnt zeigen das Ausmass der Behinderungen karikaturistischer Arbeit weltweit.
«Trotz des abscheulichen Mordanschlags auf ihre Redaktion – das grösste Massaker an Medienschaffenden in Frankreich seit dem Zweiten Weltkrieg –, trotz der Drohungen und Angriffe, die in den letzten zehn Jahren immer wieder auf die Zeitung zielten, haben die Karikaturisten von Charlie Hebdo nie ihre Stifte niedergelegt. RSF würdigt die Redaktion, die den universellen Kampf für das Recht auf Information fortsetzt, und erinnert daran, dass die Demokratien angesichts der Versuche, die «Diffamierung von Religionen» zu kriminalisieren, nicht nachgeben dürfen. Zehn Jahre nach der Tragödie von Charlie Hebdo ist es noch immer notwendig, diese Medienschaffenden sowie ihre Freiheit mit der Kraft des Humors zu informieren und zu schützen. Denn überall auf der Welt greifen Fanatiker, Diktatoren und Mächtige weiterhin Karikaturisten an, um die Freiheit der satirischen Presse zu behindern. Der Raum der Pressekarikatur darf unter diesem Druck nicht eingeschränkt werden.»
Thibaut Bruttin
Generaldirektor von RSF
20 emblematische Fälle in zehn Jahren
- Ashraf Omar, Ägypten: seit fünf Monaten in Untersuchungshaft ohne Beweise, aber wegen zahlreicher falscher Anklagen
- Ricardo Clement «Alecus», El Salvador: Einschüchterungswelle über soziale Netzwerke
- Jimmy Spire Ssetongon, Uganda: Angst um sein Leben
- Al-Hudood, Jordanien: Satire wird blockiert
- Rachita Taneja, Indien: Ihr droht eine sechsmonatige Haftstrafe wegen «Missachtung der Gerichte»
- Manjul, Indien: Zwei Anträge gegen ihre Veröffentlichungen auf ihrem X-Account
- Ahmed Kabir Kishore, Bangladesch: Während der Covid-19-Pandemie wegen einer Zeitung mit Karikaturen in Haft gefoltert
- Opptertus «Optatus» Fwema, Tansania: zwei Wochen Haft wegen einer Karikatur der Präsidentin
- Zehra Ömeroglu, Türkei: Sechsmonatige bis dreijährige Haftstrafe droht wegen «Obszönität»
- Musa Kart, Türkei: 14 Monate Haft wegen «Unterstützung einer illegalen Organisation»
- Tempo Magazine, Indonesien: Einschüchterungen durch religiöse und politische Gruppen
- Jaime Andrés Poveda «Bacteria», Kolumbien: Verfolgt wegen «schwerer Verleumdung»
- Pedro X. Molina, Nicaragua: Symbol für die Verfolgung kritischer Stimmen unter dem Ortega-Murillo-Regime
- Badiucao, China: Ausstellungen auf Druck der Regierung hin abgesagt
- Ramon Esono Ébalé, Äquatorialguinea: angeklagt wegen «Produktfälschung» und «Geldwäscherei»
- Jiang Yefei, China: Als Flüchtling ausgeliefert und wegen «Untergrabung der Staatsgewalt» zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt
- Wong Kei-kwan «Zunzi», Hongkong: regelmässige Zensur, die eine 40-jährige Zusammenarbeit beendet hat
- Ah To, Hongkong: Beendigung der Zusammenarbeit und Flucht ins Exil
- Bill Leak, Australien: Todesdrohungen wegen einer Karikatur
- Sakda Sae-iew oder «Sia Thairath», Thailand: Vorladung zu einer «Anpassung der eigenen Einstellung»