Wie machen sie es? Wie leben und arbeiten die palästinensischen Journalistinnen und Journalisten im Gazastreifen (Foto Keystone/Xinhua/Chen Junqing)? «Unsere Arbeitsbedingungen sind grauenvoll. Wir riskieren überall unser Leben unter den Bombenangriffen, auf unseren Reisen wie auch, wenn wir im Büro bleiben», sagte der Fotograf Mahmud Hams von Agence France Presse (AFP) der Tageszeitung Le Monde in einem am 13. Oktober veröffentlichten Artikel.

Die Liste der getöteten Medienschaffenden wird fast täglich länger. In den ersten zehn Tagen nach den Massakern, die der bewaffnete Arm der Hamas am Samstag, den 7. Oktober, auf israelischem Gebiet verübte, und dem Beginn der Gegenmassnahmen Israels zählte unsere Organisation bereits zehn Journalisten, die bei der Ausübung ihres Berufs getötet wurden, acht davon im Gazastreifen. Neun weitere Medienschaffende starben in ihren Häusern bei Bombenangriffen. RSF versucht herauszufinden, ob sie aufgrund ihrer Arbeit gezielt angegriffen wurden. Denn laut den Genfer Konventionen zum humanitären Völkerrecht müssen Journalisten gleich wie Zivilisten behandelt werden und dürfen nicht zu militärischen Zielen werden. Zielt eine der Kriegsparteien auf Personen, die als Medienschaffende identifiziert sind, oder auf Gebäude, in denen ausschliesslich Medien untergebracht sind, muss dies als Kriegsverbrechen angesehen werden.

Eine «schnelle, transparente und gründliche» Untersuchung

Auf der israelischen Seite der Grenze wurde Yaniv Zohar, Fotograf der hebräischsprachigen Tageszeitung Israel HaYom und ehemaliger Korrespondent der Nachrichtenagentur AP in Israel, am Morgen des 7. Oktober zusammen mit seiner Familie an seinem Wohnort, dem Kibbuz Nahal Oz, von Hamas-Mitgliedern ermordet. Der libanesische Journalist Issam Abdallah, der für die Nachrichtenagentur Reuters arbeitete, wurde bei einem Luftangriff im Südlibanon nahe der Grenze zu Israel getötet, als er über Feuergefechte zwischen der Hisbollah und der israelischen Armee berichtete. Bei dieser Gelegenheit wurden auch sechs weitere Journalisten verletzt, darunter zwei Vertreter von Agence France Presse (AFP).

«Issam Abdallah wurde beim Filmen getroffen», erklärte Alessandra Galloni, Chefredaktorin von Reuters, in einem Video. «Zeugen vor Ort sagten, dass die Granate, die ihn tötete, aus Israel kam», sagte sie. «Er war ein erfahrener, talentierter und leidenschaftlicher Journalist, der nur seinen Beruf ausübte, als er getötet wurde.» Abdallah gehörte zu einer Gruppe von Journalisten, die eindeutig als solche gekennzeichnet und vorschriftsgemäss akkreditiert waren. Galloni rief «alle Parteien» dazu auf, «alle Medien» zu respektieren und mit ihnen zusammenzuarbeiten, um die Sicherheit und den Schutz der Medienschaffenden zu gewährleisten. Sie erwarte nun, dass eine «schnelle, transparente und gründliche» Untersuchung die Umstände, die zum Tod ihres Mitarbeiters führten, aufklären werde.

Während der Gazastreifen weiterhin täglich von extrem intensiven Bombenangriffen betroffen ist, sind die palästinensischen Journalisten – die einzigen, die sich in dem Gebiet aufhalten dürfen – gezwungen, unter ausserordentlich exponierten und unsicheren Bedingungen zu arbeiten. Nach Informationen unserer Kollegen vom internationalen Sekretariat von RSF mussten etwa 50 von ihnen ihre Wohn- und Arbeitsorte nach dem israelischen Evakuierungsbefehl überstürzt verlassen und konnten weder ihre Arbeitsgeräte noch ihre Daten oder ihre Schutzausrüstung mitnehmen. Darüber hinaus wurden Gebäude, in denen viele palästinensische Medien untergebracht waren, durch die anhaltenden Bombenangriffe zerstört. Die meisten der 24 Radiosender im Gazastreifen wurden entweder durch Luftangriffe oder weil sie nicht mehr über den nötigen Treibstoff für ihre Generatoren und damit für den Betrieb verfügten, ausser Betrieb gesetzt.

Medienblockade

Einige Journalisten in Gaza versuchen dennoch, ihre Arbeit fortzusetzen, und weigern sich, die Stadt zu verlassen, wie es die israelischen Streitkräfte von der Zivilbevölkerung verlangen. Die Journalistin Céline Martelet, Sonderkorrespondentin des Westschweizer Fernsehens RTS, die noch im Januar in Gaza war, berichtete im Gespräch mit RTS aus Tel Aviv von einem ihrer engen palästinensischen Kollegen, der «jeden Tag vor Ort ist, um seine Arbeit zu machen», damit zu der von Israel verhängten Blockade nicht auch noch eine Medienblockade hinzukomme.

Man sagt, dass die Wahrheit immer das erste Opfer eines Kriegs ist. Die Ereignisse, die derzeit den Nahen Osten verwüsten, bilden hier keine Ausnahme. Die prekären und ausserordentlich riskanten Bedingungen, unter denen die einzigen palästinensischen Journalisten in Gaza arbeiten, und die Unmöglichkeit für ausländische Journalisten, den Gazastreifen zu betreten, begünstigen Manipulationen, «auf beiden Seiten», wie Céline Martelet in ihrem Interview betonte.

In diesem speziellen Fall neigt die emotionale Explosion, die die von der Hamas verübten Massaker – verständlicherweise – in Israel und anderswo ausgelöst haben, dazu, jede Nuance, die am « Narrativ » des Konflikts vorgenommen wird, verdächtig erscheinen zu lassen. Und Informationen sind, wie alle Journalistinnen und Journalisten wissen, keine Narrative…

Denis Masmejan, Generalsekretär von RSF Schweiz

 

 

 

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