Anlässlich des Internationalen Frauentages weist Reporter ohne Grenzen (ROG) darauf hin, dass derzeit weltweit 27 Journalistinnen inhaftiert sind. Manche werden unter unmenschlichen Bedingungen festgehalten. Einige wurden Opfer von Folter und sexueller Belästigung. ROG fordert ihre sofortige und bedingungslose Freilassung.

Weil mehr und mehr Frauen Journalismus als Beruf wählen, werden Journslistinnen auch zunehmend Opfer von Repressionen autoritärer Regimes. Laut der Liste von ROG waren von den 334 Medienschaffenden, die Ende Februar inhaftiert waren, 27 – oder 8 Prozent – Frauen. Vor fünf Jahren waren nur 3 Prozent der inhaftierten Medienschaffenden Frauen.

Die 27 Journalistinnen werden in neun Ländern festgehalten. Dabei halten der Iran und China den traurigen «Rekord» mit je sieben inhaftierten Journalistinnen. Es folgt die Türkei, die – trotz der Freilassung der berühmten kurdischen Journalistin und Illustratorin Zehra Doğan vor zwei Wochen – weiterhin vier weitere Journalistinnen im Gefängnis festhält. In Saudi-Arabien ist eine Journalistin inhaftiert, in Vietnam zwei und in Ägypten, Bahrain, Syrien und Nicaragua je eine.

Angegriffen wegen ihrer Texte, aber angeklagt wegen schlimmster Verbrechen

Diese Frauen geraten wegen ihrer kritischen Artikel oder Posts in sozialen Netzwerken ins Visier der Behörden. Strafrechtlich verfolgt werden sie in der Regel aber wegen «terroristischer Propaganda» oder «Zugehörigkeit zu einer terroristischen Gruppe» (etwa in der Türkei und in Ägypten) oder wegen «verdächtiger Kontakte zu ausländischen Stellen» (etwa in Saudi-Arabien) – vage und unbegründete Anschuldigungen, die als Vorwand benutzt werden, um lange Gefängnisstrafen zu verhängen.

Im Iran wurden die Journalistin und Menschenrechtsaktivistin Narges Mohammadi und die Betreiberin des Blogs Paineveste, Hengameh Shahidi, zu zehn beziehungsweise zwölf Jahren Gefängnis verurteilt, weil sie «sich gegen die nationale Sicherheit und die Islamische Republik verschworen» und den Chef der Justiz «beleidigt» hätten. Die britisch-iranische Doppelbürgerin Roya Saberi Negad Nobakht wurde 2014 wegen ihrer Facebook-Posts zu einer Haftstrafe von 20 Jahren verurteilt. Diese wurde auf fünf Jahre reduziert.

Lebenslängliche Haftstrafen

Einige Länder haben keine Bedenken, möglichst lange Haftstrafen zu verhängen, um «störende» Stimmen zum Schweigen zu bringen. Dies ist in China der Fall. Gulmira Imin, Mitglied der uigurischen muslimischen Gemeinschaft und Betreiberin der Nachrichtenseite Salkin, wurde 2010 wegen «Separatismus» und «Veröffentlichung von Staatsgeheimnissen» zu lebenslanger Haft verurteilt. Dieselbe Strafe wurde in der Türkei gegen die 74-jährige Journalistin Nazlı Ilıcak ausgesprochen, weil sie am Vorabend des Putschversuchs im Juli 2016 an einer regierungskritischen Fernsehsendung teilgenommen hatte. Sie und zwei männliche Kollegen, die Gebrüder Altan, wurden zu einer «verschärften» lebenslangen Haftstrafe verurteilt, der härtesten Form der Isolation, ohne Urlaub und ohne die Möglichkeit einer Begnadigung.

«27 Journalistinnen sind derzeit wegen ihrer Texte oder mutigen Äusserungen ihrer Freiheit beraubt», sagt Christophe Deloire, Generalsekretär von ROG International: «Ihnen bleibt nichts erspart. Sie sind oft Opfer unverhältnismässiger und ungerechter Urteile. Sie sind wie ihre männlichen Kollegen den schrecklichsten Haftbedingungen ausgesetzt, und manchmal werden sie auch gefoltert und sexuell belästigt. ROG fordert ihre sofortige Freilassung und appelliert an die Vereinten Nationen auf, sich für sie zu engagieren.»

«Unmenschliche» Bedingungen

Journalistinnen können, wie ihre männlichen Kollegen, extrem harten Haftbedingungen ausgesetzt sein. Lucía Pineda Ubau, Redaktionsleiterin des nicaraguanischen Informations-Fernsehsenders 100% Noticias, verbrachte 41 Tage im Hochsicherheitsgefängnis El Chipote in Managua, bevor sie Ende Dezember in ein Frauengefängnis verlegt wurde. Die Bedingungen in El Chipote, wo die ehemalige Somoza-Diktatur ihre politischen Gefangenen folterte, seien «unmenschlich», so José Inácio Faria, ein portugiesischer EU-Abgeordneter, der Pineda dort besuchte.

Tran Thi Nga, eine vietnamesische Bloggerin, die sich für Wanderarbeiter einsetzte, wurde nach ihrer Verhaftung mehr als sechs Monate lang in Isolationshaft gehalten. Schliesslich wurde sie am 25. Juli 2017 in einem eintägigen Prozess wegen «antistaatlicher Propaganda» zu neun Jahren Haft verurteilt wurde. Ihr wurden fast ein Jahr lang Anrufe und Besuche verweigert, weil sie «ihre Schuld nicht anerkennen wolle». Ihr Anwalt, der sie vor dem Prozess nur einmal treffen konnte, äusserte sich besorgt über ihren Gesundheitszustand, der sich seiner Meinung nach ständig verschlechterte.

Im Iran wird Inhaftierten oft eine angemessene medizinische Versorgung verweigert. So etwa im berüchtigten Gefängnis von Teheran Evin oder in Gerchak, einem der schlimmsten Gefängnisse des Landes. Hier verbüssen drei Frauen, die für die Sufi-Website Majzooban Noor gearbeitet haben – Sepideh Moradi, Avisha Jalaledin und Shima Entesari -, fünfjährige Gefängnisstrafen. Im Iran inhaftierte Journalistinnen treten aus Protest gegen die Haftbedingungen, einschliesslich des Fehlens einer angemessenen medizinischen Versorgung, oft in gefährliche Hungerstreiks.

Mehrere UNO-Berichte bestätigen, dass iranische Frauen im Gefängnis häufiger krank werden als Männer. Die von einer ultra-konservativen Gesellschaft auferlegte Trennung zwischen Männern und Frauen und der traditionelle Hass gegen Intellektuelle und Dissidenten des islamischen Regimes verschlimmern die Situation der weiblichen Gefangenen. «Die Gesundheitsbedingungen für Männer sind bereits hart», sagt Taghi Rahmani, Narges Mohammadis Mann, «aber für Frauen ist der Mangel an Hygiene im Gefängnis noch schwieriger und problematischer.»

Gefoltert, gedemütigt und sexuell belästigt

Den Journalistinnen bleibt keine der schlimmsten Formen der Misshandlung erspart. In China wurde Gulmira Imin gefoltert und gezwungen, Dokumente zu unterschreiben, ohne ihren Anwalt kontaktieren zu können. Bei Frauen wird die körperliche Folter durch die Gefahr von Vergewaltigung und sexueller Belästigung noch verstärkt.

Nach Angaben der Familie von Shorouq Amjad Ahmed al Sayed, einer jungen Fotojournalistin, die am 25. April 2018 in Ägypten verhaftet wurde, wurde sie bewusstlos geschlagen, beleidigt und mit Vergewaltigung bedroht, bis sie das von ihren Vernehmern angestrebte Geständnis ablegte – nämlich, dass sie eine Website mit dem Ziel eingerichtet habe, die öffentliche Ordnung zu gefährden, und der verbotenen Muslimbruderschaft angehörte.

Anlass zu grösster Sorgen gibt in Saudi-Arabien die Situation von Eman al Nafjan, Gründerin des Blogs Saudiwoman, und von Nouf Abdulaziz Al Jerawi, die für The Arab Noon und andere Webseiten schrieb. Nach Angaben der saudischen Menschenrechtsorganisation Al-Qst gehören sie zu den Frauenrechtsaktivistinnen, die nach ihrer Verhaftung im Frühjahr 2018 gefoltert wurden. Die NGO weist darauf hin, dass einige Aktivistinnen auch sexuell belästigt, ausgezogen, nackt fotografiert und dabei gezwungen wurden, andere Gefangene zu umarmen.

Inhaftiert – und dann verschwunden

Die saudischen Behörden haben noch keine Angaben darüber gemacht, welche Anklagen gegen Nafjan und Jerawi erhoben werden. Sechs weitere Journalistinnen werden derzeit in anderen Teilen der Welt ohne Gerichtsverfahren festgehalten. In einigen Fällen haben ihre Familien den Kontakt zu ihnen verloren. In China weiss niemand, was aus den drei Bürgerjournalistinnen Zhang Jixin, Qin Chao und Li Zhaoxiu geworden ist, die 2015, 2016 und 2017 verhaftet wurden.

Auch die syrische Bloggerin Tal al-Mallouhi ist in Haft verschwunden. Sie wurde 2011 zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt, müsste also längst wieder in Freiheit sein. Zuletzt wurde sie 2016 lebend gesehen, als sie in das Staatssicherheitsgefängnis in Damaskus verlegt wurde. Zum Zeitpunkt ihrer Verhaftung im Dezember 2009 war sie erst knapp 18 Jahre alt. Sie ist sowohl eine der jüngsten als auch eine der am längsten inhaftierten Medienschaffenden der Welt.

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