Vor 14 Jahren wurde der türkisch-armenische Journalist und Intellektuelle Hrant Dink ermordet, demnächst wird eine neue Anhörung im Prozess gegen die mutmasslichen Mörder vor dem Istanbuler Schwurgericht stattfindet. Reporter ohne Grenzen (RSF) fordert die türkischen Behörden auf, endlich alle an diesem Mord Beteiligten zu identifizieren und vor Gericht zu stellen.

Am 19. Januar 2007 wurde der türkisch-armenische Journalist und Schriftsteller Hrant Dink, Gründer der zweisprachigen Wochenzeitung Agos, vor den Büros seiner Zeitung in Istanbul durch mehrere Schüsse getötet. Dieser Mord hat die türkische Gesellschaft nachhaltig geprägt, denn Dink war ein unermüdlicher Kämpfer für die Demokratisierung seines Landes und die Versöhnung zwischen Türken und Armeniern.

Am 22. Januar wird die 14. Kammer des Istanbuler Landgerichts die letzten Plädoyers der in diesem Fall inhaftierten Angeklagten hören, nämlich des ehemaligen Leiters der Geheimdienstabteilung der Nationalen Polizei, Ramazan Akyürek, des ehemaligen Leiters der Geheimdienstabteilung, Ali Fuat Yilmazer, des Gendarmen Muharrem Demirkale und des Journalisten Ercan Gün. Das Datum des Urteils wird am Ende der Verhandlung bekannt sein.

Anfang Januar 2021 verhaftete das Istanbuler Schwurgericht drei Unteroffiziere der Gendarmerie – Veysel Sahin, Volkan Sahin und Okan Simsek – unter der Anklage, «ihre Vorgesetzten nicht alarmiert zu haben, als sie von den Vorbereitungen für einen Anschlag auf Hrant Dink wussten».

In den vergangenen 14 Jahren wurden insgesamt 76 Personen beschuldigt, an der Ermordung von Dink beteiligt gewesen zu sein. Es gab eine Reihe von Prozessen , doch sie kamen nie zu einem klaren und zufriedenstellenden Ergebnis. Denn die Verbindungen zwischen dem Täter, dem zum Zeitpunkt der Ereignisse 17-jährigen Ogün Samast, und den Strafverfolgungs- und Geheimdienstbehörden, dem Millî ?stihbarat Te?kilat? (M?T), haben sich als komplex und politisch manipulierbar erwiesen.

Die Untersuchung schloss bestimmte Beamte aus, die mit dem türkischen Generalstab und M?T verbunden sind. Die Justizbehörden entschieden auch, 26 Personen zu verschonen, die als verantwortlich für eine Verleumdungs- und Hasskampagne gegen Dink angesehen werden – eine Entscheidung, die der Anwalt der Familie Dink, Hakan Bakircioglu, 2019 vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EMRG) brachte. Dies ist das zweite Mal, dass der EGMR um ein Urteil im Zusammenhang mit dem Mord gebeten wurde. Im September 2010 verurteilte er die Türkei zur Zahlung von 133.000 Euro Entschädigung, weil sie Dink nicht geschützt und dessen Recht auf freie Meinungsäusserung verletzt habe.

«Die türkischen Justizbehörden bereiten sich darauf vor, ein Urteil zu fällen, obwohl noch vieles ungeklärt ist», sagt Erol Önderoglu, Vertreter von RSF Türkei. « Die Gerechtigkeit, die wir alle Hrant Dink schulden, kann nur hergestellt werden, wenn alle Protagonisten, die auf die eine oder andere Weise an der Ermordung dieses Journalisten und Mannes des Friedens, der sich für die türkisch-armenische Versöhnung einsetzte, beteiligt waren, eindeutig identifiziert, vor Gericht gestellt und bestraft werden.»

Der Fall Hrant Dink ist einer der jüngsten Fälle von ermordeten Journalisten in der Türkei. Die Prozesse im Zusammenhang mit den Morden an zwei Journalisten in den frühen 90er Jahren, Musa Anterin 1992 und Ugur Mumcuin 1993, werden in Ankara in Abwesenheit der Täter und Anstifter fortgesetzt. Die nächste Anhörung im Anter-Prozess findet am 20. Januar statt, im Mumcu-Prozess im Mai.

In der RSF-Rangliste der Informationsfreiheit für das Jahr 2020 liegt die Türkei auf Platz 154 von 180 Ländern.

Foto: Fondation Hrant Dink

 

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