Anlässlich des Internationalen Tags der Frau am 8. März 2025 beleuchtet Reporter ohne Grenzen Schweiz die anhaltenden Herausforderungen, mit denen Journalistinnen in der Schweiz und weltweit konfrontiert sind. Die #MeToo-Bewegung hat zweifellos einen Wendepunkt innerhalb des Berufsstandes markiert, aber Ungleichheiten und Bedrohungen bestehen weiterhin. In der Schweiz haben sich Verbände und Bewegungen etabliert, um die Arbeitsbedingungen von Frauen und Angehörigen geschlechtlicher Minderheiten innerhalb des Berufsstandes zu verbessern.

Als Journalistin zu arbeiten bedeutet an vielen Orten der Welt, das eigene Leben zu riskieren, da Frauen oft vielfältigen Bedrohungen und Gewalt ausgesetzt sind. Diese gehen von Cybermobbing über körperliche Angriffe bis hin zu missbräuchlichen Gerichtsverfahren und in extremen Fällen sogar zu Mord. Vielerorts bedeutet der Beruf der Journalistin für eine Frau, sich in einem feindlichen Umfeld zurechtzufinden, in dem die Suche nach Informationen dramatische psychische und physische Folgen haben kann.

Die Schlussfolgerungen des RSF-Berichts über den Journalismus im Zeitalter von #MeToo

Wie RSF in seinem im Oktober 2024 veröffentlichten Bericht «Journalismus im Zeitalter von #MeToo» in Erinnerung rief, hat die 2017 in den Medien aufgegriffene Bewegung zu einer stärkeren Berichterstattung über Geschlechterfragen, geschlechtsspezifische und sexuelle Gewalt  beigetragen. Auch übergreifende Themen im Zusammenhang mit den Rechten von Frauen und Minderheiten wurden stärker beleuchtet. Die exklusive Umfrage von RSF unter 113 Journalistinnen und Journalisten in fast ebenso vielen Ländern ergab jedoch, dass es weltweit noch immer mehr als 25 % von ihnen für gefährlich halten, an solchen Themen zu arbeiten. Diese Gewalt nimmt verschiedene Formen an: Vergewaltigungsdrohungen, sexuelle Beleidigungen, Deepfakes pornografischer Natur, Cybermobbing, Morddrohungen, körperliche Übergriffe.

RSF weist insbesondere auf das Ausmass von Cyberbelästigung gegen Journalistinnen, die über solche Themen berichten, hin. Fast 60 % der weltweit von RSF befragten Frauen berichten von mindestens einem Fall in ihrem Umfeld, in dem eine Journalistin, die sich mit Frauenrechten befasst, Opfer von Cyberbelästigung wurde. Das hat erhebliche Konsequenzen für deren Arbeit. Die Auswirkungen reichen von Selbstzensur bis hin zu Folgen für die Sicherheit und die psychische Gesundheit der betroffenen Journalistinnen sowie deren Familien.

Die Straflosigkeit solcher Verbrechen bleibt allerdings viel zu oft bestehen: 93 % der von RSF befragten Journalistinnen gaben im Bericht an, keine Kenntnis von Verurteilungen für solche Gewalttaten zu haben.

Sevinj Vagifgizi (Aserbaidschan), Frenchie Mae Cumpio (Philippinen), Pham Doan Trang (Vietnam), Sandra Muhoza (Burundi) – das sind die Namen von Journalistinnen, deren Schicksale die Bedrohungen veranschaulichen, denen ihre Kolleginnen auf der ganzen Welt ausgesetzt sind. Auch in Afghanistan ist seit der Machtübernahme durch die Taliban die Eliminierung der Frauen aus dem Medienbereich und dem Journalismus eine brutale Realität. Mehr als vier von fünf Frauen haben in Afghanistan in den letzten drei Jahren ihren Job als Journalistin verloren.

RSF setzt sich seit Jahren für inhaftierte Medienschaffende ein. In diesem Jahr besteht die Liste prioritärer Fälle von RSF nun auch zum ersten Mal in ihrer Geschichte ausschliesslich aus Frauen.

Für RSF hat der thematische Journalismus zu diesen Sachverhalten Priorität. Hier finden Sie unsere Empfehlungen an Staaten, Polizei- und Justizbehörden, Plattformen und Redaktionen. 

Initiativen in der Schweiz

Obwohl die Situation von Journalistinnen in der Schweiz nicht mit der in den oben genannten Ländern vergleichbar ist, sind auch hierzulande Probleme offensichtlich. Frauen sind in Führungspositionen von Medien signifikant untervertreten, haben oft grössere Schwierigkeiten bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf aufgrund mangelnden flexiblen Arbeitsmodellen und aufgrund einer Kultur der ständigen Verfügbarkeit. Darüber hinaus beeinflussen geschlechtsspezifische Vorurteile weiterhin den Beruf, da Frauen seltener als Expertinnen oder Entscheidungsträgerinnen vertreten sind. In den letzten Jahren sind jedoch in der Schweiz mehrere Initiativen entstanden, die von Medienunternehmen oder Fachleuten aus der Branche getragen werden.

Die 2019 gestartete Initiative «EqualVoice» der Ringier-Gruppe zielt darauf ab, die Gleichstellung in den Medien zu fördern, indem sie versucht, die Sichtbarkeit von Frauen zu erhöhen und ihnen gleichzeitig einen gleichberechtigten Ausdrucksraum wie Männern zu bieten. Der eigens dafür entwickelte Algorithmus, der «EqualVoice Factor», ermöglicht es, die Präsenz von Frauen in Titeln, Bildern und Texten von Medieninhalten zu messen. Ergänzend hat EqualVoice eine Expertinnenliste eingerichtet, ein Verzeichnis, das Medienschaffenden den Zugang zu weiblichen Expertinnen erleichtern soll. 

Der EqualVoice-Faktor zeigt im übrigen eine positive Tendenz hin zu einer grösseren Geschlechtergleichheit in den Medienberichten der Ringier-Gruppe im Jahr 2024 im Vergleich zum Vorjahr. Johanna Walser, Kommunikationsdirektorin bei Ringier, fügt jedoch hinzu: «Trotz positiver Entwicklungen bleiben Herausforderungen bestehen. In bestimmten journalistischen Bereichen wie Wirtschaft und Sport ist der Frauenanteil in den Berichten geringer als der Männeranteil.»

Das Schweizer Netzwerk MedienFrauen ist eine weitere Initiative, die darauf abzielt, Frauen in der Schweizer Medienbranche zu vernetzen und ihre Sichtbarkeit zu erhöhen. MedienFrauen unterstützt Frauen durch gezielten Austausch, Weiterbildung und erhöhte Sichtbarkeit, damit sie ihre Karriere aktiv gestalten können.

«In einem Land mit mehrsprachigen Medienstrukturen wie der Schweiz ist es wichtig, dass vielfältige Perspektiven vertreten sind, sowohl in den Redaktionen als auch in den Führungspositionen», erklären die Co-Präsidentinnen von MedienFrauen, Giulia Cresta und Nadia Kohler, gegenüber RSF Schweiz. «Frauen sind in den Führungsetagen der Schweizer Medien immer noch unterrepräsentiert, auch wenn wir erfreut feststellen konnten, dass Ringier und Tamedia von Frauen geleitet werden. Es reicht nicht aus, nur CEOs zu haben», fügen sie hinzu.

Die Schweiz belegt Platz 9 im RSF-Ranking der Pressefreiheit von 2024.

Sophie Sager
RSF Schweiz

 

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