RSF hat offizielle Anträge beim Internationalen Strafgerichtshof (IStGH / ICC) eingereicht, damit palästinensische Medienschaffende, die im Gazastreifen Opfer israelischer Angriffe geworden sind, uneingeschränkt an den laufenden Ermittlungen teilnehmen können. Die Organisation setzt sich dafür ein, dass sie in internationalen Gerichtsverfahren als Opfer anerkannt werden.
RSF hat bereits vier Klagen wegen Kriegsverbrechen an Journalistinnen und Journalisten in Gaza vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) eingereicht und setzt nun den entschlossen Kampf fort, um die Verbrechen gegen die palästinensische Presse vor die internationale Justiz zu bringen. Derzeit stellt RSF mehrere Anträge auf Opferbeteiligung beim Strafgerichtshof, damit Journalistinnen und Journalisten aus Gaza als anerkannte Opfer – und nicht nur als Zeugen – uneingeschränkt am Gerichtsverfahren teilnehmen können.
Wenn diese einen solchen Status erhalten, können sie insbesondere vor Gericht die direkten und persönlichen Schäden geltend machen, die ihnen durch die israelischen Streitkräfte zugefügt wurden. Die Anerkennung ihres Opferstatus ist ein erster Schritt auf dem Weg zur Wiedergutmachung – und zugleich eine Voraussetzung für die Wahrung der Pressefreiheit und der Integrität des Journalismus in Konfliktgebieten.
Seit Oktober 2023 haben die israelischen Streitkräfte fast 200 Medienschaffende in Gaza getötet, darunter mindestens 44 aufgrund ihrer journalistischen Tätigkeit, wie RSF berichtet. In der belagerten Enklave, zu der ausländische Journalistinnen und Journalisten keinen Zugang haben, sehen sich lokale Medienschaffende mit der Zerstörung ihrer Häuser und Redaktionen durch israelische Bombardements konfrontiert und sind angesichts der katastrophalen humanitären Lage ständig zur Flucht gezwungen.
«Das Recht der Opfer auf Teilnahme an den Ermittlungen vor dem IStGH ist ein wesentlicher Mechanismus, damit endlich das unermessliche Leid anerkannt wird, das palästinensischen Medienschaffenden in Gaza zugefügt wurde. Diese sind Ziel einer beispiellosen, systematischen Unterdrückung.»
Clémence Witt, Jeanne Sulzer
Rechtsanwältin in Paris und Barcelona; Anwältin auf der Liste des IStGH
«Es muss endlich Gerechtigkeit für die Medienschaffenden in Gaza geben. Die Verbrechen der israelischen Armee gegen sie müssen aufhören. RSF fordert weiterhin unermüdlich Gerechtigkeit und Wiedergutmachung. Das neuerliche Verfahren vor dem IStGH ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung: Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Journalistinnen und Journalisten als Opfer daran teilnehmen können. Sie müssen über die beispiellose Gewalt berichten, der die Presse in Gaza ausgesetzt ist. Dies ist ein weiterer Schritt, um die israelische Armee und ihre Führung für die Verbrechen zur Verantwortung zu ziehen, die bis heute ungestraft auf palästinensischem Gebiet begangen werden.»
Jonathan Dagher
Leiter des Nahost-Desks von RSF
Eindringliche Berichte über schwere Menschenrechtsverletzungen
RSF stellt mehrere Anträge auf Teilnahme von Medienschaffenden aus Gaza. Die ersten betreffen den Journalisten der Agence France-Presse (AFP), Adel Al Zaanoon und seine Frau Ola Al Zaanoon, Korrespondentin von RSF in Gaza. Deren Haus wurde bei einem israelischen Luftangriff am 11. April 2024 vollständig zerstört. Wie durch ein Wunder blieben sie dabei unverletzt, verloren jedoch ihr gesamtes Hab und Gut. Ein Antrag auf Teilnahme am Verfahren wurde auch für den Reporter Diaa al-Kahlout gestellt, Leiter des Büros des Medienunternehmens Al-Araby Al-Jadeed (The New Arab) in Gaza. Er wurde mehr als einen Monat lang willkürlich im Lager der israelischen Militärbasis Sde Teiman festgehalten, nachdem er aus seinem Haus in Beit Lahia entführt worden war. Er wurde dabei gedemütigt und gefoltert. Eine vierte Journalistin aus Gaza, die aus Sicherheitsgründen anonym bleiben möchte, wurde bei einem Angriff, bei dem auch einer ihrer Kollegen getötet wurde, von israelischen Schüssen getroffen. Dabei waren alle klar als Reporter erkennbar. Die Journalistin erlitt einige Monate später bei einem zweiten Angriff in der Nähe ihres Arbeitsplatzes erneut Verletzungen.
Ein neuartiger rechtlicher Ansatz, um Straflosigkeit zu bekämpfen
Die ersten Teilnahmegesuche wurden gemäss Art. 68 des Römer Statuts an den Leiter der Abteilung für Opferbeteiligung und Wiedergutmachung des IStGH, Philipp Ambach, übermittelt. Seit Oktober 2023 hat RSF bereits vier Beschwerden beim IStGH eingereicht, in denen Kriegsverbrechen und gezielte Angriffe auf Journalistinnen und Journalisten in Gaza sorgfältig dokumentiert sind. Am 7. Januar 2024 teilte die Staatsanwaltschaft des IStGH über RSF mit, dass die Verbrechen gegen Medienschaffende in die Ermittlungen des Anklägers zur Lage in Palästina einbezogen worden seien.