Ihsane El Kadi hat nach 22 Monaten im Gefängnis endlich seine Freiheit wiedererlangt. Der Direktor von Radio M und Maghreb Émergent wurde am Donnerstag, 30. Oktober, von Präsident Abdelmadjid Tebboune begnadigt. Reporter ohne Grenzen (RSF) begrüsst diese Massnahme, die die Organisation in Vergangenheit bereits wiederholt gefordert hatte.
Die Nachricht, die schon seit Monaten ein Gerücht war, ist nun offziell: Der algerische Präsident Abdelmajid Tebboune hat den Journalisten Ihsane El Kadi (Foto: RSF) anlässlich des 70. Jahrestags der Revolution des 1. November (1954) begnadigt.
«Wir nehmen die Freilassung von Ihsane El Kadi mit grosser Erleichterung zur Kenntnis. Dieser Schritt beendet das mehr als 23 Monate dauernde Unrecht dieses grossartigen Journalisten und seiner Familie. RSF erinnert daran, dass El Kadi niemals hätte inhaftiert werden dürfen. Es bleibt zu hoffen, dass seine Freilassung nun ein Signal für ein Ende der Einschränkungen der Pressefreiheit in Algerien ist.»
Khaled Drareni
RSF-Vertreter in Nordafrika
Durch die Begnadigung am Donnerstag, 31. Oktober, konnte Ihsane El Kadi endlich das Gefängnis El Harrach in der Hauptstadt Algier verlassen. Dort war er seit dem 29. Dezember 2022 inhaftiert. Am 2. April 2023 wurde der Medienunternehmer schliesslich vom Gericht in Sidi Mhamed zu fünf Jahren Haft, davon drei Jahre ohne Bewährung, verurteilt. Am 18. Juni desselben Jahres wurde er in einem Berufungsverfahren zu sieben Jahren Haft, davon fünf Jahre ohne Bewährung, verurteilt. Der Grund: Er habe «Gelder und Vorteile ausländischer Herkunft für politische Propaganda» erhalten sowie «die Sicherheit des Staates […] und die öffentliche Ordnung verletzt». Diese Anschuldigung wurde jedoch während des Prozesses nicht belegt. Es handelte sich um Geldbeträge, die ihm seine Tochter geschickt hatte, um die Gehälter der Angestellten zu bezahlen. El Kadis Tochter lebt in London und ist Aktionärin von Interface Médias ist, dem Unternehmen von Ihsane El Kadi und gleichzeitig Verlag von Radio M und Maghreb Émergent.
Der Medienunternehmer im Gefängnis, seine Medien geknebelt
Ihsane El Kadis Medien, Radio M, mussten am 19. Juni 2024 ihren Betrieb einstellen, nachdem die Auflösung von Interface Médias am 13. Juni 2024 gerichtlich bestätigt worden war. Das Berufungsgericht in Algier bestätigte ausserdem die Beschlagnahmung seiner Vermögenswerte sowie eine Geldstrafe von zehn Millionen algerischen Dinar (ca. 70’000 Euro). Ausserdem sollte El Kadi eine Entschädigung in Höhe von einer Million Dinar (ca. 7’000 Euro) an die Regulierungsbehörde für audiovisuelle Medien («Autorité de régulation de l’audiovisuel») bezahlen.
RSF führte eine umfassende internationale Kampagne für die Freilassung des in Algerien und im Ausland wegen seiner Unabhängigkeit und Geradlinigkeit geachteten Journalisten. Die Organisation wandte sich unter anderem an die Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen für die Förderung und den Schutz des Rechts auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäusserung sowie an die «Media Freedom Coalition». Ausserdem versammelte RSF 16 Chefs von Nachrichtenredaktionen aus 14 Ländern (darunter den Friedensnobelpreisträger Dmitri Muratow), um El Kadis Freilassung zu fordern. Die von RSF initiierte internationale Petition für seine Freilassung hat brachte mehr 20’000 Unterschriften zusammen, von denen die ersten 13’000 vor der algerischen Botschaft in Paris abgegeben wurden.
Die Journalisten der Nachrichtenseite Algeria Scoop, Omar Ferhat und Sofiane Ghirous, die sich seit Juni 2024 in Untersuchungshaft befanden, wurden am Donnerstag, den 30. Oktober ebenfalls freigelassen. Sie waren wegen eines auf ihrem Medium veröffentlichten Videos in Untersuchungshaft, das Jugendliche aus der Sahara zeigt, die sich über Marginalisierung beklagen.
Algerien belegt der RSF-Weltrangliste der Pressefreiheit 2024 Platz 139 von 180 Ländern.